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21. Oktober 2010 | Oktober-Treffen | 

Eine neue Bündniskultur als Antwort auf die Krise


Erzbischof Dr. Robert Zollitsch beim PodiumClemens Mann. Die Missbrauchskrise hat Deutschland schwer erschüttert. Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die katholische Kirche wurden beschädigt. Die Rufe nach Reformen werden immer lauter. Wie aber sollen Christen mit der wohl schwersten kirchlichen Krise nach dem Zweiten Weltkrieg umgehen? Den Blick auf die vorhandenen Defizite richten oder aber die positiven Grundkräfte innerhalb der Kirche wahrnehmen und für einen neuen Aufbruch werben?

Podium

Ein Podiumsgespräch in der Aula der Anbetungskirche, das im Rahmen der Oktoberwoche stattfand, entschied sich für letzteres. Nicht die Krise sollte im Mittelpunkt stehen, sondern die Ressourcen, von denen der christliche Glaube und die Kirche in Deutschland leben. Ressourcen, die hilfreich für eine Bewältigung der künftigen Herausforderungen sein können. Geladen waren Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Vesper, Generalsekretär des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK), Schwester Aloisia Höing, ehemalige Vorsitzender der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Wilfried Hagemann, Priester aus der Fokolarbewegung, und Lukas Schreiber aus der Schönstattbewegung. Die Gäste repräsentierten jeweils unterschiedliche Gruppierungen in der Kirche und berichteten jeweils von positiven Grundkräften aus ihrem Lebens- und Erfahrungsbereich. Am Ende des rund eineinhalbstündigen Podiums kamen sie zu einem bemerkenswert einheitlichen Ergebnis: Nicht klagen und lamentieren, sondern sich gegenseitig verbünden und einen offenen und ehrlichen Dialog miteinander suchen - diesen hoffnungsvollen Weg gelte es nun zu beschreiten.

Starke Grundkräfte in der Kirche am Werk

Auf welche Ressourcen kann die Kirche aus Sicht der Experten nun bauen? Der Generalsekretär des ZdK, Vesper, betonte das Engagement der Laien: Dieses sei für die Kirche unverzichtbar. „Ohne uns geh in der Kirche nichts", sagt der 54-Jährige. Dennoch liege auch hier vieles noch brach und müsse besser zum Wohl der Kirche genutzt werden. Ein zweites Standbein sieht Vesper im politischen Engagement vieler Christen für die Gesellschaft. „Das politische und soziale Engagement aus dem Glauben heraus" sei wichtig, um Gesellschaft aktiv gestalten zu können.

Schwester Aloisia Höing, Generaloberin der Heiligenstädter Schulschwestern, verwies auf die Bedeutung der rund 30 000 Ordensmitglieder als Seelsorger und Begleiter der Menschen. „Ordenschristen sind Menschen, die Gott transparent machen." Das Ordensleben sei eine Kultur, die zu jeder Zeit auf Gott verweise. Das Leben in den Gelübden sei zwar eine tägliche Herausforderung für die Ordensleute, zugleich könne es Zeugnis dafür sein, das Leben ganz nach Gott auszurichten. Die Mitglieder der Gemeinschaften seien besonders nah am Menschen und könnten den Gläubigen helfen, ihre ureigene Berufung zu finden.

Der in der Fokolarbewegung beheimatete Priester Hagemann sieht geistliche Gemeinschaften als Orte, wo man Gott begegnen könne und ein Getragensein untereinander und im Glauben erfahre. Durch das „Miteinander von Priester und Laien" in den Gemeinschaften könnten auch Priester eine Stärkung im Glauben erfahren. Hagemann selbst erlebt sich in der Fokolarbewegung als ein „Bruder unter Brüdern". Der Leiter eines spirituellen Zentrums in der Nähe von Ottmaring bei Augsburg sieht Pfarreiengemeinschaften als große Chance für die Gemeinschaften. Diese müssten sich noch stärker in den jeweiligen Gemeinden engagieren - zum Wohl der Kirche.

Der Beitrag Schönstatts für die Kirche

Schreiber, seit 14 Jahren im Schönstatt Familienbund, verwies auf die Bindungsspiritualität Pater Kentenichs. Dieser habe keinen Individualismus gewollt, sondern eine persönliche Bindung des Einzelnen an Menschen, Orte und Werke. All diese Bindungen verweisen auf die Bindung des Menschen an Gott, in Schönstatt werde diese besonders im Liebesbündnis offenbar. Für Schreiber ist aber auch die Idealpädagogik Kentenichs ein wertvoller Beitrag Schönstatts für die Kirche. „Wir müssen eine Vorstellung davon haben, wie die Kirche in 30 Jahren aussieht", sagt Schreiber. Visionen seien für eine Gemeinschaft zentral. Durch die Ausarbeitung von Jahresparolen, Diözesanidealen und seit neuestem auch Leitbilder habe Schönstatt besonders in diesem Bereich große Erfahrung.

Erzbischof Zollitisch sieht in der Frohen Botschaft die wichtigste Ressource für die Gemeinschaft der Kirche. „Der Glaube an den lebendigen Gott zeichnet die Christen aus." Christen glaubten an ein Ziel, dass außerhalb der Welt liege. Alle Zeit werde so als Zeit Gottes qualifiziert. Es gelte daher nicht zu klagen und zu lamentieren, sondern im Sinne eines Deutens der Zeichen der Zeit darüber nachzudenken, was Gottes mit den Menschen vorhabe. Glauben heißt für Zollitsch: „Menschen üben sich darin, den Willen Gottes zu erkennen und sich gemeinsam auf den Weg zu machen." Der Freiburger Oberhirte und Mitglied der Gemeinschaft der Schönstatt Diözesanpriester lobte das große Engagement ehrenamtlicher und hauptamtlicher Laien in der Kirche. Diese seien „ein ganz großes Geschenk Gott an seine Kirche", das die Menschen viel zu wenig zu schätzen wüssten.

Den Blick auf das Gute richten

Stefan Vesper kritisierte zu Beginn des Podiums die große Defizitorientierung in der Kirche. Auch Erzbischof Zollitsch forderte die Delegierten der Schönstattbewegung auf, das Gute in der Kirche in Dankbarkeit zu sehen. Einigkeit herrschte bei den Podiumsteilnehmern, dass es jetzt darum gehe, die positiven Ansätze in der Kirche in einem Dialogprozess sichtbar zu machen. Als ein hoffnungsvoller Prozess sah das Podium dabei die Dialoginitiative der Bischofskonferenz, die Bischof Zollitisch bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe ausgerufen hatte. Der Dialog stehe zwar noch am Anfang, sagte Zollitsch, könne aber zu einem sich gegenseitigen Beschenken und zu eine Kultur des Hörens auf Gott führen.

Die Aula war gut besetzt

Pressemeldung zum Podium (Zenit)


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