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21. November 2024 | Kommentar der Woche | 

Kathrin Karban-Völkl Abwarten und Tee trinken


(Foto: pixabay)

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Kommentar der Woche:

Abwarten und Tee trinken

Kathrin Karban-Völkl | Kemnath (Foto: basis-online.net)

Kathrin Karban-Völkl | Kemnath (Foto: basis-online.net)

 

 

 

 

 

 

Kathrin Karban-Völkl

Abwarten und Tee trinken

21.11.2024

Warten war noch nie mein Ding. Wenn ich nach der Schule auf den Zug warten musste, fühlte ich mich magisch zu den Uhren der Deutschen Bahn hingezogen und verfolgte mit meditativer Ungeduld den Sekundenzeiger. Später, als frischgebackene Mutter, war ich darüber erstaunt, wieviel Zeit man als Eltern mit dem Warten zubringen kann, will und muss. Über den Daumen gepeilt warte ich täglich 1-2 Stunden. Darauf, dass das in Schichten zu sich genommene Essen doch irgendwann zu Ende geht. Darauf, dass die Sportstunde vorüber ist. Darauf, dass die letzte Kastanie eingesammelt und die perfekte Locke gedreht ist. Ja, ich warte viel und nicht immer fällt es mir leicht.

Nun, so kurz bevor der Dezember seine Kalenderfensterchen öffnen lässt und quasi das Warten im Programm hat, erinnere ich mich an verschiedene Gestalten der Bibel, die ebenfalls warten. Ob Elija am Gottesberg Horeb, das Volk Israel auf seinem Weg durch die Wüste unterwegs ins Gelobte Land, Johannes der Täufer, der auf das Kommen Jesu wartet und die anderen ermahnt, weiter mit ihm zu warten, oder auch die Jünger am Ölberg, die von Jesus gebeten werden, mit ihm zu wachen und zu beten. Das Warten gehört quasi zur Bibel und ihren Gestalten. Oft war es für diese Menschen eine wirkliche Herausforderung, zu warten. Und nicht immer ist es gelungen. Denn ja, Warten ist zugleich das Leichteste und das Schwerste. Einfach warten, nichts tun können (außer vielleicht Tee trinken) und doch voller Hoffnung und Vertrauen sein.

„Warten“, so sagte einmal jemand, „ist auch Lebenszeit.“ Seit ich diesen Gedanken über meinen Alltag gelegt habe, erscheint mir jede Wartezeit wertvoller, gefüllter, bedeutungsvoller. Denn im Grunde ist es ganz gleich ob ich mein Leben wartend oder „tuend“ verbringe, stets ist es Zeit meines Lebens, die hier verläuft und unwiederbringlich zu Ende ist. Umso mehr liegt es an mir, die Wartezeiten meines Lebens mit Sinn, Geduld und Achtsamkeit zu füllen. Vielleicht sogar mit etwas Vertrauen auf Gott, der gerne Platz in meinem täglichen Wartezimmer nimmt und sagt: „Lass uns zusammen warten. Tee wäre übrigens prima!“

Kathrin Karban-Völkl
Kemnath – Texterin www.diewortmacherei.de

Quelle: www.basis-online.net 
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung

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