Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda (Foto: basis-online.net)

Michael Gerber

Verdichtete Geschichte

07.05.2025

Wir erleben eine Woche der ungewöhnlich hohen Verdichtung. Am Dienstag erfolgte die Wahl des Bundeskanzlers mit den Herausforderungen, die sich dabei zeigten.

Heute startete das Konklave in Rom. Wir begleiten die Kardinäle im Gebet um den Heiligen Geist. Möge der kommende Papst als „Pilger der Hoffnung“ viele Menschen mit auf den Weg der Hoffnung durch dieses Heilige Jahr nehmen. 

Morgen ist der 8. Mai. Zum 80. Mal jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges.

Wir stehen hier an einem kritischen Punkt. Die letzten Stimmen der Augenzeugen verstummen in unseren Tagen für immer. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wächst eine Generation junger Menschen heran, die keine Möglichkeit mehr hat, Zeugen von damals zu begegnen. Das fordert uns heraus. Wie hat der Blick auf die Geschichte nicht nur den Charakter einer „Information über“, sondern eine performative Wirkung? Will heißen, wie prägt der Blick auf die Geschichte und insbesondere auf dieses dunkle Stück deutscher und europäischer Geschichte unsere Werteorientierung? Altes und Neues Testament schildern den Weg des Gottesvolkes und vor allem seiner Protagonisten gerade auch mit den Schattenseiten. Diese werden nicht ausgeblendet. In Zeiten, in denen Machthaber wie Putin – und neuerdings auch Trump – versuchen, die dunklen Seiten der Geschichte ihres Volkes aus den Schulbüchern zu entfernen, haben wir als Christen eine besondere Verantwortung, den ehrlichen Blick auf die Geschichte zu pflegen und dies in unserer Kultur wachzuhalten. 

Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda