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Auf den Spuren von Karl Leisner – Priester unterwegs als „Pilger der Hoffnung“

"Pilger der Hoffnung" - Am Grab Karl Leisners im Xantener Dom (Foto: Scholten)
Christoph Scholten. „Der die Hoffnung in uns verlieben wolle.“ Mitten in der von Menschen gemachten Hölle des Konzentrationslagers Dachau erinnerte der von den Nazis zum Häftling Nummer 22356 abgewertete und entrechtete Karl Leisner am 16. Oktober 1943 in seinem Brief an die Familie sie und sich selbst an die aus kindlichem Versehen falsche und doch sehr tiefgründige Formulierung seiner acht Jahre jüngeren Schwester Elisabeth bei der Einleitung des Rosenkranzes, die sie anstelle der richtigen Formel „Jesus, der den Glauben in uns vermehre“ bzw. „der die Hoffnung in uns stärke“ und „der die Liebe in uns entzünde“ erfunden hatte: „Ich warte mit Hochspannung auf Euren nächsten Brief. Wir sind täglich vom Tod bedroht. Aber nie, meine ich, hätten wir auch so die mächtige Hand des Herrn verspürt. Gerade jetzt im Rosenkranzmonat sind wir ja so oft miteinander verbunden und bei unserer Himmelsmutter vereint. Manchmal fällt mir Elisabeths »Der die Hoffnung in uns verlieben wolle« ein. Und unsere schöne, heimelige, warme Küche mit dem feinen Herrgottswinkel.“ Die Kirche gedenkt jedes Jahr am 12. August des seligen Karl Leisners, eines außergewöhnlichen Menschen, der mit seinem Leben gegen den Nationalsozialismus Zeugnis gab.
Karl-Leisner-Pilgermarsch der schönstättischen Priestergemeinschaften vom 4. bis 8. August 2025
„Als Pilger der Hoffnung“ trafen sich am Montagabend, 4. August 2025, dem Gedenktag des hl. Jean-Baptiste Marie Vianney, bekannt als „der Pfarrer von Ars“, sechs Priester aus drei Ländern im Priesterhaus in Kevelaer, um nach der Vesper, der Hl. Messe und dem Abendessen die kommenden drei Pilgertage in den Blick zu nehmen: Ein Schönstattpater aus Vallendar im Bistum Trier und fünf Diözesanpriester aus den Bistümern Augsburg, Basel, Münster, ’s-Hertogenbosch und Würzburg, darunter vier Mitglieder des Schönstatt-Priesterbundes.

Das Schönstatt-Heiligtum auf dem Oermter Marienberg (Foto: Scholten)
Am Dienstag, 5. August, dem Weihetag der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom, brachen die Pilger nach den Laudes und dem Frühstück zum niederrheinischen Schönstattzentrum Oermter Marienberg auf, um das Heiligtum der Weggemeinschaft und die Karl-Leisner-Stele zu besuchen. Dechant Christoph Scholten ging in seinem Impuls von der Verkündigungsbulle aus, mit der der verstorbene Papst Franziskus alle Gläubigen zur Feier des Heiligen Jahres 2025 eingeladen hat: „Ich bin zuversichtlich, dass alle (...) die Nähe der liebevollsten aller Mütter erfahren können, (...) die für das heilige Volk Gottes ein »Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes« ist.“
Maria – ein sicheres Zeichen der Hoffnung und des Trostes
Am Beispiel Karl Leisners, der am 29. Oktober 1937 sofort im Anschluss an die Durchsuchung des Elternhauses durch die Gestapo und die Beschlagnahmung der meisten seiner Tagebücher und Ferienlagerchroniken eine Wallfahrt „nach Kevelaer zur Mutter (...) Trösterin der Betrübten“ unternommen hatte, zeigte Christoph Scholten auf, wie Maria und Karl Leisner zu Zeichen der Hoffnung werden. Trotz der grundsätzlichen Erkenntnis Jesu, dass es nicht darauf ankommt, ob man (als Jude) in Jerusalem oder (wie die Samariter) auf dem Berg Garizim Gott anbetet, sondern „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,23), lehrt die menschliche Erfahrung, dass bestimmte (Wallfahrts-) Orte es leichter machen können, die Nähe Gottes und der Heiligen zu erfahren. So schreibt Karl Leisner im Januar 1938 in sein Tagebuch „Was hat mich die liebe Gottesmutter doch in den Jahren zum Priestertum geführt. Telgte, Kevelaer, Marienbaum, Schönstatt – o wenn ich an diese Gnadenstunden, die großen und kleinen denke. Dank dir, liebe himmlische Mutter!“
Marienschwester M. Gabriella Cleven gab den Pilgern noch ein erfrischendes Eis mit auf den Weg. Auf die Weiterfahrt nach Sonsbeck folgte der ungefähr 75minütige Pilgerweg durch die „Sonsbecker Schweiz“, in der nach dem Gebet des freudenreichen Rosenkranzes Zeit für Stille war. Anschließend tauschten sich die Pilger in „Emmaus-Gesprächen“ aus, d.h. sie sprachen in Zweiergruppen über die (Wallfahrts-) Orte und die (himmlischen und irdischen) Personen, die ihnen auf ihrem bisherigen Glaubensweg geholfen haben, „die Hoffnung in uns zu verlieben“.
Nach dem Transfer nach Kevelaer-Winnekendonk und den nötigen Einkäufen fand im dortigen Pfarrheim der Mittagsimbiss statt. Auf dem sich anschließenden etwa 80minütigen Fußpilgerweg nach Kevelaer beteten die Pilger den lichtreichen Rosenkranz.

"Emmaus-Gespräche" unterwegs (Foto: Scholten)
Die wahren Mittelpunkte der Geschichte sind die stillen Gebetsorte der Menschen
In der Pilgermesse in der Beichtkapelle erinnerte Christoph Scholten an Worte bzw. Gesten der letzten drei Päpste: an Papst Franziskus, der nicht nur am Tag nach seiner Wahl zum Papst, sondern vor und nach Antritt einer jeden Auslandsreise (außerhalb Italiens) zur Basilika Santa Maria Maggiore fuhr, um vor dem Gnadenbild Mariens, die dort als „Salus Populi Romani“ („Heil des römischen Volkes“), verehrt wird, zu beten und einen Blumenstrauß niederzulegen – und schließlich dort auch beerdigt zu werden. Danach verwies Scholten auf den heiligen Papst Johannes Paul II., der am 2. Mai 1987 in Kevelaer die Überzeugung ausdrückte: „Die wirklichen Zentren der Welt- und Heilsgeschichte sind nicht die betriebsamen Hauptstädte von Politik und Wirtschaft, von Geld und irdischer Macht. Die wahren Mittelpunkte der Geschichte sind die stillen Gebetsorte der Menschen. Hier vollziehen sich in besonders dichter Weise die Begegnung der irdischen Welt mit der überirdischen Welt, der pilgernden Kirche auf Erden mit der ewigen und siegreichen Kirche des Himmels. Hier geschieht Größeres und für Leben und Sterben Entscheidenderes als in den großen Hauptstädten, wo man meint, am Puls der Zeit zu sitzen und am Rad der Weltgeschichte zu drehen.“ Scholten legte den Pilgern schließlich die Haltung Mariens ans Herz, die Papst Benedikt XVI. am 11. September 2006 im größten bayerischen und deutschen Marienwallfahrtsort Altötting hervorgehoben hat, ausgehend von der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11): „Die helfende Güte der Mutter, der wir uns anvertrauen – hier sehen wir sie zum ersten Mal in der Heiligen Schrift. (...) Maria überlässt alles dem Herrn. Sie hat in Nazareth ihren Willen in Gottes Willen hineingegeben: »Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort« (Lk 1, 38). Das ist ihre bleibende Grundhaltung. Und so lehrt sie uns beten: Nicht unseren Willen und unsere Wünsche – so wichtig, so einsichtig sie uns auch sein mögen – Gott gegenüber durchsetzen wollen, sondern sie zu ihm hintragen und ihm überlassen, was er tun wird. Von Maria lernen wir die helfende Güte, aber auch die Demut und die Großzügigkeit, Gottes Willen anzunehmen und ihm zu vertrauen, ihm zu glauben, dass seine Antwort, wie sie auch sein wird, das wahrhaft Gute für uns, für mich ist.“
Die Zeichen der Zeit verlangen danach, in Zeichen der Hoffnung verwandelt zu werden.

Armin Haas: Impuls am Portal der Versöhnung (Foto: Scholten)
Am Mittwoch, 6. August, dem Fest der Verklärung des Herrn, hatte Domkapitular Armin Haas die inhaltliche Vorbereitung übernommen. Leitwort dieses zweiten Pilgertages war ein Zitat von Papst Franziskus aus dessen Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr: „Wir müssen (...) auf das viele Gute in der Welt achten, um nicht in die Versuchung zu geraten, das Böse und die Gewalt übermächtig zu halten. Aber die Zeichen der Zeit (...) verlangen danach, in Zeichen der Hoffnung verwandelt zu werden.“ Mit diesem Wort begann Armin Haas nach den Laudes und dem Frühstück seinen Impuls am „Portal der Versöhnung“, das der am 16. Juli 2025 im Alter von 89 Jahren verstorbene Düsseldorfer Bildhauer und Zeichner Bert Gerresheim 1997 für die Kevelaerer Marienbasilika (Eingang zum Vorraum, der die Beichtkapelle, die Sakristei und die Basilika miteinander verbindet) geschaffen hatte. Es zeigt u.a. knieend Karl Leisner, der von dem französischen Mithäftling und Bischof von Clermont, Gabriel Piguet, im KZ Dachau zum Priester geweiht wird, und „Mädi“, die spätere Ordensfrau Schwester Maria Imma Mack, die unter dem Vorwand des Blumenkaufs Lebensmittel und u.a. das für die Priesterweihe benötigte Chrisam ins KZ schmuggelte.

Ein Abschnitt des Pilgerweges im Schlauchboot (Foto: Scholten)
Nach dem Impuls fuhren die Pilger zum Schloss Wissen, von wo aus sie zu einer rund dreistündigen Schlauchbootfahrt auf der Niers aufbrachen. Bei herrlichem Sonnenschein ließ sich die kleine Bootsbesatzung z.T. treiben, um zunächst in Stille darüber nachzudenken, welche „Zeichen der Zeit“ sie momentan beschäftigen (weltpolitisch, kirchlich, persönlich) und welche Verwandlungen in „Zeichen der Hoffnung“ für sie sichtbar werden. Das anschließende Emmaus-Gespräch wurde gemeinschaftlich gehalten. Passend zum Festtag wurde der lichtreiche Rosenkranz gebetet – das vierte Gesätz lädt ja dazu ein, Jesus zu betrachten, „der auf dem Berg verklärt worden ist“. Am (mittags noch geschlossenen) Ausflugslokal „Jan an de Fähr“ betraten die Pilger wieder festen Boden. In Kranenburg hielten sie einen Mittagsimbiss, um dann vom Wolfsberg aus einen kurzen Fußweg durch den Reichswald zurückzulegen, in dem Karl Leisner als Kind und als Jugendlicher sowohl mit der Familie als auch mit den Jugendgruppen gerne seine Freizeit verbracht hatte. In Kleve besuchte die Gruppe den Friedhof an der Merowinger Straße, wo am Rondell mit den Priestergräbern eine Gedenkplatte und ein von dem Künstler Mika Springwald gesprühtes Portrait daran erinnert, dass sich dort das Grab Karl Leisners befand, bis seine Gebeine 1966 nach Xanten überführt wurden. In der Klever Propstei- und Stiftskirche St. Mariä Himmelfahrt, vor der das Erinnerungsmal von Bert Gerresheim an Karl Leisner erinnert und in der u.a. auch der Grabstein, der zehn Jahre auf Karl Leisners Klever Grab gestanden hatte, auf den Seligen verweist, zelebrierte Armin Haas die Festmesse, bevor die Pilgergruppe nach Kevelaer zurückfuhr und dort den Tag ausklingen ließ.
Märtyrer – glaubwürdige Zeugen der Hoffnung
Am Donnerstag, 7. August, dem Gedenktag des heiligen Papstes Xystus II. (Sixtus), griff Pater Siegfried Koch inhaltlich sowohl ein weiteres Wort von Papst Franziskus in der Verkündigungsbulle für das Heilige Jahr 2025 auf: „Das glaubwürdigste Zeugnis für diese Hoffnung geben uns die Märtyrer“ wie auch eine Notiz, die Karl Leisner im Januar 1945 im Nachgang zu seiner Priesterweihe und Primiz schrieb: „So etwas Vorgeschmack vom »Victor-Sein« [Sieger-Sein] durfte ich in den vergangenen Wochen so ganz tief erfahren“.
Nach den Laudes und dem Frühstück fuhren die Pilger nach Kleve, wo Pater Siegfried Koch an der Kermisdahl (Teich mit schönem Blick auf das Klever Wahrzeichen, die Schwanenburg) einen Impuls u.a. über den barmherzigen Vatergott hielt. Da der erste Abschnitt des Prinz-Moritz-von-Nassau-Weges aufgrund einer Erdlawine infolge des vergangenen Starkregens seit einigen Wochen gesperrt war, wich der Pilgerweg zunächst von der vertrauten Route ab, um dann wieder die letzte Hälfte des Prinz-Moritz-von-Nassau-Weges und den Voltaire-Weg zu nehmen. Unterwegs wurden zu zweit „Emmaus-Gespräche“ geführt und der Rosenkranz gebetet. Nach knapp dreistündigem Fußpilgerweg erreichte die Pilgergruppe das Schloss Moyland in Bedburg-Hau. Mit den Autos fuhren die Pilger zum Wallfahrtsort Marienbaum, um die Mittagspause mit Imbiss zu halten. Ein Wehmutstropfen war, dass der 99jährige Ehrendomkapitular Theo Hoffacker, der 1999 den „Karl-Leisner-Pilgermarsch“ mit seinem 2006 verstorbenen Zwillings- und Priesterbruder Norbert ins Leben gerufen hatte, am Vortag ins Xantener Krankenhaus gebracht werden musste, so dass das Wiedersehen entfiel – hoffentlich kann er am 30. November sein 75jähriges Priesterjubiläum und am 1. Januar seinen 100. Geburtstag feiern!
In der Wallfahrtskirche Marienbaum, in der Karl Leisner gerne gebetet hat, hielt die Gruppe eine halbstündige stille Eucharistische Anbetung. Dem Transfer nach Xanten folgte der etwa einstündige Fußpilgerweg an den Außenmauern und -hecken der früheren römischen Colonia Ulpia Traiana entlang, dem heutigen Archäologischen Park Xanten. Wie alle Rosenkränze in den vergangenen Tagen wurde auch diesesmal ein Rosenkranz um geistliche Berufe und um Nachwuchs für die Gliederungen der Schönstattfamilie gebetet. Pater Koch zelebrierte in der Märtyrerkrypta des Xantener St. Viktor-Domes die Pilgermesse, an der auch zwei Marienschwestern und drei weitere Frauen teilnahmen. Pater Koch griff die Redensart „Es geht rauf und runter“ und die österliche Symbolik der Krypta auf – wie die Märtyrer aus römischer Zeit (hl. Viktor von Xanten und Gefährten) und Karl Leisner und die Blutzeugen, die durch die Nationalsozialisten ihr Leben verloren haben, „unten“ in der Krypta begraben sind, so seien die Pilger durch das Geschenk des Glaubens und der Taufe berufen, durch Jesu Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung geführt zu werden - „nach oben“, zum Licht des Lebens und damit zum Ziel ihrer irdischen Pilgerschaft, zum himmlischen Jerusalem, das sie erhofften. Dies erbaten sich die Pilger in den Fürbitten unter anderem auch für die verstorbenen langjährigen Mitpilger wie den am 28. Juli 2025 im Alter von fast 81 Jahren verstorbenen Aachener Diözesanpriester Hans Doncks.
Erste Überlegungen für den Karl-Leisner-Pilgermarsch 2026
Nach dem Gruppenfoto am Sarkophag des seligen Karl Leisner in der Märtyrerkrypta fuhren die Pilger zurück nach Kevelaer. Beim Abendessen auf der Außenterrasse einer Gaststätte schauten die Pilger auf die vergangenen Tage zurück und stellten erste Überlegungen für den Karl-Leisner-Pilgermarsch 2026 an.
Der 25. Karl-Leisner-Pilgermarsch endete mit den Laudes, der Hl. Messe und dem Frühstück am Freitagmorgen, 8. August 2025, dem Gedenktag des heiligen Dominikus. Im übertragenen Sinne konnten alle „Pilger der Hoffnung“ mit vielen neuen (oder wieder in Erinnerung gerufenen) Eindrücken im Gepäck in ihre Pfarreien und Einsatzorte zurückkehren – und mit einem schönen Buchgeschenk, das der Sekretär des Internationalen Karl-Leisner-Kreises IKLK (und Schönstätter) Udo Erbe hatte überreichen lassen: Die Gedenkschrift „Karl Leisner 1915 – 1945“, die der IKLK anlässlich des 80. Jahrestages der Priesterweihe des Seligen im KZ Dachau herausgegeben hat.