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Ein Signal der Hoffnung in Zeiten der Verunsicherung

Die Begegnung der Vertreter des Netzwerkes von Miteinander für Europa (MfE) fand in der Matthäuskirche in der Innenstadt von München statt (Foto: Brehm)
Hbre. Vom 27. bis 29. Juni 2025 versammelten sich rund 300 Christinnen und Christen aus verschiedenen Kirchen, geistlichen Bewegungen und Gemeinschaften in der Matthäuskirche am Sendlinger-Tor-Platz in München. Eingeladen hatte das Netzwerk Miteinander für Europa (MfE) zu einer Begegnungstagung unter dem biblischen Leitwort „Suchet der Stadt Bestes“ (Jeremias 29,7). Inmitten gesellschaftlicher Spannungen und Unsicherheiten sollte ein Zeichen der Hoffnung gesetzt und gemeinsam ausgelotet werden, wie Christinnen und Christen zum Gemeinwohl beitragen können, nicht in einer Haltung des Herrschens sondern des Dienens.

Pater Felix Geyer und Schwester M. Vernita Weiß gestalteten eine Gebetszeit mit (Foto: Brehm)

Das Hauptreferat der Tagung von Jesús Morán, Kopräsident der Fokolar-Bewegung, wurde per Video live eingespielt und von Herbert Lauenroth übersetzt (Foto: Brehm)

Markus Grübel, Parlamentarischer Staatssekretär a.D., Mitglied des Deutschen Bundestages 2002-2025 spricht über Schwierigkeiten und Chancen, "der Stadt Bestes" zu suchen (Foto: Brehm)

Das Wohl der Stadt im Blick: Christoph Klingan, Generalvikar des Erzbistums München-Freising (rechts) und Thomas Prieto Peral, evangelisch-lutherischer Regionalbischof von München (Foto: Heiner Frank)
Christen als Salz und Licht
Michael Guttenberger von der Vineyard-Bewegung, Mitglied im Vorbereitungsteam, beschrieb die Vision der Tagung als einen Impuls für eine dienende Kirche: Christliche Gemeinschaften seien „ausgesät“, um Segen zu sein mit einer Haltung, die nicht beansprucht, sondern die dient. Dabei sei „Stadt“ nicht nur ein geografischer Ort, sondern überall dort, wo Menschen zusammenleben. Die Teilnehmenden wollten herausfinden, wie sie in dieser Welt „Salz und Licht“ sein können um das soziale, geistliche und kulturelle Wohl aller zu fördern.
Theologische Impulse für das Gemeinwohl
Die Alttestamentlerin Janina Hiebel hob in einer Bibelarbeit zum Tagungsthema hervor, dass Christsein in der heutigen Zeit bedeutet, sich illusionslos mit der Realität auseinanderzusetzen und dennoch nicht die Hoffnung aufzugeben. Sie mahnte zur Überwindung von Feindbildern und rief dazu auf, an Orten zu wirken, „von denen ihr meint, dass sie hoffnungslos gottfern sind.“ Auch Deborah Dittmer von der Vineyard-Gemeinde München forderte ein Umdenken: „Wir müssen unsere Opfermentalität loslassen. Wir sind keine Opfer! Wir sind auch keine Beherrscher! Wir sind Salz und Licht der Welt!“
Liebe kann Städte verwandeln
Einen besonders weit gespannten geistlichen und kulturellen Horizont eröffnete Jesús Morán, Kopräsident der Fokolar-Bewegung, in seinem per Video übertragenen Hauptvortrag. Er zeichnete nach, wie bedeutende weltliche und theologische Denker über die Jahrhunderte hinweg die Stadt verstanden haben als Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Vernunft und Gewalt, Hoffnung und Resignation. In Anlehnung an den Kirchenvater Augustinus erinnerte Morán daran, dass nicht Macht oder Organisation das Fundament einer Stadt bilden sollen, sondern die Liebe. Das Christentum habe von Anfang an die Vision einer Stadt getragen, die durch das Wirken der Liebe zu einem Ort des Lebens und des Friedens wird.
Besonders eindrucksvoll war seine Schilderung der Erfahrung von Chiara Lubich, der Gründerin der Fokolar-Bewegung. Im Jahr 1949, inmitten der Trümmer des vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Roms, habe Lubich die geistliche Erkenntnis gewonnen, dass auch eine zerfallene, verwundete Stadt durch die Kraft der Liebe neu entstehen kann. Diese Liebe könne Städte verwandeln und zu Orten werden lassen, an denen Menschen Gott begegnen. Morán schloss mit einem visionären Bild: Christinnen und Christen seien berufen, „inmitten der sichtbaren Städte unseres Kontinents jene ‚unsichtbaren Städte‘ zu errichten, die wahre prophetische Vorzeichen des Reiches Gottes sind.“
Praktische Dimension: Das Beste erkennen und fördern
Bereits am Freitag wurde mit Kirchenvertretern und einem Politiker diskutiert, was konkret „das Beste“ für eine Stadt sein kann. Der frühere Bundestagsabgeordnete Markus Grübel betonte, es gehe darum, den Schwachen eine Stimme zu geben. Regionalbischof Thomas Prieto Peral erinnerte an den biblischen Ursprung des Gemeinwohlgedankens in Jeremia 29, damals für eine feindliche Stadt wie Babylon gesagt. Der christliche Auftrag sei es, sich an die Seite derer zu stellen, die ausgegrenzt oder bedroht werden. Generalvikar Christoph Klingan unterstrich: „Suchet das Beste heißt: Suchet das Gemeinsame.“

Musikalisch auf hohem Niveau wurde die Tagung von der Band der „Lobpreiswerkstatt“ der Gemeinschaft Immanuel Ravensburg mitgestaltet (Foto: Brehm)

Beim Forum "Evangelisierung eines neuen Kontinents: christlicher Glaube im Internet" war Schwester Francine-Marie Cooper beteiligt (Foto: Brehm)

Pater Hans-Martin Samietz ISch (2.v.l.) war an einem Podiumsgespräch zum Tagungsthema beteiligt (Foto: Brehm)

"Warum beteilige ich mich am Netzwerk Miteinander für Europa?" Zu dieser Frage nahm u.a. Pater Ludwig Güthlein ISch (m.) Stellung (Foto: Brehm)

Tradition ist die "Erneuerung des Bündnisses der gegenseitigen Liebe" am Ende der Tagung. Im Bild: Pfr. Thomas Römer, CVJM München (l.), Andrea Rösch, Fokolare-Bewegung, Pater Hans-Martin Samietz ISch, Schönstatt (Foto: Brehm)
In sechs Foren konnten die Teilnehmenden an der Konkretisierung des Tagungsanliegens mitarbeiten: Das Forum „Gebet für die Stadt“ stellte Gebetspraxis als ein wichtiger Schlüssel vor. „Mit Jugendlichen Glaubenswege gehen“, ein Forum, mit vorbereitet durch Schönstatt, richtete den Blick auf die junge Generationen als Entdecker*innen des Glaubens. Das Forum „Evangelisierung eines neuen Kontinents: christlicher Glaube im Internet“, ebenfalls von Schönstatt mitvorbereitet, beleuchtete die sozialen Netzwerke als eine große Chance für Christen, anderen von der biblischen Botschaft und Lebensquelle mitzuteilen. „Hoffnung geben an herausfordernden Orten: Soziale Initiativen in der Stadt“, unter diesem Titel stellten acht Gemeinschaften ihre Projekte zu sozialen Herausforderungen vor. Im Forum „Ehe und Familie“ wurde die Stärkung der Ehe/Beziehung thematisiert. Ein lebendiges Zeugnis dafür, dass es möglich und wünschenswert ist, vertrauensvoll auf Menschen anderer Religionen zuzugehen, war das Forum „Religionen in der Stadt im Einsatz für das Zusammenleben“.
Geistliche Tiefe und spirituelle Ermutigung
Ein Höhepunkt der Tagung war der gemeinsame Lobpreis und die Zeiten des Gebets, musikalisch gestaltet von der Lobpreiswerkstatt der Gemeinschaft Immanuel. In der Matthäuskirche, überragt vom Mosaik des „Himmlischen Jerusalem“, wurde das himmlische Bild einer versöhnten Stadt erlebbar. In seiner Abschluss-Predigt sagte Reinhardt Schink, Evangelische Allianz Deutschland: „Am Kreuz hat der Böse alles verloren. Das Leben entfaltet sich da, wo es die Bereitschaft zur Hingabe gibt.“ Die wahre Kraft, die das Beste für eine Stadt bewirken könne, sei nicht politische Macht – sondern das Lamm.
25 Jahre gelebtes Miteinander
Miteinander für Europa feierte in München sein 25-jähriges Bestehen. Das Netzwerk verbindet rund 200 Gemeinschaften verschiedener kirchlicher Prägung. Ihr gemeinsames Bündnis basiert auf der gegenseitigen Liebe: „Wir wollen einander lieben, wie du es versprochen hast... Wirke du in uns und durch uns, damit wir ein Segen sein können für unsere Mitmenschen und dem Wohl der Gesellschaft dienen.“ Mit dieser Haltung will das Netzwerk weiterhin zum Wohl der Städte und Europas beitragen – durch ein Miteinander, das niemanden ausschließt.
Mit klarem Blick auf das Gemeinwohl
In einer Zeit, die von Polarisierung und Unsicherheit geprägt ist, setzte die Tagung, die sowohl in der Vorbereitung wie auch durch eine größere Gruppe Teilnehmende der Bewegung durch Schönstatt mitgeprägt wurde, ein starkes Zeichen: Christliche Gemeinschaften wollen sich nicht abgrenzen sondern können und wollen mit einem klaren Blick auf das Gemeinwohl und einer Haltung der Hoffnung und Liebe Mitverantwortung übernehmen. „Suchet der Stadt Bestes“ bleibt damit nicht nur ein Bibelzitat, sondern wird zu einem konkreten Auftrag für gelebte Einheit und Versöhnung.
Mehr Informationen
- Internetseite des Netzwerkes Miteinander für Europa: miteinander-wie-sonst.org
- Ausführlicher Tagungsbericht
- Mehr zu den Foren der Tagung
- Bildimpressionen