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Gott ist Freundschaft

Ich habe euch Freunde genannt. (Motiv: Rodin LaCatedrale)
Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!
Lauretanische Litanei – Mosaiksteine von Gotteserfahrung
Die Bilder der brennenden Kathedrale Notre-Dame von Paris gingen um die Welt. In vielen Kommentaren wurde dieses Ereignis symbolisch interpretiert. Das christliche Abendland ist in seinem Herzen getroffen. Das äußere Zusammenbrechen macht das weniger sichtbare innere Zusammenbrechen sichtbar. Auf diesem Hintergrund sagte Herbert Lauenroth „Die Kathedralen der Zukunft sind die Freundschaften“. Eine spannende Zukunftsvorstellung.
Der innere Vorgang der Freundschaft wirkt zunächst weniger stabil als die eindrucksvollen Bauwerke der christlichen Kultur Europas. Können Freundschaften so wichtig sein? Sie können sich unbekümmert und zunächst ohne besonderes inneres Engagement ergeben. Sie können aber auch eine Erfahrung sein, die allmählich die tiefsten Schichten unseres Herzens erreicht. Cicero sagt über Freundschaft: „Was gibt es Schöneres, als einen Menschen zu haben, mit dem du über alles so reden kannst wie mit deinem eigenen Ich?“ In einem Segenslied von Andrea Adams-Frey heißt das so: „ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst“. Freundschaft ist eine Beziehung, die mich echt sein lässt und gleichzeitig aufrichtet und das Beste in mir weckt.
Die Skulptur auf dem Bild von Auguste Rodin trägt den Titel „die Kathedrale“. Zwei Hände, die sich gar nicht berühren, bilden einen ganz lockeren, nach oben gerichteten Raum. Die Finger sind wie die Säulen einer gotischen Kathedrale. Obwohl man nur die zwei Hände vor sich sieht, spürt man bei ihrem Anblick fast die Feinheit und die Nähe der Beziehung. Freundschaft ist ein Raum zwischen Menschen, in dem menschliche und geistliche Tiefe spürbar werden.
Den menschlichen und geistlichen Freundschaften meines Lebens nachspüren
Pater Michael Marmann, ein Mitbruder aus der Gründungszeit meiner Gemeinschaft, erzählte einmal von seiner ersten Begegnung mit unserem Gründer. Er fühlte sich ganz als moderner junger Theologe und hatte mehr Fragen zu der marianischen Prägung Schönstatts als Sympathie. Im Gespräch mit Pater Kentenich sagte er ihm, dass er sich frage, ob man zu Maria Du sagen kann. Pater Kentenich blickte ihn darauf an und sagte: „Ja, wenn Sie die Gottesmutter lieben, dann sind wir Freunde“. Ich glaube, in diesem Satz sagt Pater Kentenich etwas über sich selbst, über die besondere Freundschaft seines Lebens.
Seit seiner Kindheit war die Gottesmutter seine besondere innere Begleiterin. Als seine Mutter den kleinen Kentenich im Waisenhaus in Oberhausen abgeben musste, damit er besser versorgt ist und eine bessere Schulausbildung bekommen konnte, hat sie ihn in einem Gebet vor der Marienstatue in der Hauskapelle der Gottesmutter anvertraut. Später sagte Pater Kentenich darüber, dass es für ihn ein sehr tiefer Vorgang war, in dem die spätere Marienweihe, das Liebesbündnis mit der Gottesmutter, eine Wurzel hat.
In vielen Vorträgen, Predigten und Abhandlungen beschreibt Pater Kentenich, wie hoch er die Bedeutung einer marianischen Gebundenheit einschätzt. In einer von Eindrücken überfluteten Welt ist dieser Weg ein besonderer Schlüssel für eine tiefere Verbindlichkeit und Verankerung in der göttlichen Wirklichkeit.
Es gibt aber auch mehr persönliche Momente, wo seine Freundschaft mit Maria aufleuchtet. Zeit seines Lebens (seit seinem 14. Lebensjahr) hatte er zum Beispiel ein kleines (lateinisches) Gebetbuch bei sich, in dem es für jeden Tag einen kurzen marianischen Impuls gab – und benutze es.
1968 schrieb er ein Grußwort für die Schönstattfamilie, die sich beim Katholikentag in Essen traf. Der Text entstand am 7. September 1968, eine Woche vor dem Todestag Pater Kentenichs. Es ist für uns heute eine Art Testament. Bevor er damals begann, der Schwester, die ihm bei den Sekretariatsaufgaben half, das Grußwort zu diktieren, sagte er zu ihr: „Nehmen wir uns erst etwas Zeit für die Gottesmutter“. Und er bat sie, ihm einen Text über die Gottesmutter vorzulesen. Er brauchte den Text nicht für sein Thema. Er ging ihm um einen Moment Zeit für die Freundschaft mit der Begleiterin seines Lebens, den er ihr schenken wollte.
Während der 14 Jahre in Milwaukee war Pater Kentenich einen Tag lang einfach verschwunden. Zuerst sagte er gar nichts, doch später erwähnte er auf Fragen: „Ja, ich habe mich einen ganzen Tag zurückgezogen. Es war doch ein Festtag der Gottesmutter und ich wollte bei ihr sein.“
Ich staune über diese jugendliche Beweglichkeit, mit der er seiner Liebe zur Gottesmutter immer wieder Ausdruck verliehen hat.
Wer Freunde will, muss selber einer sein
Liebe kann unerwidert bleiben. Liebe kann sogar die einschließen, die Feinde sind und alles andere als Freunde. Um Liebe zu lernen, braucht es aber die Erfahrungen der gelungenen gegenseitigen Beziehung. Und dieses Lernen fängt an, schon lange bevor wir zu bewussten und selbst entschiedenen Beziehungen fähig sind. Es braucht das kindliche Geliebtwerden, um Beziehungsfähigkeit zu lernen. Die Freundschaften auf meinem Lebensweg sind auch ein Geschenk, das man nicht erzwingen kann. Und doch ist Freundschaft in besonderer Weise abhängig von dem, was von mir ausgeht.
Soziologen und Psychologen gehen dem nach, wie Freundschaften entstehen und was man dafür tun kann: Zeit füreinander haben [Online-Chats oder Mails haben aber kaum bis keinerlei Einfluss auf die Qualität der Freundschaft. Damit wahre Freundschaften daraus werden, müssen wir real und physisch Zeit miteinander verbringen], Vertrauen auch in dem, was man von sich preisgibt, Hobbies und Interessen teilen, Humor des jeweils anderen nachvollziehen können und kleine Geschenke machen wollen. Auch Einstellungen spielen eine Rolle. Gemeinsamkeit in moralischen, religiösen und politischen Ansichten hilft mit.*
Bei dieser Aufzählung fällt mir der Krug in unseren Heiligtümern ein. Unglaublich viele konkrete Lebenssituationen landen darin. Schöne und oft auch schwere. Im Hineinschenken in den Krug halten sie das Liebesbündnis wach.
Statt Liebe könnte ich auch sagen: Die Freundschaft mit der Gottesmutter bleibt wach.
Ein mittelalterlicher Theologe, ein Freund von Bernhard von Clairvaux, Aelred von Rieval (1110-1167), macht in einer Abhandlung über geistliche Freundschaft einen Bezug zur Aussage im 1. Johannesbrief „Gott ist Liebe“. Und er kommt in seinen Überlegungen zu der Aussage: „Gott ist Freundschaft“.
Ich wünsche Ihnen in den bevorstehenden Ferien- und Urlaubstagen Zeit mit Freunden und viel Segen aus dem Freundschaftsbündnis mit der Gottesmutter.
Herzliche Grüße aus Schönstatt
P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland
Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)