Nachrichten

11. April 2024 | Causa Kentenich | 

Epistola perlonga, Teilband 1, als historisch-kritische Ausgabe erschienen


Epistola Perlonga – Pater Kentenichs Antwortschreiben auf den Bericht der Bischöflichen Visitation 1949, Teilband 1 im Patris Verlag neu erschienen (Foto: Brehm)

Epistola Perlonga – Pater Kentenichs Antwortschreiben auf den Bericht der Bischöflichen Visitation 1949, Teilband 1 im Patris Verlag neu erschienen (Foto: Brehm)

Hbre. Im Rahmen der Forschungsarbeiten, die aufgrund der Missbrauchs-Anschuldigungen vom Juli 2020 gegen den Schönstatt-Gründer Pater Josef Kentenich auf den Weg gebracht wurden, ist im April 2024 als Teil der Studienreihe „Dokumente zur Geschichte der Schönstatt-Bewegung“ Teilband 1 der sogenannten „Epistola Perlonga“ erschienen. Nachdem dieser wichtige Text zum Selbstverständnis der Bewegung bisher nur Mitgliedern der Bewegung in intern veröffentlichten Ausgaben zugänglich war, ist es Prof. em. Manfred Gerwing, Eichstätt, und Prof. Dr. Joachim Söder, Aachen, zu verdanken, dass dieser „Brief vom 31. Mai 1949“, wie das Dokument auch genannt wird, nun in einer wissenschaftlich fundiert bearbeiteten „historisch-kritischen Ausgabe“ zur Verfügung steht.

Massenmensch als geistiges und kulturelles Kernproblem der westlichen Welt

Nach seiner Rückkehr aus dem Konzentrationslager Dachau setzt sich Pater Kentenich ganz ausdrücklich für den Neuaufbau einer christlichen Gesellschaftsordnung ein. Er identifiziert den „kollektivistischen“ Menschen, „den Massenmenschen jeglicher Couleur, als das geistige und kulturelle Kernproblem der westlichen Welt“, wie Gerwing und Söder in der Einführung zur Epistola perlonga schreiben: „Pater Kentenich sieht in diesem Menschentyp den aus allen gottgewollten natürlichen und übernatürlichen Bindungen herausgerissenen Menschen, der mit der Bindung an Gott auch sich selbst verliert, keine sittliche Orientierung mehr hat und deswegen ‚der Suggestion der Masse total ausgeliefert ist‘.[1] Weil er sich sicher ist, dass Schönstatt in diesen Fragen in der Kirche einen wichtigen Beitrag leisten kann, hofft er auf eine Überprüfung der von ihm gegründeten Bewegung durch die deutsche Kirche und stellt dem Bischof von Trier einige Schriften zur Verfügung. Dass daraufhin der Trierer Weihbischof, Dr. Bernhard Stein, vom 19. bis 28. Februar 1949 eine bischöfliche, Kanonische Visitation durchführt, kommt unerwartet. Diese endet einerseits mit einer Belobigung der Bewegung, andererseits mit der Kritik einiger pädagogischer Anwendungen und Bräuche, vor allem im Blick auf die Beziehung zwischen Pater Kentenich und den Marienschwestern. [2]

Epistola Perlonga – Pater Kentenichs Antwortschreiben auf den Bericht der Bischöflichen Visitation 1949, Teilband 1 (Foto: Brehm)

Epistola Perlonga – Pater Kentenichs Antwortschreiben auf den Bericht der Bischöflichen Visitation 1949, Teilband 1 (Foto: Brehm)

Kontroverse mit der Leitung der Kirche

Die kritisierten Fragen möchte und kann Pater Kentenich nicht so stehen lassen. Er ist der Ansicht, dass der Visitator das Anliegen Schönstatts nicht verstanden habe. Weil Kentenich Licht „in alle Geheimnisse Schönstatts“, in Schönstatts Charisma und Sendung für Kirche und Welt bringen möchte, wie er in einem Brief vom 4. Mai 1949 an Weibischof Stein schreibt [3], und weil er vom Trierer Erzbischof Dr. Franz Rudolf Bornewasser um Stellungnahme zum Visitationsbericht gebeten wurde, entschließt er sich zu einer Antwort in Form eines eher wissenschaftlichen Traktates.

In bewusst wahrgenommener Verantwortung der Schönstatt-Bewegung für die Entwicklung der Kirche in Deutschland wollte [Pater Kentenich] durch die Epistola perlonga die Verantwortlichen in der Kirche besonders dazu auffordern, sich mit dem ‚organischen Denken und Leben‘ als Mittel gegen negative Zeitströmungen auseinanderzusetzen“, schreibt der Herausgeber der Reihe, Pater Eduardo Aguirre, im Vorwort des neuen Buches. Doch der überlange Brief, dessen erste Teillieferung Pater Kentenich am 31. Mai 1949 von Santiago de Chile aus nach Trier absendet, löst eine Kontroverse mit der Leitung der Kirche aus.

Kentenichs scharfe Kritik an der Denkweise des Visitators Dr. Bernhard Stein, später Bischof von Trier, führt zu Unmut der kirchlichen Vorgesetzten und schließlich zur Übergabe des „Falls Kentenich“ an das Heilige Offizium in Rom, um eine Zurechtweisung des Gründers und seiner Bewegung zu erreichen. Es folgt eine Apostolische Visitation durch den Jesuiten Sebastian Tromp und schließlich eine fast 14-jährige Exilszeit des Gründers in Milwaukee/USA.

Historisch-kritische Edition

Wie der Herausgeber im Vorwort deutlich macht, ist das Besondere an dieser neuen Ausgabe, „dass sie als historisch-kritische Edition präsentiert werden kann. Das bedeutet, dass die Bearbeiter alle zur Verfügung stehenden Textvarianten sowie die Entstehungsgeschichte berücksichtigten. Das heißt zum Beispiel auch, dass akribisch den Quellen nachgegangen wurde, die Pater Kentenich in Zitaten und Verweisen verwendete. So entstand eine Ausgabe, die einen authentischen Text liefert, mit dessen Hilfe weitere wissenschaftliche Arbeiten verlässlich erfolgen können.“ Der von den Editoren erarbeitete ausführliche Fußnotenapparat macht deutlich, wie umfassend Pater Kentenich mit dem gesellschaftlichen und kirchlichen Puls seiner Zeit Fühlung hatte. Zusätzlich wird der Leser immer wieder davon überrascht, wie sehr das von Pater Kentenich damals Formulierte wie für heute und die aktuelle kirchliche und gesellschaftliche Situation gesagt erscheint.

Teilband 2 der Epistola perlonga soll ebenfalls zum 75. Jahrestag des Schreibens erscheinen

Teilband 1 der Episola perlonga enthält neben der ausführlichen Einführung und einer über 30-seitigen Bibliographie die ersten beiden Teillieferungen des Antwortschreibens Pater Kentenichs auf den Bericht der Bischöflichen Visitation 1949 vom 31. Mai und vom 24. Juni 1949. Teilband 2, der ebenfalls zum 75. Jahrestag des Dokumentes ediert vorliegen soll, wird die Teillieferungen 3 bis 5 vom 10. Juli, 25. Juli und 9. August 1949 enthalten. Neben der Literaturliste wird es ein ausführliches Personenverzeichnis und ein Stichwortverzeichnis für beide Teilbände geben, die derzeit noch in Arbeit sind.

Bibliographische Angaben

  • Dokumente zur Geschichte der Schönstatt-Bewegung, Studienausgabe 5,
    Epistola Perlonga – Pater Kentenichs Antwortschreiben auf den Bericht der Bischöflichen Visitation 1949. Teilband 1, Historisch-kritische Ausgabe
    herausgegeben von: Eduardo Aguirre
    ediert, eingeleitet und kommentiert von: Manfred Gerwing, Joachim Söder
  • 388 Seiten, Softcover, Format A5
  • ISBN 978-3-946982-30-2 (Teilband 1)
  • Preis: 24 €
  • Bestelladresse: Patris Verlag, Höhrer Str. 109, 56179 Vallendar-Schönstatt, Tel. 0261/604090, E-Mail: bestellen@patris-verlag.de

[1] Dokumente zur Geschichte der Schönstatt-Bewegung, Studienausgabe 5: Epistola Perlonga – Pater Kentenichs Antwortschreiben auf den Bericht der Bischöflichen Visitation 1949, hrsg. von Eduardo Aguirre, Vallendar-Schönstatt 2024, S. 32.

[2] Vgl.: Dokumente zur Geschichte der Schönstatt-Bewegung, Studienausgabe 1: Berichte der Bischöflichen und Apostolischen Visitationen 1949 bis 1953, hrsg. von Eduardo Aguirre, Vallendar-Schönstatt 2021, S. 41-102.

[3] Vgl.: Dokumente zur Geschichte der Schönstatt-Bewegung, Studienausgabe 2: Korrespondenz und Ansprachen zur Bischöflichen Visitation 1949, hrsg. von Eduardo Aguirre, Vallendar-Schönstatt 2021, S. 86ff.


Top