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Christliche Weltverantwortung angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts

Prof. Armin Grunwald bei seinem Vortrag „Christliche Weltverantwortung angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ beim JKI-Kongress in Schönstatt, Vallendar (Foto: Brehm)
Cbre/Hbre. Christen haben eine Weltverantwortung für das „Anthropozän“, das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist, so Prof. Armin Grunwald bei seinem Vortrag „Christliche Weltverantwortung angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“. Grunwald ist Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) sowie Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Seiner Ansicht nach sei ein Zurückdrehen der Geschichte nicht angesagt, sondern es müsse der Versuch gemacht werden, nach vorn Lösungen zu finden. „Die Arbeit an einem zumindest besseren Anthropozän sollten wir als ethische Pflicht verstehen.“ Der technische Fortschritt müsse sich am Ideal der Nachhaltigkeit orientieren.
Positive und negative Folgen technischer Innovation
Vorausgehend hatte Grunwald, der auch Inhaber des Lehrstuhls für Technikphilosophie und Technikethik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist, die positiven und negativen Faktoren des raschen technischen Fortschritts seit der Industriellen Revolution dargestellt. Dieser habe zur Vergrößerung der Autonomie des Menschen, zu mehr Handlungsmöglichkeiten, zu einer deutlichen Ausweitung der Mobilität, zu Urbanisierung und schließlich zu einem deutlichen Wachstum der Weltbevölkerung geführt. Am Beispiel des globalen Energieverbrauchs lasse sich diese Entwicklung dokumentieren. Das sei einerseits eine wirkliche Erfolgsgeschichte, die jedoch andererseits auch ihre Kehrseite habe.

Kongressmotto-Gestaltung (Foto: Brehm)
Negative Folgen der Entwicklung seien unübersehbar. „Wir ziehen Rohstoffe aus dem Planeten heraus, transformieren sie in einem großen Metabolismus. Am Ende stehen verbrauchte Landschaften, Abfälle, Chemikalien“, so Grunwald. Die schädlichen Emissionen, die Suche nach Endlagern und die Abfälle der Kernkraft würden die Menschheit noch Jahrzehnte/Jahrhunderte beschäftigen: für 50 Jahre Nutzungsdauer der Kernkraft seien eine Million Jahre Nachsorge nötig!
Das Auseinanderfallen von Verursachern und Betroffenen sei eine der nicht beabsichtigten Technikfolgen. Dazu kämen häufig lange Ursache/Wirkungsketten mit schlechter Nachverfolgbarkeit der Verursachung, kaum individuell zurechenbare Verantwortung, Irreversibilität und das belastbare Wissen über Schadensausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit sei häufig sehr unsicher.
Digitalisierung
Auch die Digitalisierung habe Ambivalenzen. Sie erziele einerseits viele neue Möglichkeiten, Freiheitsgewinne durch Zeitersparnis und steigende Lebensqualität. Insgesamt könne der technisch-wissenschaftliche Fortschritt die Autonomie des Menschen vergrößern. Gleichzeitig führe die Digitalisierung aber auch zum Verlernen analoger Handlungsoptionen, zum Missbrauch von Daten und leichterer Überwachung, Dazu komme der unglaubliche Energieverbrauch für ihre Anwendung. Mit der Verbreitung der KI werde inzwischen deutlich: „Wer denken lässt, statt selber zu denken, verliert mit der Zeit seine Urteilskraft“. Aus all dem könnten sich auch kontraproduktive Folgen für die Demokratie ergeben.
Die Vorgänge entsprächen einer „allmählichen Disruption“. Schleichende Entwicklungen führten zu überraschenden Zusammenbrüchen wie bei der Brücke in Dresden. Ein sprechendes Bild für diese „allmähliche Disruption“ sei die Geschichte vom Herrn, der sich in allem von seinem Knecht bedienen lasse. Im Lauf der Zeit werde er total abhängig von seinem Knecht. Der Übergang in die Hilflosigkeit geschehe unmerklich, und eines Tages übernehme der Knecht die Herrschaft, weil er der Einzige sei, der die nötige Befähigung sogar für die Alltagsabläufe habe.
Christliche Verantwortung
Christen dürften sich in dieser Zeitlage nicht wegducken und darauf warten, dass andere etwas zur Lösung der Situation beitrügen. „Der Mensch muss sich selbst unter Verantwortungsaspekten reflektieren, muss Verantwortung in sein Leben hineinnehmen.“ Wenn im Buch Genesis vom „Beherrschen“ der Erde die Rede sei, so habe das Wort in der orientalischen Welt immer schon ein „sich kümmern um“ beinhaltet.
Der Mensch habe die Ebenbildlichkeit mit Gott als Ermächtigung gesehen, die Welt zu verändern. Dabei habe er vergessen, dass die Ebenbildlichkeit auch Verantwortung für seine Handlungen vor „Gott und den Menschen“ umfasse. Es bleibe die Frage – so Professor Grunwald am Schluss – ob die Verantwortung im Anthropozän zu groß für die Menschen sei? Fatalismus und Resignation seien eingekehrt nach dem Motto: Da kann man eh nichts mehr machen. Die „Letzte Generation“ trage das Ende der Zukunft schon im Namen. Das sei zutiefst unchristlich und ein einseitiges Verständnis von Mitschöpfertum. „Wir haben als Christen mit der Ebenbildlichkeit etwas, was uns Zukunft und Optimismus gibt. Das sollte uns drängen, diese Verantwortung für ein gutes Anthropozän wahrzunehmen. Aus der Zuneigung Gottes zu seinen Geschöpfen können wir Zuversicht und Kraft schöpfen“, so das leidenschaftliche Schlusswort des Referenten.