Nachrichten

2. Januar 2025 | Worte des Bewegungsleiters | 

Wachstum der eigenen Persönlichkeit


Jahresmotto 2025 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Foto: Grabowska, pixabay)

Jahresmotto 2025 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Foto: Grabowska, pixabay)

„Seht, ich mache alles neu!“ (Offb 21,5), so die Worte aus der Offenbarung, die mit der Verheißung der neuen Stadt einhergehen. Dort werden sowohl die Bilder des apokalyptischen Untergangs wie auch die hoffnungsvolle Vision der neuen, ewigen Gottesstadt geweckt.

Liebe Leserinnen und Leser des Bündnisbriefes,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Was ist die angemessene Haltung gegenüber der Stimmung und Erfahrung von Umbruch? Mit dem Jahreswechsel begegnet uns die Frage, was wohl alles auf uns zukommen wird. Ihren Ursprung haben Neujahrsvorsätze in der babylonischen und römischen Götterverehrung, und sie gehen mit dem Vorausblick auf das neue Erntejahr, mit Versprechen und Opfern an die Gottheit einher. Es ist also ein alter Gedanke, dass man das, was vor einem liegt, beeinflussen könnte. In der christlichen Tradition wurde dieser Gedanke ‚getauft‘. Es geht mit dem Ausblick aufs neue Jahr und den Vorsätzen nur nicht mehr um Besänftigen der Götter, sondern um die Arbeit an sich selbst.

Wachstum der eigenen Persönlichkeit

In der Schönstatt-Bewegung erfährt der Neuaufbruch eine ganz eigene Kultivierung, und Vorsätze spielen dabei eine zentrale Rolle: Täglich neu ist die Arbeit am eigenen Wachstum dran. Dem auf die Spur zu kommen, prägt zutiefst die Alltagskultur, wie sie sich in der Tradition der Bewegung herausgebildet hat. Als typische Mittel stehen dafür die Geistliche Tagesordnung (GTO), auf der die Vorsätze für jeden Tag gefasst sind, und das Partikularexamen (PE), das bewusst Wachstumsvorgänge über einen längeren Zeitraum in den Blick nimmt. Das sind nicht einfach Vorsätze einer Selbstoptimierung. Es geht dabei bewusst um das geistliche Leben, die Pflege des Kontakts mit Gott und um das Wachstum der eigenen Persönlichkeit. Bei der Tagesordnung geht es dabei um das Dranbleiben am Kontakt mit sich selbst und mit Gott: Alles, was da hilft, wird Teil der GTO: Das Musikstück anhören, das mich motiviert, das Morgengebet oder die Art, wie ich in den Tag starte, die mir hilft, mich für heute ganz auf Gott auszurichten. Wenn das eine Yoga-Einheit ist oder ein Gebet, dann stehen diese Dinge auf der GTO. Beim PE geht es um die größeren Schritte des Persönlichkeitswachstums, auch über längere Zeiträume. Da ist pure Kreativität gefragt, und es ist durchaus anstrengend, ein gutes PE zu finden und zu pflegen. Und es ist sehr abhängig vom eigenen Persönlichkeitstyp. Das können klassische Punkte sein wie „immer fünf Minuten früher bei einem Termin auftauchen“ oder für Typen, denen es schwerfällt, Kontrolle abzugeben, vielleicht „jeden Tag eine kleine Dummheit begehen“, je nachdem, was die eigene Persönlichkeit ergänzt. Ähnlich wie Neujahrsvorsätze halten manche Punkte auf der GTO und als PE nicht allzu lange. Und es liegt schon nahe, ähnlich wie mit Neujahrsvorsätzen, sie erst gar nicht zu fassen. Ich glaube, auf kurzfristige Vorsätze für das neue Jahr trifft das zu. Doch den Willen zum Wachstum der eigenen Gottesbeziehung und zum Selbstwachstum aufzugeben, ist ein ungleich fatalerer Vorgang, als mal keine Neujahrsvorsätze zu fassen. Im Licht des neuen Jahres würde ich sogar so weit gehen und sagen: Schönstatt ist zutiefst eine Neujahrsbewegung.

Vielleicht ist das Dranbleiben an der eigenen Persönlichkeit und das von Zeit zu Zeit darüber ins Gespräch kommen, der eigentlich entscheidende Schritt.

Abenteuer Wachstum

Wenn ich Ihnen, liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung, am Anfang des neuen Jahres so aszetische und klassische Dinge wie diese Kultur der Vorsätze schreibe, dann soll Sie das – und auch mich selbst – in erster Linie ermutigen. Dabei würde ich mir in den Fragen der Selbsterziehung ein bisschen mehr Leichtigkeit wünschen. Bittere, herbe und niederdrückende Vorsätze gibt es genug! Ich finde, es geht um Wachstumsschritte und den Gedanken, dass auch die eigene Geschichte mit Gott wie ein großes Abenteuer ist, dem wir entgegengehen. Hermann Hesses Gedicht ‚Stufen‘ vermittelt für mich diese Mischung aus Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit. Ausschnitte will ich Ihnen mit an den Anfang des Jahres geben:

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Heimisch werden und doch nicht zu sehr und das Bewusstsein, dass jede Tugend, jede Weisheit und jede Lebensstufe ihren ganz eigenen Ort hat, motivieren mich, die Schritte in den Blick zu nehmen, deren Blütezeit jetzt und in den kommen Wochen dran sein könnten.

Wenn wir im Januarmonat das Liebesbündnis mit der Gottesmutter erneuern, dann ist sie diejenige, die mitgeht bei unserem Lebensabenteuer. Sie ist Meisterin des Weges und des Neuanfangs. Das Liebesbündnis ist der bewusste Entschluss auch für heute zu wachsen mit Maria.

Ich wünsche Ihnen die Freude des Anfangs, Kreativität und Leichtigkeit für diesen Monat,

Ihr

P. Felix Geyer

Schönstatt-Bewegung Deutschland


Top