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Gemeinsam suchen nach Wegen in die Zukunft

Der neue Bewegungsleiter kam mit Fackellauf-Fackel zu seinem ersten Impuls auf die Bühne in der Aula der Anbetungskirche auf Berg Schönstatt (Foto: Kröper)
Hbre. Mit der Übergabe der Ernennungsurkunde durch den Vorsitzenden des Landespräsidiums der Schönstatt-Bewegung in Deutschland, Pater Frank Riedel ISch, wurde Pater Felix Geyer ISch beim Oktobertreffen am 19. Oktober 2024 in sein Amt als Leiter der Bewegung eingeführt. Das Programm des Tages sah vor, dass er das Treffen mit einem ausführlicheren Impuls abschließen sollte. Dank der vorausgehenden Programmpunkte blieb dazu jedoch zu wenig Zeit, sodass er seinen Beitrag drastisch kürzen musste. schoenstatt.de hat ihn daher eingeladen, im folgenden Interview nicht nur Gedanken aufzugreifen, über die er beim Oktobertreffen gesprochen hat, sondern auch weitere Punkte anzusprechen, die ihm aktuell wichtig erscheinen.
Schönstätter sein heißt Christ werden mit Maria
schoenstatt.de: Die Zeit beim Oktobertreffen war knapp bemessen und es war Ihnen, Pater Felix, nicht möglich Ihren vorbereiteten Einstiegsvortrag ganz zu halten. Sie haben eine Metapher verwendet, die später öfter wiederholt wurde: „Ich atme Schönstatt“. Was wollten Sie damit zum Ausdruck bringen?
Pater Felix Geyer: Mir ging es dabei um einen der Kernvorgänge der Schönstatt-Bewegung, nämlich das Freiwerden und Wachsen, bzw. Ganz-frei-sein. Schönstätter sein heißt in einem Wort: Christ werden mit Maria. Es geht dabei um das „Werden“. Wir hören nie auf zu werden auf diesem Weg. Immer wenn wir ein bisschen mehr wir selbst werden, Christ werden – und damit meine ich nicht einfach nur fromm werden, sondern diesen Wachstumsprozess angehen –, leben wir den Kernvorgang der Selbsterziehung. Das heißt für mich, es gibt nicht einfach christliche Werte oder schönstättische Werte, die man ganz verwirklichen müsste. Nein, jede Erfahrung – und Werte entstehen immer in Erfahrungen – kann damit ein Ansatzpunkt für dieses Wachstum sein. Das meine ich, wenn ich sage: ich atme Schönstatt. Das heißt ich kann vielleicht die Luft anhalten, aber im Grunde kann ich gar nicht anders als Wachsen zu wollen. Das ist auch die Art, wie Selbsterziehung gelebt wird.

Pater Felix Geyer ISch. Die Fotos auf dieser Seite sind alle beim Impuls von Pater Felix Geyer während des Oktobertreffens entstanden (Foto: Kröper)

(Foto: Kröper)
Kein abwartendes Vertrauen sondern ein aktives Mitgehen
Sie haben im Rahmen Ihres Impulses eine Geschichte vom „Heiligtum auf Rädern“ im Zusammenhang mit dem Fackellauf 2014 erzählt. Worum ging es da und welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Vorgang für ihre Arbeit als Bewegungsleiter und für die deutsche Schönstatt-Bewegung?
Das war damals ein spannender Vorgang. Wir hatten ein internationales Jugendprojekt geplant und wollten 1.800 Kilometer in 9 Tagen in einer Art Staffellauf zurücklegen. Eine Schönstattgemeinschaft von Familien hatte zu dieser Zeit ein kleines „Heiligtum auf Rädern“ gebaut. Das war ein Auto-Anhänger, auf dem eine kleine Schönstatt-Kapelle gebaut war. Da konnte man sich reinsetzen und es hatte sogar einen Glockenturm. Die Idee kam auf, ob wir dieses „Heiligtum“ nicht mitnehmen könnten. Einer unserer jungen Leute hatte eine Vorliebe für ausgefallene Fahrzeuge und fand die Idee cool. Aber wir hatten kein Auto. Als wir mit Familien zusammenstanden und auf das Problem zu sprechen kamen, stand da ein Ehepaar dabei. Der Mann schaute seiner Frau in die Augen und sie ihm und er sagte: „Ja ihr könntet doch unser Auto haben für die Zeit.“ Ich empfinde das noch immer als krasses Vertrauen. 25jährigen jungen Männern, die man eigentlich nicht kennt, für 10 Tage das Auto zu leihen – da gehört schon etwas dazu.
Ich habe den Eindruck, dass ist eine Wirkung, die man öfter erlebt unter den Menschen, die hier in Schönstatt zusammenkommen. Eine Art Grundvertrauen und Grundzutrauen ineinander. Und dadurch wachsen wir natürlich. Selbstwachstum geschieht nicht von alleine. Es geschieht in der Begegnung mit anderen, im sich Auseinander- und auch wieder Zusammensetzen. Im gemeinsam Ringen um große Ideen und Ideale und im gemeinsamen Hören und auch Ringen um das, was Gott von uns heute wollen könnte. Das werden wir wohl nie genau erfahren, aber allein im Austausch darüber passiert mehr, als wenn wir versuchen, alles nur für uns alleine zu klären. Wo wir einander so ein Vertrauen schenken, da sind wir selbst so etwas wie ein Heiligtum in Bewegung.
Ich möchte die kommenden Jahre auf dieses Vertrauen aufbauen und will es auch immer wieder schenken. Das Vertrauen, dass ich in Schönstatt erlebe, ist kein abwartendes „Lass die mal machen!“, sondern es ist ein aktives Mitgehen mit dem, was bei dem oder der anderen im Leben passiert.

(Foto: Kröper)
Verlusterfahrungen fordern zu Auseinandersetzung und Wachstum heraus
Sie haben auch die Herausforderungen der Zeit und die Frage von Verlust angesprochen. Können sie ein Wort dazu sagen, was die zeitdiagnostische Frage angeht und wie Sie und auch Schönstatt darauf reagieren kann?
Damit ist gemeint, dass wir in einer Zeit der Verluste (Daniel Schreiber) leben und Verlust zur Signatur der Spätmoderne (Andreas Reckwitz) geworden ist. Dazu gehören persönliche Verluste von Angehörigen, von Arbeit und Sicherheit, aber auch die großen, weltbewegenden Ereignisse, allen voran die Kriege, Corona und der Aufstieg des Populismus. Die damit einhergehenden Sicherheitsverluste, wenn sich das alles akkumuliert, führen zu einem Grundgefühl von Verbindlichkeiten (Zu was habe ich eigentlich noch Verbindung?), von Sinn (Warum sollte ich mich eigentlich irgendwo einbringen, wenn es morgen sowieso anders ist?) und damit zu Zukunftsverlust.
Ich persönlich erlebe die ganze Situation nicht als so „verlustgeleitet“. Wenn jede Erfahrung, die ich mache, auch die Verlusterfahrung und vielleicht gerade die Verlusterfahrung, mich zur Auseinandersetzung und Wachstum herausfordert, dann ist der erste und nächste Schritt schon getan. Das ist keine naive Zukunftshoffnung, sondern eine „durchkreuzte“ Hoffnung, bei der auch Leid nicht ausgeklammert und tabuisiert wird. Im Start Up Gottes, also bei den Jüngern und der Gemeinde kurz nach dem Tod Jesu, hören wir auch nicht von einer einzigen Neugründungsgeschichte, die nur rosig verlief. Das hat sich alles langsam und auch durchaus leidvoll entwickelt. Den Fragen der Zeit ernsthaft ringend nachzugehen, halte ich für elementar.

(Foto: Kröper)
Dem göttlichen Funken im Menschen begegnen
Ein abschließendes Wort in Ihrem Impuls, das die Zuhörenden beeindruckt hat, war das Wort: „Überall, wo du gehst und stehst, ist heiliger Boden!“ Es ist Ihnen während Ihres Studiums von einer geistlichen Begleiterin zugesagt worden. Was wollen Sie damit der Schönstatt-Bewegung Deutschland mit auf den Weg geben?
Heiliger Boden, damit ist das Motiv aus dem Exodusbuch gemeint, bei dem Mose den brennenden Dornbusch sieht und die Stimme hört, er solle seine Schuhe ausziehen, denn wo er stehe, sei Heiliger Boden. Für mich war das immer eine Frage in der Arbeit an der Universität. Wie kann ich Priester sein ohne eine konkrete Gemeinde oder Gruppe. Und da hinein kommt das Wort vom Heiligen Boden. Überall, wo ich einem Menschen begegne, jedem Menschen, egal welcher Konfession, welcher Meinung und welcher Überzeugung, überall dort ist Heiliger Boden. Da begegne ich Gott im Nächsten.
Ich habe den Eindruck, dass dieses Bild den Grundton von Begegnungen verändert. Damit verändert mich natürlich auch jede Begegnung und ich will dem gerecht werden, was da auf dem Heiligen Boden passiert. Damit wird nicht der Nächste für mich zu Gott, diese Gleichsetzung einer Person mit Gott ist äußerst gefährlich. Aber ich begegne dem göttlichen Funken im Menschen. Ich halte es sogar für wichtig auch Natur und Schöpfung als solch heiligen Boden zu sehen.

(Foto: Kröper)
Dann stellt sich immer die Frage: Welche Schritte und Haltungen braucht es, um diesen vielfältigen und bunten Begegnungen gerecht zu werden?
Eine Herausforderung für jeden persönlich und auch für die Bewegung …
Ich freue mich auf viele Begegnungen auf Heiligem Boden, auf das wache und gemeinsame Hören, wie es in die Zukunft gehen kann und auf aktive Schritte des Vertrauens und des gegenseitigen Veränderns. Auf das gemeinsame Suchen nach diesen Wegen in die Zukunft freue ich mich sehr.