Nachrichten

1. Februar 2024 | Worte des Bewegungsleiters | 

Alltagsmissgeschicke, Tragikomödien und die Sympathie für das Unvollkommene


(Foto: alexas_Fotos, pixabay)

(Foto: alexas_Fotos, pixabay)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Für den Monat Februar stand ich vor der Frage, ob ich mich in diesem Leitartikel mit dem Thema Karneval oder mit dem Aschermittwoch beschäftigen soll. Schließlich kam ich zu dem Gedanken, mich mit beidem zu beschäftigen: Es gibt ja das Wort Tragikomödie und dieses „beschreibt ein Drama in der Literatur und im Theater sowie Spielfilm, in dem die Merkmale der Tragödie und der Komödie eng miteinander verknüpft sind“ (Wikipedia). Man erfährt in Wikipedia auch, dass bereits 200 Jahre vor Christus Plautus das Wort erfand und als einer der produktivsten Komödiendichter des alten Rom gilt.

Doch auch ohne Wikipedia wissen wir alle durch das Leben selbst, wie eng im Alltag oft Missgeschicke und Unfälle verbunden sind mit Momenten, die uns zum Lachen bringen. Zum Erscheinungsbild eines Clowns gehört es oft, dass zu dem lachenden Mund und der roten Nase auch eine Träne gehört. Und die komischen Unfälle eines Clowns bringen alle zum Lachen. Vor allem Kinder können laut lachen, wenn der Clown mit dem Gesicht in eine Torte fällt oder sich neben den Stuhl setzt und am Boden liegt. Ich glaube, in dieser Art von Schadenfreude steckt das Wissen, dass man ja auch selbst solche Situationen erlebt hat. Es ist gut, über solche kleinen Blamagen lachen zu können. Es entsteht sofort ein Raum mit mehr Leichtigkeit.

Manche Spielfilme machen den Tollpatsch zum eigentlichen Helden. Ein solcher Film bringt zum Lachen. Durch seine Übertreibungen sagt der Film, dass es im Leben gar nicht so schlimm zugeht. Durch Wikipedia habe ich auch erfahren, dass das Wort Tollpatsch als ungarische Bezeichnung eines Infanteriesoldaten im 17. Jahrhundert ins Deutsche eingewandert ist und sich allmählich gewandelt hat zur Bezeichnung eines ungeschickten Menschen. Und es wurde auch erklärt, dass die Schreibweise zeitweise mit einem „l“ richtig war, dass dann sowohl ein „l“ als auch zwei „l“ als richtig betrachtet wurden und dass durch die Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 inzwischen die Schreibweise mit doppeltem „l“ als einzig zulässige gilt. Außerdem wurde am 25. April 2008 „Tollpatsch“ im Wettbewerb „Wörter mit Mi­grationshintergrund. Das beste eingewanderte Wort“ vom Goethe-Institut mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Alle diese Informationen über das Wort Tollpatsch gehören nicht gerade zu den wichtigen Erkenntnissen des Lebens. Vielleicht fangen Sie aber beim Lesen an, ein klein wenig zu lachen oder zu lächeln. Das wiederum, nämlich das Lachen, ist wichtiger, als es scheinen mag.

Über sich selbst lachen können

Die Neurologin und Psychiaterin Prof. Dr. Barbara Wild sagt: „Wer über sich selbst lachen kann, muss den Spott anderer nicht fürchten. Sich nicht so wichtig zu nehmen, sich und anderen Fehler und Schwächen zuzugestehen, entspannt und macht gelassen.[1] Über sich selbst zu lachen, fällt jedoch nicht immer leicht. Dabei „ist Selbstironie nicht nur eine Kunst, sondern tatsächlich gesund. Menschen, die über sich selbst lachen können, haben ein entspannteres Verhältnis zu den eigenen Makeln und sind schneller geneigt, Ärger und Frust in Humor umzuwandeln. Die beste Medizin gegen stressige Momente ist tatsächlich, … kleinen Missgeschicken auch mal mit Heiterkeit zu begegnen. Psychologen, Mediziner und Sozialwissenschaftler sind sich mittlerweile einig, dass Humor sogar einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben kann. Außerdem werden Schmerzen weniger intensiv wahrgenommen, wenn man lacht.[Alexandra Gojowy: 2]

Für zwischenmenschliche Beziehungen ist ein guter Humorbuffer unersetzlich. Humor „ist sozialer Klebstoff und verbindet Menschen über Generationen und Nationen hinweg“ und „Humor und Gelassenheit inspirieren nicht zuletzt auch die Kreativität“ (ebd.). Humor und Lachen bringen eine ganze Sammlung von positiven Hormonen in Bewegung. Selbst wenn man auch ohne äußeren Anlass mit seinen Gesichtsmuskeln ein lachendes oder lächelndes Gesicht macht, kommen diese Hormone bereits ins Spiel. – Sie können es ja gleich mal ausprobieren.

Im Umgang mit Grenzen und Schwächen mehr Menschlichkeit lernen

Im Tragischen und im Komischen berührt man schnell tiefere Schichten. Gerade wenn unsere Fehler für andere offensichtlich werden, ist das eine besondere Schule. Man kann dabei lernen, sich immer mehr zu verstecken und möglichst wenig von sich preiszugeben oder man lernt eine innere Freiheit und ein entschiedenes Ja zur eigenen Art und zu den eigenen Grenzen. Pater Kentenich spricht gelegentlich von einem „gelockerten Selbstbesitz“. Es ist ein Zeichen von Reife, wenn man nicht immer recht haben muss, Fehler zugeben kann und das eigene Selbstbild nicht mit einem Perfektheitsanspruch hochhalten muss.

In einem Gespräch mit einer Theologin bemerkte sie, dass sie besonders die franziskanische Spiritualität schätze. Zur Erklärung, was das für sie bedeutet, erzählte sie eine Begebenheit aus dem Leben des heiligen Franziskus: In der Entstehungszeit der Bettelmönche war die Gruppe um den heiligen Franziskus herum manchmal so arm, dass sie nicht genug zu essen hatten und hungern mussten. Eines Nachts stöhnte einer der Brüder und konnte nicht schlafen. Als das Franziskus bemerkte, sagte er ihm, dass er vor lauter Hunger Bauchschmerzen habe. Daraufhin weckte Franziskus die ganze Gruppe auf und sie aßen gemeinsam etwas von ihren spärlichen Vorräten. Franziskus wollte den einen nicht bloßstellen. In diesem kleinen Beispiel war für meine Gesprächspartnerin die innere Qualität einer aufbauenden und bejahenden Spiritualität ausgedrückt.

Marshall Rosenberg, der Begründer der nach ihm benannten „Gewaltfreien Kommunikation“, betont, wie wichtig es ist, eine einfühlsame Sprache, anstelle einer kritischen Stimme, zu verwenden, auch wenn man mit sich selbst spricht.

In einem Seminar, das ich einmal mitmachen durfte und in dem es um den Umgang mit Träumen ging, konnte jeder, der wollte, einen eigenen Traum erzählen. Der Lehrer oder Begleiter hat zunächst oft nur mit eigenen, aber wertschätzenden Worten einige Sätze aus der Traumerzählung wiederholt. Aus einer Traumbeschreibung „ich war ganz dick und fett und das war schrecklich“ wurde bei ihm die Formulierung „sie haben sich sehr übergewichtig gefühlt und das war sehr schlimm für sie.“ Auch wenn man über sich selbst spricht und auch wenn es nur um einen Traum ging und nicht um die tatsächliche Realität, sollten wir lernen, nie geringschätzig zu formulieren. „Emporbildendes Verstehen“ hat Pater Kentenich die Aufgabe eines Begleiters genannt.

Versöhnung

Mir kommt diese Versöhntheit mit den alltäglichen Missgeschicken und Unvollkommenheiten vor wie das Lernfeld und die Vorbereitung für den grundlegenden Schritt des christlichen Glaubens. Ich glaube, der Schritt weg von sich selbst ist fundamental. Es geht um einen Schritt weg von sich selbst hin zur Nachfolge Jesus. Es geht um einen Schritt weg vom Kreisen um sich selbst hin zur Hingabe und zum „liebe deinen Nächsten“, wie es die Heilige Schrift sagt. Und es geht um den Schritt weg vom Sich-selbst-erlösen-Wollen hin zu der Haltung der ausgebreiteten Arme, um mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu sagen: Vater in deine Hände voller Gnade und Barmherzigkeit lege ich mein Leben.

An diesem Punkt sind meine Überlegungen nach dem Einstieg beim Karneval doch noch beim Aschermittwoch und dem Beginn der österlichen Bußzeit angekommen. Vielleicht sind wir damit auch schon ganz nahe an der heiligen Woche Jesu und seiner Auferstehung.

Und am Ende dieses Weges werden wir mit der Gottesmutter beten „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“ (Lk 1,46 f)

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Weg durch diese Wochen

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)


Top