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22. Oktober 2009 | Rund ums Urheiligtum | 

Gott kann mehr


P. Joaquín Alliende - Foto: Josef Hugmkf. „Ein deutscher Journalist bat Seminaristen aus dem Kongo um ein Interview. Er fragte: „Warum haben Sie sich entschieden, in eine Gemeinschaft einzutreten, die in Deutschland gegründet wurde?" Wie aus der Pistole geschossen antwortete der Anführer der Gruppe: „Entscheidend für unsere Zukunft wird die Erziehung der afrikanischen Seele in der lebendigen Tradition unserer Kirche sein. Wir haben Schönstatt gewählt, weil P. Josef Kentenich ein prophetischer Lehrmeister von Erziehern ist. Ich habe nur ein Leben als Priester und das möchte ich als Sohn von P. Josef Kentenich meinem Volk schenken." Diese Seminaristen aus dem Kongo lernten das Liebesbündnis in Burundi kennen, in einem der ärmsten Länder der Erde. Die Schönstattfamilie dort wächst und wächst und ist vielleicht eine der missionarischsten auf der ganzen Welt. - Mit diesem Zeugnis gleich am Anfang seines Vortrags fesselte und bewegte Pater P. Joaquin Alliende sein Publikum - darunter den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset.

Mons. Périsset escuchando a la prédica - Foto: Josef Hug„Gott kann mehr": Unter diesem Thema hielt Pater Alliende Luco, Präsident von "Kirche und Not" und derzeit als Auditor bei der Afrikasynode in Rom, am frühen Nachmittag des 18. Oktober einen Vortrag in der vollbesetzten Pilgerkirche in Schönstatt. Ausgehend von zwei Daten - 20 Jahre Fall der Mauer, ein Jahr Zusammenbruch des wilden Kapitalismus mit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank am 15. September 2008 - führte Pater Alliende seine Zuhörer zu der überraschenden Frage: „Was hat das „Heimatlied", eines der Gebete, die P. Kentenich in der Hölle von Dachau verfasst hat, mit der Finanzkrise zu tun, die im Büro von Lehman Brothers in Manhattan losgetreten wurde? Zwischen diesen beiden Vorgängen eine Beziehung herzustellen, ist das religiöse Naivität oder romantisches Herumphantasieren, das von den wahren, realistischen Lösungen wegführt? Ich wage die Behauptung: ohne das „Heimatlied" oder ähnliche Visionen, ohne Gnadenquellen wie das Heiligtum hier im Tal von Schönstatt, wird es keine praktische und dauerhafte Lösung für die brutalen wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten geben, die dramatisch sichtbar wurden."

100 Jahre verpflichten

Conferencia - Foto: Cássio LealEr rief die Schönstatt-Bewegung auf, fünf Jahre vor der Hundertjahrfeier des Liebesbündnisses ihr marianisches Charisma neu einzubringen, denn „die aktive und frauliche, lebensnahe Präsenz Marias ist gefragt, damit wir Organisation und Struktur nicht überbewerten. Damit wir Planungen, Rationalität, die Logik des Institutionellen, der Arbeitssysteme nicht überbewerten. Man hört immer wieder Priester in den Diözesen, die sagen: Vorsicht, dass wir uns nicht nur auf effiziente Arbeitsmodelle konzen­trieren, die zu einer immer größeren Entpersonalisierung der Pastoral führen, wenn sie nicht klug angewandt werden. (...) Ausschlaggebend ist, was P. Paul Vautier als „radikale Entscheidung für den Personalismus", für die Person, für die Bindung, zu bezeichnen pflegte. Hier kommt gerade der Frau ein besonderes Talent zu. Johannes Paul II. widmet diesem Vorgang seine Enzyklika „Mulieris Dignitatem" (1988). Für Josef Kentenich war es eine Frage von sprudelndem Leben oder verdorrter Wüste, ob es der Pastoral gelingt, das Evangelium Christi zu personalisieren, zu lokalisieren, d.h. zu verorten, und zur erfahrenen Lebensgeschichte zu machen."

Gleichzeitig rief er auf zu einer Pastoral und Pädagogik der Heiligkeit, denn „ohne eine alles prägende Heiligkeitsströmung wird ein neuer Frühling nicht möglich sein. Neue Pläne, eine neue Organisation - ja. Aber heroisch beseelt von der Nähe und Zärtlichkeit Jesu Christi, von der freudigen Schönheit des Heiligen Geistes. Wir müssen mit allen notwendigen Institutionen rechnen, aber - wie es von Balthasar schon vor dem II. Vatikanischen Konzil formulierte - die Organisation in unserer Kirche muss immer „kristallisierte Liebe" sein. Das heißt für unsere Bewegung: personalisierte Liebe, ein Organismus von lebendigen Bindungen, ein Netz von Heiligtümern, Diözesanheiligtümern, Haus- und Arbeitsheiligtümern, ein Netz von „Erlebniszentren".

Gleichzeitig...Und während zugleich ein paar Hundert Meter weiter noch Dutzende von Menschen in der eisigen Kälte Schlange standen, um ins Urheiligtum zu kommen, sagte Pater Joaquin Alliende seinen Zuhörern: „Aus dem alten Friedhofskapellchen, einem Abstellraum für Gartengeräte, konnte ein Heiligtum werden, der Knotenpunkt eines stabilen Gewebes von Gnadenorten auf allen fünf Kontinenten. Aus dieser Gewissheit der Macht Gottes erwächst ein Lebensstil und ein Gefühl für das Schönstattgeheimnis. So sagte Kardinal Errázuriz vor einigen Wochen hier in Deutschland: „Heute reicht Sendungsbewusstsein nicht aus, wir brauchen Sendungsergriffenheit."

Ein Heiligkeitsprojekt

Durante la Conferencia - Foto: Cássio LealEs sollte auf 2014 ein Heiligkeitsprojekt die ganze Schönstattfamilie ergreifen: „Aber nicht im Sinn einer langen Litanei von Namen. Jeder von ihnen ist einzigartig. Jeder ist unser Bruder, unsere Schwester. Der Priester und Märtyrer Karl Leisner ist der erste Sohn Schönstatts, der selig gesprochen wurde. Josef Engling ist der Garant für die Lebendigkeit der Gründungsurkunde. Und nicht nur in Deutschland, wie es der Seminarist im Diözesanseminar in Burundi, Sebastian Bitangwanimana zeigt. Er wollte ein Schüler Josef Englings in der Kunst des Gebetes sein - er starb als Märtyrer der Versöhnung zwischen Hutus und Tutsi. Gertraud von Boullion öffnete den Weg für alle unsere Frauengemeinschaften. Schwester Maria Emilie fordert uns alle auf, mit ihr in den „D-Zug der Kindlichkeit" zu steigen. Joao Pozzobon will mit der Pilgernden Gottesmutter durch die ganze Welt ziehen. Der Seligsprechungs­prozess von Mario Hiriart ist nicht nur eine Angelegenheit der Marienbrüder oder der Chilenen. Mario zeigt, wie das Charisma Schönstatts die Welt der Ingenieurwissenschaften, der Mathematik, der Kultur befruchten kann. Die beiden Frauen von Schönstatt, Maria Laufenberg und Lotte Holubars, die Eingang ins Martyrologium der deutschen Kirche gefunden haben, stehen für eine ganze Generation von heroischen Schönstättern aus den Zeiten des Nationalsozialismus. Der Pallottiner Franz Reinisch, Märtyrer des Gewissens, hat eine internationale Ausstrahlung. Die Wegbereiter vom Institut der Familien, Fritz und Helene Kühr, sind providentielle Gestalten für die Familienbewegung auf der ganzen Welt."

2014 entgegen

Er beendete seinen Vortrag mit drei Thesen:

1. „ Es wird keinen Frühling in Schönstatt geben, ohne wahrhaftige marianische Demut; ohne Sühne für unser Versagen; ohne dass wir um Verzeihung bitten, sie empfangen und schenken, aus ganzem Herzen und im praktischen Leben.

2. Bitten wir um „Heimat". Leben wir „Heimat". Bieten wir „Heimat" an. Damit die geistlichen Zentren um die Heiligtümer der MTA ihre ganze Anziehungs- und Lebenskraft entfalten. Dann können noch mehr „abrahamitische Minderheiten" entstehen und weiter wachsen. Denn „die kreativen Minderheiten bestimmen die Zukunft".

3. Lassen wir jede Form von Routine beiseite, so wie unser Gründer immer wieder aufgefordert hat. Betteln wir um das heilige Feuer des Charismas, die frohe missionarische Begeisterung und um Leidenschaft für die dreifaltige Liebe. Damit aus Sendungs-bewusstsein, Sendungsergriffenheit wird."


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