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2. März 2024 | Delegiertentagung | 

Charisma im Widerspruch


Klaus Kröper, Ottersheim, stellt das Projekt der Renovierung des Altares im Urheiligtum, Schönstatt, Vallendar, dar (Foto: Brehm)

Klaus Kröper, Ottersheim, stellt das Projekt der Renovierung des Altares im Urheiligtum, Schönstatt, Vallendar, dar (Foto: Brehm)

Sr. M. Nurit Stosieck/Hbre. Der zweite Tag der Delegiertentagung der Schönstatt-Bewegung Deutschland begann mit einem hoch interessanten Einblick in die Renovierungsarbeiten am Altar der Gnadenkapelle in Schönstatt. Das Alter des verwendeten Weichholzes, der Einfluss der Feuchtigkeit auf die Holzkonstruktion sowie neue Notwendigkeiten, den Altartisch für Messzelebrationen vom Altaraufbau wegrücken zu können, hatten diese Renovierung notwendig gemacht. Der hochspannende Beitrag von Klaus Kröper, Ottersheim, zeigte den Zuhörerinnen und Zuhörern, wie diese Arbeit mit Erfurcht vor dem Objekt, professionellem Können und Liebe zu Funktionalität und Detail umgesetzt wurde.

Stefan Gutting und Klaus Kröper haben die Umbau- und Renovierungsarbeiten vorgenommen  (Foto: Brehm)

Stefan Gutting (nicht im Bild) und Klaus Kröper haben in vielen geschenkten Arbeitsstunden die Umbau- und Renovierungsarbeiten vorgenommen  (Foto: Brehm)

Die weiteren Beiträge des Vormittags stehen unter der Perspektive „Charisma im Widerspruch“. Konkret geht es um die Forschungsarbeiten, die in den letzten Jahren durch die Anschuldigungen gegen den Gründer Schönstatts, Pater Joseph Kentenich, ausgelöst wurden.

Pater Ludwig Güthlein (Foto: Brehm)

Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland, Vallendar (Foto: Brehm)

Die Frage nach der Sendung

In seinem einführenden Statement greift Pater Ludwig Güthlein ein Bild auf, in dem Fadi Krikor am Tag zuvor sein Erleben Schönstatts ausgedrückt hat: Ein Krieger in voller Rüstung, der in den Auseinandersetzungen fähig wäre, Gleichgesinnte zu sammeln und zum Einsatz zu rufen. Aber der Krieger wird nicht aktiv. Dieses Bild, so Güthlein, habe ihn an die 1. Gründungsurkunde erinnert, wo mit einem Blick auf Jeanne d’Arc zum Einsatz für die Sendung aufgerufen wird. „Es braucht Menschen, die in die Hingabe gehen“, betont er, es gehe darum „in diese Sendungsüberzeugung des Gründers“ hineingenommen zu sein. Es gäbe in der Bewegung viele kleine Schritte, aber es gehe darum, diese kleinen Beiträge zusammenzubringen mit der Überzeugung, Teil einer großen Sendung zu sein. Er habe in einem Gespräch Fadi Krikor erklärt, dass es in Schönstatt als föderativer Bewegung keinen gäbe der „das Sagen“ hat. „Ich glaube, an dieser Stelle merken wir, dass wir heute unseren Gründer brauchen, dass er uns hineinholt in diese Sendung“, so Güthlein.

Der Leiter der deutschen Schönstatt-Bewegung zeigt noch einmal Wegführungen der vergangenen Jahre auf: 2013 das Liebesbündnis für die Menschen in unserem Land, das Jubiläumsjahr 2014, die „Gründernacht“ 2018 mit dem Versprechen an den Schönstatt-Gründer: Wir wollen uns für dein Schönstatt einsetzen. Er habe die 2020 erschienen Anschuldigungen gegen Pater Kentenich wie eine Antwort auf diesen Vorgang erlebt. Die seither angelaufene Forschung habe die Anschuldigungen zu klären. Aber tiefer gesehen gehe es um die Frage: „Will ich hineingenommen sein in die Sendung dieses Mannes?

Heinrich Brehm, Leiter PressOffice Schönstatt (Foto: Cooper)

Heinrich Brehm, Leiter PressOffice Schönstatt, Vallendar (Foto: Cooper)

Die Originaldokumente: Bilden Sie sich selbst ein Urteil

Auf diesen Impuls folgen vier Beiträge aus verschiedenen Forschungsteams. Heinrich Brehm, Leiter der Pressestelle der Schönstattbewegung Deutschland, stellt die umfangreiche Arbeit des Teams um den Postulator, Pater Eduardo Aguirre ISch, vor, das die Edition relevanter Dokumente aus dieser Zeit in der Studienreihe Dokumente zur Geschichte der Schönstatt-Bewegung vornimmt. Drei Studienausgaben – insgesamt fünf Bände – seien mittlerweile erschienen. Weitere zwei Studienausgaben, insgesamt ebenfalls fünf Bände, seien derzeit in Vorbereitung. Mithilfe dieses umfangreichen Archivmaterials könnten sich die Leserinnen und Leser selbst ein Urteil über die geschichtlichen Vorgänge bilden.

Ihm selbst habe die Arbeit an diesen Editionen einen intensiveren Blick auf die Schönstattgeschichte und in dieser Hinsicht eine deutliche Horizonterweiterung ermöglicht. Weiterhin habe er einen neuen Blick auf einen Gründer bekommen, der eine Vision von Kirche hatte, für die zu kämpfen er bereit war. Zugleich sei er oft erschrocken über die unverhohlene Machtausübung, die sich bei hohen Vertretern der Kirche in manchen der bearbeiteten Dokumente zeige.

Prof. Dr. Hubertus Brantzen (Foto: Brehm)

Prof. Dr. Hubertus Brantzen, Mainz (Foto: Brehm)

Er kam aus ganz anderen Gründen ins Exil

Professor Hubertus Brantzen, der in diesem Team wesentlich mit der Zusammenstellung und Einführung der Dokumente befasst ist, stellt zunächst klar: Die in den Anschuldigungen gegen Kentenich vertretene These, er sei wegen Missbrauch ins Exil geschickt worden, sei unhaltbar. Bei den Forschungen, die mittlerweile eine Fülle von Dokumenten umfassen, sei nirgends ein Hinweis auf Missbrauch zu finden gewesen. Die Studienausgaben stellten die Anschuldigungen in die entsprechenden Kontexte, wodurch ganz deutlich werde: „Pater Kentenich ging nach Milwaukee wegen ganz anderer Dinge.

Brantzen beschreibt das Arbeitstempo, in dem innerhalb des Forschungsteams ständig neue Entdeckungen ausgetauscht werden. Durch die Aussetzung des Seligsprechungsprozesses sei die Einsicht in viele Dokumente und dadurch freie Forschung möglich geworden. Wenn er auch als Wissenschaftler die Dokumente bearbeite – als Schönstätter erlebe er sich hineingenommen in den ganz harten Prozess, den der Gründer hier durchmachen musste. „Ich verstehe so langsam, was es heißt, sendungsergriffen zu sein. P. Kentenich ist nach Milwaukee gegangen wegen des organischen Denkens. Das ist unser eigentlicher Kampf.“ Die Dokumente zu bearbeiten, sei für ihn „gleichzeitig ein Dialog mit der Gegenwart“, denn die Problematik, die Pater Kentenich damals ans Licht hob, sei auch in der Kirche heute nicht gelöst. Für uns als Schönstattbewegung stelle sich am Ende die Frage: „Wie hältst du es mit diesem Pater Kentenich?“

Prof. Dr. Joachim Söder, Aachen (Foto: Cooper)

Prof. Dr. Joachim Söder, Aachen (Foto: Cooper)

Er konnte nicht schweigen, weil es um etwas ganz Großes geht

Der nächste Referent, Professor Joachim Söder, Aachen, ist Mitglied des Internationalen Forschungsteams, das vom Generalpräsidium Schönstatts einberufen wurde. Zusammen mit Prof. em. Manfred Gerwing, Eichstätt, hat er die historisch-kritische Edition der „Epistola Perlonga“ besorgt, ein Schreiben, die Pater Kentenich 1949 von seinen Weltreisen aus in fünf aufeinander folgenden Lieferungen an den Bischof von Trier schickte. Die jetzt als Studienausgabe 5 erscheinende wissenschaftliche Ausgabe werde rund 600 Seiten umfassen. Es handle sich bei dieser Studie um die „Auskristallisation eines lebenslangen Denkprozesses“, ein weites Spektrum aktueller Literatur sei darin verarbeitet. Pater Kentenich sei sich der Tragweite seines Schrittes bewusst gewesen: „Er weiß, was er macht. Er sagt, ich kann nicht schweigen, weil es um etwas ganz Großes geht.“ Es geht um die „Krankheit“ des Abendlandes, die mechanistische Denk- und Lebenshaltung, die er mit dem „Brief vom 31. Mai“, wie die „Epistola Perlonga“ auch genannt wird, der Trierer Bistumsleitung gegenüber massiv darstellt. Kentenich wolle wachrütteln, so Söder, der wie zuvor schon Brantzen betont: „Es ist die Epistola Perlonga, die P. Kentenich nach Milwaukee gebracht hat, weil hier nach Meinung des Heiligen Offiziums eine Grenze überschritten war.“ Man wollte die Realität, die der Gründer Schönstatts ins Licht hob, nicht wahrnehmen.

Die Epistola Perlonga, so Professor Söder – „ein Durchmarsch durch die gesamte Theologiegeschichte“ (jetzt mit 1.600 Fußnoten belegt) – verweise auf biblische Befunde und anerkannte Kirchenlehrer, die dasselbe lehren, was an der Spiritualität Schönstatts als verdächtig gebrandmarkt werde. „Hier wird das kleine Schönstatt in einen ganz großen Rahmen eingeordnet. Das ist ein Vorgang, der mich verändert hat.“ Söder stellt abschließend die Frage: Welches Schönstatt wollen wir leben? Das Schönstatt, das sich an kleinen Dingen aufhält oder ein Schönstatt, wo das Kleine in den großen Rahmen eingeordnet wird und in weiten Dimensionen steht? Welches Schönstatt ist das Schönstatt von Pater Kentenich?

Auditorium im Pater-Kentenich-Haus (Foto: Brehm)

Auditorium im Pater-Kentenich-Haus (Foto: Brehm)

Schwester Dr. M. Aloisia Levermann, Mitglied im Forschungsteam der Schönstätter Marienschwestern (Foto: Brehm)

Schwester Dr. M. Aloisia Levermann, Mitglied im Forschungsteam der Schönstätter Marienschwestern (Foto: Brehm)

Ein Charisma, für das es sich lohnt, Kopf und Herzblut zu investieren

Abschließend berichtet Sr. Dr. M. Aloisia Levermann vom Forschungsteam der Schönstätter Marienschwestern. Es sei der Gemeinschaft 2020 schnell klar gewesen, dass sie als Schwestern die biographische Forschung zu den ehemaligen Mitgliedern, die Anklagen gegen Pater Kentenich geschrieben hätten, zu übernehmen hätten. Dabei gehe es nicht um Deutung oder Rechtfertigung. Anliegen sei, historisches Material verfügbar zu machen, das es dann externen Wissenschaftlern ermöglicht, zu einem objektiven Urteil über die Anschuldigungen zu kommen.

Sr. M. Aloisia beschreibt im Folgenden, worin die Arbeit des Teams besteht, welche Kriterien zur wissenschaftlichen Aufbereitung anzuwenden sind und wie sich durch Zusammentragen vieler Puzzleteile manches aufhellen lässt. Im Blick auf die sehr mühsamen Archivrecherchen zitiert sie das Wort Pater Kentenichs: „Saubere Wissenschaft ist saure Arbeit.“ In den Archiven müsse das Material zu einer Person oft an vielen Stellen gesucht werden. „Man hangelt sich vorwärts. Neue Informationen wecken neue Fragen und dadurch kommt man auf neue Fährten. Man muss selbst auf die Kontexte kommen und sich durch die Fragen, die einem beim Lesen des Materials kommen, leiten lassen, wo man noch suchen muss. Manches sind auch Zufallsfunde.

Die Forschungsarbeit habe ihr, so Sr. M. Aloisia, noch viel unmittelbarer gezeigt, wie massiv die Auseinandersetzungen waren. Sie sei überzeugt, dass die 2020 aufgekommenen Anschuldigungen kein Zufall waren, sondern ein Anstoß, den Weg frei zu räumen, dass die Anregungen, die Pater Kentenich der Kirche damals habe bringen wollen, von ihr eventuell heute aufgenommen werden können. Dabei hätten im Augenblick diese biographischen Forschungen eine gewisse Priorität. Aber zugleich sei wichtig, das eigentliche Anliegen des Gründers vor Augen zu haben: „Hinter allem, was jetzt historisch aufgearbeitet werden muss, steht sein Charisma, für das es sich lohnt, Kopf und Herzblut zu investieren.“

 


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