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1. Januar 2024 | Worte des Bewegungsleiters | 

Von Neubeginn zu Neubeginn immer neu beginnen


Anfang und Ziel (Foto: kaboompics, pixabay)

(Foto: kaboompics, pixabay)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

„Von Neubeginn zu Neubeginn immer neu beginnen“,

so lautete die Überschrift bei einem Exerzitienimpuls. Bei so viel Betonung von Neuanfang kommt man ins Nachdenken. Und tatsächlich: Es gehört zur Tagesgrundstruktur unserer menschlichen Existenz, dass wir jeden Tag [mal abgesehen davon, wenn man eine Nacht durchmachen möchte oder muss] die bewusste Gestaltung unseres Lebens aus der Hand geben und uns dem Schlaf überlassen. Und mit jedem Aufwachen müssen wir neu anfangen. Ohne diesen Rhythmus von Ende und Anfang können wir nicht existieren. Und wir wissen, wir sehr es uns beeinträchtigt, wenn etwas an dem Schlafenkönnen nicht funktioniert.

Und in einer Depression kann der innere Antrieb zum Beginnen so blockiert sein, dass man zwar wach ist und doch wie gelähmt bleibt. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet über aktuelle Erkenntnisse der Schlafforschung: „In den vergangenen 20 Jahren wurde nach und nach deutlich, was für eine enorme Kraft im Schlaf steckt. Er ist die beste Medizin. Ein angeborenes und kostenloses Wundermittel. Experten empfehlen mindestens sieben Stunden Schlaf. Vergeblich. So schläft etwa die Hälfte der Deutschen höchstens sechs Stunden …“.

Rhythmische Wechsel gehören nicht nur durch Wachen und Schlafen zu uns Menschen. Rhythmisches Auf und Ab bestimmt uns in vielen Bereichen: Hunger und satt sein, Konzentration und Entspannung, Gefühle und Stimmungen, Arbeitswoche und Erholung. Auch der äußere Wechsel der Jahreszeiten bestimmt unsere Stimmungen.

Der Lebensstil und auch die religiöse Praxis in den Klöstern aller Religionen ist davon geprägt, die natürlichen Rhythmen des Menschen und der Natur mit den religiösen und spirituellen Vorgängen zu verbinden. Es passt, wenn wir den Tagesbeginn und das Ende des Tages oder auch die Zeiten der Mahlzeiten mit geistlichen Momenten und Gebeten verbinden. Einerseits prägt das Regelmäßige, und gleichzeitig nutzt es sich ab und kann leer werden. Und doch hängt Rhythmus mit Gesundheit zusammen.

Familien wissen, wie kompliziert und unmöglich es manchmal ist, gemeinsame Rhythmen zustande zu bringen. Heute ist oft jeder selbst für seinen eigenen Rhythmus verantwortlich. Aus Vielfalt mit Rhythmus wird leicht ein zersplitterter Dauerstress. Mehr dauerhaften Rhythmus für sich zu schaffen, endet oft in der Erfahrung, dass es nicht klappt. Der äußeren Unregelmäßigkeit ein Gegenprogramm mit einer durchgeplanten Tagesstruktur zu verordnen, ist schon in der Vorstellung mehr Anstrengung als Entlastung.

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Qualifizierte Zentrierung

Eine frischgebackene Familienpflegerin erlebte sich bei ihrem Start in das Berufsleben von den vielen und schwierigen Familiensituationen nicht nur äußerlich herausgefordert. Die Schicksale und Nöte, die sie erlebte, waren anstrengend und wurden auch zu ihrer eigenen inneren Belastung.

In einem Gespräch mit Pater Kentenich gab dieser ihr einen interessanten Rat. Er bestätigt sie zunächst, dass die Anstrengung und Überanstrengung wirklich der Vielzahl der Probleme, die alle eine Antwort verlangen, entspricht. Auch wenn sie sich gedrängt fühle, ein Problem nach dem andern anpacken zu wollen und lösen zu müssen, würde er ihr einen anderen Weg empfehlen. Sie soll nicht einfach alles im Blick haben, sondern bewusst eine Aufgabe pflegen und mit besonderer Liebe erfüllen, die sie gerne und mit Freude macht. Das könne sogar der Blumenschmuck in der kleinen Kapelle sein, den sie gerne übernahm.

Er meinte, sie würde mit der Zeit merken, dass eine größere Kraft in die Seele hineinkommt, als wenn man versucht, mit Anstrengung alles im Griff haben zu wollen. Es sei wie das Bohren eines Brunnens, von dem aus man dann den ganzen Garten bewässern kann.

Wenn man in der Schule ein neues Heft begonnen hat, hat man fast automatisch zumindest die ersten Seiten mit besonders schöner Schrift beschrieben. Neue Kleider, einen neuen Computer, überhaupt neue Dinge behandelt man mit besonderer Sorgfalt. Mit den ersten Flecken oder Kratzern schwächt sich dann die Sorgfalt ab. Vorsätze bei Exerzitien oder am Beginn eines neuen Jahres haben sehr oft eine sehr kurze Lebenserwartung. Vielleicht haben Sie es ja inzwischen überhaupt aufgegeben, sich irgendetwas vorzunehmen. Wie kann man an die Erfahrung herankommen, die in dem Beispiel mit dem Graben eines Brunnen beschrieben wurde, der den ganzen Garten bewässert?

Etwas ins Wort bringen und praktisch konkretisieren, was ich mit Liebe tun kann, etwas, wo die innere Bewegung meines Herzens sich ausdrückt und ins Spiel kommt, das ist der Schlüssel. Wenn man auf eine neue Aufgabe oder ein Projekt zugeht, spürt man manchmal, wie dadurch neue Kraft entsteht. Ein Ziel im Blick haben, an dem mein Herz beteiligt ist, hilft mit, die alltäglichen Herausforderungen zu bewältigen.

Meinem Boot einen Namen geben

Ist gibt innere Veränderungen und inneres Wachstum, das mich als Mensch vollständiger werden lässt. Je nach Lebensalter können ganz unterschiedliche Werte im Vordergrund stehen. Urvertrauen, Willenskraft, Zielstrebigkeit, Begabungen – ich glaube, das sind Lern- und Wachstumsvorgänge im Leben, die wir besonders mit Kindheit, Schule und Beruf verbinden. Aber damit hört das Wachstum der Person nicht auf.

Identität und Treue, Liebe und Hingabe, Fürsorge, Weitergeben, Dankbarkeit und Altersweisheit sind Wachstumsaufgaben in späteren Phasen des Lebens.

Einer meiner Mitbrüder hat einmal solche tiefgehenden Weiterentwicklungen mit dem Gleiten einer Barke verglichen. Eine Barke hat keinen Motor. Mit einer Stange schiebt der Bootslenker das flache Schiff nahezu geräuschlos weiter. Auch tiefgreifende Veränderungen und Wachstumsvorgänge haben oft etwas eher Stilles. Pater Kentenich, unser Gründer, ist in einer Kirche groß geworden, in der die gängige Spiritualität von normativen Erwartungen, religiöser Willensanstrengung und einer oft prüfenden und bewertenden Gottesvorstellung geprägt war, die auch Minderwertigkeit und Angst produzieren konnte. Aus diesem trüben Gewässer voller Schlingpflanzen sei Kentenich herausgeglitten auf einer Barke mit dem Namen „unendliche göttliche Barmherzigkeit“.

Für das neu beginnende Jahr möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen. Versuchen Sie doch einmal, sich für sich selbst so ein gleitendes Boot vorzustellen, mit dem Sie aus allem Schwierigen heraus immer mehr in freies Wasser gelangen. Welchen Namen würden Sie Ihrem Boot geben? Was ist das innere Wachstum, das für Sie jetzt dran ist?

Der Name Ihres Bootes ist vielleicht kein üblicher Neujahrsvorsatz, aber es ist Ihre Hoffnung für das kommende Jahr. Vielleicht wird es zu dem Wort, in dem sich für Sie der Raum öffnet, den Gott in unserem Jahresmotto verspricht „… in den Rissen schaffst du Raum“.

Ich wünsche Ihnen reichen Segen im neuen Jahr!

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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