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25. Oktober 2024 | Deutschland | 

Sinn-Kommunikation: eine pastoral-psychologische Perspektive


Professor Dr. Ulrich Feeser-Lichterfeld: Sinn-Kommunikation: eine pastoral-psychologische Perspektive (Foto: Brehm)

Professor Dr. Ulrich Feeser-Lichterfeld: Sinn-Kommunikation: eine pastoral-psychologische Perspektive (Foto: Brehm)

Cbre/Hbre. In einem weiteren Vortrag von Professor Dr. Ulrich Feeser-Lichterfeld richtete sich der Blick auf die Sinn-Kommunikation aus einer pastoral-psychologischen Perspektive. Der studierte Theologe und Psychologe, der als Supervisor, Coach und Organisationsberater tätig ist und seit diesem Jahr auch als Professor an der katholischen Hochschule Aachen Pastoralpsychologe und Pastoraltheologe lehrt, näherte sich dem Thema in sieben Schritten.

1. Macht das Sinn?

Anhand von Fotos von Ursus Wehrli, der Alltagsgegenstände ganz genau anschaut und dekonstruiert, z.B. einen Tannenzweig abbildet und diesen dann in Zweig und einzelne Nadeln anordnet, sollten die Teilnehmer miteinander ins Gespräch kommen über die Frage: „Macht das Sinn?“ Schnell wurde deutlich: Wenn mit einem anderen Blick auf das Alltägliche geschaut wird, verändert sich bisher Gewohntes. Jean Grondin drücke das in seinem Buch, „Vom Sinn des Lebens“ so aus: „Wenn die Frage nach dem Sinn des Lebens eine gewisse Tragik aufweist, so liegt das daran, dass die Frage einleuchtender ist als die Antwort.“ Grondin warne allerdings davor, dieser Frage auszuweichen, denn: „Weil das Leben nun einmal eine Frage für sich selbst (Augustinus) ist, muss jeder – wenigstens einmal im Leben – dem einzigen, das uns beschieden ist, ohne Widerrufsmöglichkeit, auf die Frage nach dem Sinn der Existenz in der Zeit zu antworten versuchen“, so Feeser-Lichterfeld.

Vom Sinn des Lebens zu sprechen, heiße vom Richtungssinn zu sprechen (Was passiert gerade, wo bin ich gerade unterwegs?), vom Bedeutungssinn (Das mir Fremde kann ich nachschlagen, erforschen. Indem ich mich ihm stelle, schreibe ich ihm einen Sinn zu.), vom Geschmackssinn (Es braucht auch ein Näschen, eine Zunge, Tastsinne, um zu erfassen, was der Sinn des Lebens heiße. Der Referent forderte dazu auf, das Leben zu genießen, um es in seiner Sinnhaftigkeit zu entdecken.) und von der Besinnung (das Leben betrachten und deuten). Im gesamten Vorgang sei es immer neu wichtig, sich die Frage zu stellen, auf welcher Sinn-Ebene kommuniziere(n) ich/wir gerade?

Ein Vormittag, der von den Teilnehmenden höchste Konzentration einforderte (Foto: Brehm)

Ein Vormittag, der von den Teilnehmenden höchste Konzentration einforderte (Foto: Brehm)

2. Es beginnt, bevor es beginnt

Man müsse sich beim Thema Sinn-Kommunikation bewusst machen, dass sie beginne, längst vor sie beginne. Die Tagungsteilnehmenden seien ja auch schon längst im Thema drin gewesen, bevor sie am Vortag angereist seien, so der Referent. Dazu käme, dass Sinnfragen zu „Jedermannsfragen“ (Bitter 2006: 102) werden müssten und nicht nur Experten gestellt werden sollten. Jeder hätte ein Anrecht darauf.

3. Man kann nicht nicht kommunizieren über individuelle Sinn-Wahrnehmungen

Das Axiom von Paul Watzlawick „man kann nicht nicht kommunizieren“ gelte auch für Fragen der individuellen Sinn-Wahrnehmungen, so Feeser-Lichterfeld in seinem dritten Schritt. Viktor Frankl sei überzeugt: „Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte, der dem Leben zu antworten – das Leben zu verantworten hat.“

4. Sinn finden

In einem vierten Schritt brachte der Referent Indikatoren für Sinnerfahrungen ein, wie sie von Tatjana Schnell in ihrem Buch „Sinn finden. Warum es gut ist, das Leben zu hinterfragen“ beschrieben werden: Es gehe um Orientierung (Kenne ich die Richtung, die ich in meinem Leben verfolge, und die mir wichtigen Werte? Kommen diese Werte in meinem Alltag zum Tragen?), Bedeutung (Glaube ich, dass mein Leben von Belang ist? Erlebe ich Selbstwirksamkeit?), Kohärenz (Ist mein Leben schlüssig? Passen verschiedene Rollen und Aktivitäten stimmig zusammen? Bin ich die Person, die ich gern sein würde?) und Zugehörigkeit (Habe ich meinen Platz auf dieser Welt gefunden? Fühle ich mich verbunden mit anderen Menschen oder zu einer Denkrichtung, einer Religion, zu Tieren, zur Natur?)

Die Top Drei aus 26 Sinnquellen, die Schnell in einer wissenschaftlichen Untersuchung von Befragten herausgearbeitet habe, seien: Generativität (Erikson verstehe sie als eine Liebe, die ich versuche in die Zukunft zu tragen. Mir ist es eben nicht egal, wie sich das Leben entwickelt), Religiosität (Ich bete, d.h. ich spreche mit Gott und ich glaube, ich bin hilfsbereit, bin für andere Menschen da, bin liebevoll und hilfsbereit) und Bewusstes Erleben (Leben im Jetzt, in Gegenwart und Alltag).

Ein Weg zum Verständnis von Sinn-Kommunikation in sieben Schritten (Foto: Brehm)

Ein Weg zum Verständnis von Sinn-Kommunikation in sieben Schritten (Foto: Brehm)

5. Stimmigkeit als Merkmal und Ziel von Sinn-Kommunikation

Im fünften Schritt fragte der Referent, warum in der Sinn-Kommunikation zweitbeste Lösungen die besseren sein können. Nach Friedemann von Thun sei der Fokus jeder Kommunikation: Wie kann ich kommunizieren angesichts der konkreten Situation und ihrer Erwartungen an mich sowie angesichts dessen, wofür ich stehe? Dazu gehöre der Mut, zu sich selbst zu stehen und die Fähigkeit, sich so zu geben, wie es innerlich entspricht. „Sei du selbst und werde, der du bist!“ Eine Faustregel könne heißen: „Innere Wahrheit und äußere Klarheit! Alles, was ich sage, soll wahrhaftig sein, aber nicht alles, was innerlich wahr ist, soll gesagt werden!“ Die Lebenskunst bestehe darin, eine gesunde Balance aus Selbstfürsorge und Hingabe an ein Ganzes zu finden, von dem der Mensch selbst ein Teil sei.

6. Welche Rolle hat wer (nicht) in der Sinn-Kommunikation?

Der sechste Schritt beschäftigte sich mit der Frage, wer welcher Rolle in der Sinn-Kommunikation hat oder auch nicht hat. Seelsorge solle helfen, Sinn zu stiften. Seelsorge könne aber nur eine gemeinschaftliche Aufgabe sein, so der Referent. Die deutschen Bischöfe formulierten 2022 Seelsorge wolle Hilfe für Menschen sein, „ihr Leben zu deuten, zu gestalten und in Würde zu leben.“ Niemand – auch nicht die Hauptamtlichen – sollten sich in diesem Prozess als Spezialisten sehen. Zugleich müssten die „Seelsorger“ sich allerdings vor „heilloser Heilungs- und Sorgeanmaßung“ schützen. Seelsorge müsse ein selbstloser Dienst der Kirche am Menschen sein und nicht kirchlicher Machtentfaltung dienen an einem ihrer letzten verbliebenen Orte. Dabei müsse Seelsorge sich solidarisch-energisch im Widerspruch zur Illusion sehen, es gäbe ein Leben vorbei an Leid, Kreuz und Tod. Gott allein sei es, der unverfügbar Hilfe und Beistand, Heil und Heilung schenke, er sei der einzige Seelsorger, alle anderen seien Mithelfer. Gute professionelle Seelsorge müsse im Sinne des Theologen Johann Michael Sailer (1751-1832) zudem immer Selbstsorge und Sorge für die anderen sein.

7. Von der kommunikationskulturbildenden Kraft des Christlichen

Im abschließenden siebten Schritt machte Prof. Feeser-Lichterfeld deutlich, dass die kommunikationskulturbildende Kraft des Christlichen zunächst ein ehrliches, „brennendes“ Interesse am Gegenüber und ein sensibles und solidarisches Stehen in „Pastoralgemeinschaft verwundeter und verwundbarer Menschen“ (Katharina Ganz) brauche, die die Überzeugung vermittelten: „Es lohnt sich wirklich zu leben!“ Nach Christoph Theobald sei Pastoral die „Kunst, durch die eigene Anwesenheit den anderen in seiner Einmaligkeit zum Vorschein zu bringen, offen dafür, ob der Lebensglaube sich zu einem Christusglauben wandelt oder nicht. Und das alles bedingungslos, zweckfrei, gratis“ und damit ganz wesentlich geprägt von einem in aktueller Pastoralpraxis doch eher ungewohnten „Desinteresse am Erhalt der [kirchlichen] Institution“ (Christoph Theobald)


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