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18. Dezember 2023 | Deutschland | 

60 Jahre Heiligsprechung Vinzenz Pallottis – Jubiläumsakademie


Jubiläumsakademie in der Vinzenz Pallotti University anlässlich des 60. Jahrestages der Heiligsprechung von Vinzenz Pallotti (Foto: Brehm)

Jubiläumsakademie in der Vinzenz Pallotti University anlässlich des 60. Jahrestages der Heiligsprechung von Vinzenz Pallotti (Foto: Brehm)

Hbre/A. Kostka. Das „Apostolat der Laien“ zur Ausbreitung bzw. Erneuerung des Glaubens und mit Werken der tätigen Nächstenliebe und das nicht eingegrenzt auf einen bestimmten Bereich oder auf eine bestimmte Methode, sondern vielfältig und universal – sogar in Form einer Föderation apostolischer Gemeinschaften als konkret anzustrebendes Ziel, verbindet die Schönstatt-Bewegung mit Vinzenz Pallotti, dem Gründer der Gemeinschaft der Pallottiner, der am 20. Januar 1963, in Rom heiliggesprochen wurde. Zum 60. Jahrestag dieser Heiligsprechung hat das „Pallotti Institut“ zu einer Jubiläumsakademie eingeladen, die am 8. und 9. November 2023 in den Räumen der Vinzenz Pallotti University in Vallendar stattfand. Ihr Thema: „Phänomen Heiligkeit – theologische und religionswissenschaftliche Perspektiven“.

Brigitte Proksch UAC, Leiterin des „Zentrum für Spiritualität – Pallotti Institut“ (Foto: Brehm)

Brigitte Proksch UAC, Leiterin des „Zentrum für Spiritualität – Pallotti Institut“ (Foto: Brehm)

Mit der Jubiläumsakademie „das Heilige“ thematisieren

Brigitte Proksch UAC, Leiterin des „Zentrum für Spiritualität – Pallotti Institut“, hatte im Vorfeld der Veranstaltung in einem Interview deutlich gemacht, dass sich in den Schriften Pallottis dessen Überzeugung spiegele, „dass der Mensch als Bild Gottes an den Attributen und Wesenszügen Gottes teilhat, also seinem Wesen nach heilig ist, heilig durch Teilhabe am Leben Gottes.“ Dieser Aspekt einer „seinshaften Heiligkeit“ sei oft weniger im Bewusstsein. Eine sogenannte „Heiligsprechung“, so Proksch, die seit 2019 Vorsitzende des Nationalen Koordinationsrats der Pallottinischen Unio (UAC) in Österreich ist, „hat im alltäglichen Verständnis immer zuerst die Konnotation einer moralischen Qualität, selbst, wenn das theologisch betrachtet nicht so ist.“ Das sei mit ein Grund gewesen, aus Anlass der Jubiläumsakademie „das Heilige“ zu thematisieren, jedoch verbunden mit einem kurzen Blick in andere Kulturen und Religionen.

Heilige Ansprüche in unheiligen Zeiten – Herausforderungen und Chancen christlichen Lebens heute

Der Festvortrag der Jubiläumsakademie, gehalten von Alois Schwarz, Bischof der Diözese St. Pölten, Österreich, stand unter dem Thema „Heilige Ansprüche in unheiligen Zeiten – Herausforderungen und Chancen christlichen Lebens heute“. Er wolle in seinem Vortrag eine Definition vom Zauber des Heiligen ausfalten und in die Lebenswirklichkeit der heutigen Zeit hineinbuchstabieren, so der Referent zu Beginn. Vinzenz Pallotti habe in seiner Zeit möglichst viele Menschen, Laien wie Priester, zusammenführen wollen, um für die Reform der Kirche zu arbeiten, die sich damals in einem desolaten, „in einem unheiligen Zustand“ befunden habe. Pallotti habe seine Lebensaufgabe darin gesehen, den Glauben innerhalb der Kirche neu zu entfachen und zu vertiefen, der weltweiten Armut entgegenzuwirken und die grenzenlose Liebe Gottes durch die Verbreitung des katholischen Glaubens auf der ganzen Welt allen Menschen zugänglich zu machen. „Mit der Heiligsprechung von Vinzenz Pallotti im Jahr 1963 – also während des II. Vatikanischen Konzils, gibt der Papst einen starken Impuls, auf einen Priester zu schauen, der im Rom des 19. Jahrhunderts die Kirche schon im Geiste des II. Vatikanischen Konzils prägte“, so Bischof Schwarz.

Festvortrag: Alois Schwarz, Bischof der Diözese St. Pölten, Österreich (Foto: Brehm)

Festvortrag: Alois Schwarz, Bischof der Diözese St. Pölten, Österreich (Foto: Brehm)

Unheilig leben – Heilig leben?

Es gäbe Situationen im Leben von Menschen, in denen eine Veränderung der persönlichen Lebensverhältnisse, der Umstände, der Beziehungen notwendig wären und dennoch werde oft keine Entscheidung für das Herbeiführen von Veränderungen getroffen. So etwas könne nicht nur im persönlichen Bereich, sondern auch im gesellschaftlichen und politischen Miteinander zu Leblosigkeit und schließlich zur Lieblosigkeit – zu unheiligem Leben führen. Papst Johannes Paul II. spreche in diesem Zusammenhang von „Strukturen der Sünde“, so Bischof Schwarz.

Zur Überwindung der Strukturen des Bösen brauche es eine „Globalisierung des Guten“, wie es Papst Franziskus von den Christen immer wieder eindringlich einfordere. Es brauche "eine Bewegung von Menschen, die wissen, dass wir einander brauchen, die ein Verantwortungsgefühl für andere und für die Welt haben. Wir müssen verkünden, dass Freundlichkeit, Glaube und die Arbeit für das Gemeinwohl große Lebensziele sind, die Mut und Kraft brauchen, während unbedarfte Oberflächlichkeit und die Verhöhnung der Ethik uns nichts Gutes gebracht haben… Geschwisterlichkeit wird es der Freiheit und der Gleichheit erlauben, ihren rechtmäßigen Platz im Gleichklang einzunehmen".

Für Papst Franziskus sei Heiligkeit die Ausrichtung an den Seligpreisungen und diese auf die eigene Art und Weise zu leben. Die Seligpreisungen seien der „Personalausweis“ jedes Christen. Auf keinen Fall sei Heiligkeit nur denen vorbehalten, die viel Zeit fürs Gebet hätten. „Wir sind alle berufen, heilig zu sein, indem wir in der Liebe leben und im täglichen Tun unser persönliches Zeugnis ablegen, jeder an dem Platz, an dem er sich befindet.“ (Papst Franziskus)

Für den Geigenbaumeister und Physiker Martin Schleske – einen modernen Mystiker und Bestsellerautor – bestünde Heiligkeit darin, mit Gottes Schwingung der Liebe und Menschenfreundlichkeit in Resonanz zu kommen, sich existenziell auf Gott hin abzustimmen. Wenn heilig Sein eine Resonanz bedeute, die Gott im Menschen auslöse, so Bischof Schwarz, „dann bringt jeder Mensch seine eigenen Lebensmelodien und biblisch gesprochen: seine Charismen, zum Klingen. Man könnte auch sagen, dass der Mensch, der von Gott angesprochen ist, seine Lebensmelodie spielen kann.“ Es läge also an uns Menschen, Gottes Schwingung der Liebe und Menschenfreundlichkeit aufzunehmen und ihm dabei zu antworten, zeigt sich Bischof Schwarz überzeugt.

Publikum der Jubiläumsakademie am ersten Tag (Foto: Brehm)

Publikum der Jubiläumsakademie am ersten Tag (Foto: Brehm)

Heiligkeit in der Bibel

Am zweiten Tag der Jubiläumsakademie beschäftigte sich Prof. Alban Rüttenauer, Vallendar, in seinem Referat „Seid heilig, weil ich heilig bin...!“ – zum biblischen Heiligkeitsbegriff und seiner Wirkungsgeschichte u.a. mit dem biblischen Begriff qadosh. Auf Martin Buber gestützt, der diesem Begriff viel Aufmerksamkeit gewidmet habe, könne der semantische Inhalt des qadosh mit „Abgesondertheit“ umschrieben werden, allerdings mit der notwendigen Ergänzung: „abgesondert, aber nicht getrennt“, „abgesondert, aber mitten im Volk“ (hier vor allem Hos. 11,8), „abgesondert, aber ausstrahlend“. Bezugnehmend auf Dtn 26, 12-15 „Seid heilig, weil ich, euer Gott, heilig bin“, betonte Rüttenauer den gemeinschaftlichen Aspekt des Rufes zur Heiligkeit: es gehe nicht um Selbstverwirklichung, sondern um ein Leben in der Anwesenheit Gottes und dessen Konsequenzen, z.B. die Sorge um die Armen.

Unvollkommene Vorbilder

Anton Witwer SJ, Prof. für „Theologie der Spiritualität“ an der Päpstlichen Universität Gregoriana, Rom, sprach über das Thema: „Heilige – unvollkommene Vorbilder“. Dabei hob er die Beziehung zwischen den Heiligen und Jesus hervor. Obwohl sie für viele Menschen Vorbilder seien, hätten die Heiligen sich selbst oft als unzulänglich und sündig erlebt. Das Beispiel Petri und anderer Jünger, die Jesus mitten in seiner Passion alleine gelassen haben, war in Witwers Reflexion zentral. Gerade dieses Scheitern habe jedoch oft zu einem entscheidenden Punkt in der Biografie der Heiligen geführt: sie ließ sie nach einer immer tieferen Verbindung mit Gott suchen. Das sei ein Paradox des Heiligkeitsweges. Prof. Witwer, der selbst Generalpostulator in der Gesellschaft Jesus war, warnte vor einer Überhöhung der Heiligen. Psychologisch räche sich jede solche Überhöhung letztendlich durch Ablehnung. Heilige seien Menschen, in denen Gott mitten in ihrer Kontingenzerfahrung Großes vollbracht habe.

Das Heilige - anthropologische Grundkonstante

Prof. em. Dr. Wolfgang Gantke, Frankfurt, wies in seinem Referat: „Heiliges – Abgrenzungsinstrument oder anthropologische Grundkonstante?“ auf die bleibende Spannung der Heiligkeitskategorie hin. Einerseits dient diese Kategorie der Abgrenzung – wie dies extrem im Phänomen der heiligen Kriege zum Ausdruck komme; andererseits sei sie aber auch eine Versöhnungskategorie – wie das im Begriff des heiligen Friedens zum Ausdruck kommt. Der Gesellschaftsanalyse von Charles Taylor folgend, beobachtete Gantke, dass das Heilige aus der Kultur immer mehr ausgegrenzt werde und stellte mit der zugespitzten Bemerkung „Haben wir es heute mit dem Untergang des Heiligen zu tun?“ die Frage, welche Formen der Hierophanie (Aufscheinen des Heiligen im Profanen) heute möglich seien. Mit Rekurs auf den Religionswissenschaftler Mircea Eliade zeigte er sich überzeugt, dass das Heilige letztendlich eine anthropologische Grundkonstante bleibe und auch in der postchristlichen Gesellschaft nach wie vor seine Relevanz behalte.

Interreligiöse Perspektiven

In den Beiträgen von Manfred Hutter, Bonn: „Indien – heiliger Boden, heiliges Land“ und von Peter Ramers, Vallendar: „Der Buddhismus und die Erfahrung des Heiligen – Kritische Anfragen“ wurden interreligiöse Perspektiven auf das Heilige und die Heiligkeit genommen.

Heiligkeit in der Musik

Dr. Stefan Ley, verantwortlich für die Jugendpastoral im Bistum Limburg, hat mit einem unkonventionellen Titel „God is a DJ – über Heiligkeit in der Musik“ einen ebenso unkonventionellen Beitrag eingebracht. Zunächst hat er vielfältige Musikgenres und ihre Rolle in der heutigen Pastoral dargelegt und an konkreten Beispielen veranschaulicht. Angefangen beim NGL (Neues Geistliches Lied) über elektronische Musik von Jean Michel Jarre bis zum Genre des White Metal wurde eine Breite an Möglichkeiten dargelegt, wie heute die Gottesbeziehung durch die Energie der Musik unterstützt werden kann. Bei kurzen Hörbeispielen konnten sich Zuhörerinnen und Zuhörer auch selbst ein Bild machen, welches Genre sie persönlich am meisten anspricht.

Mit ihren vielfältigen thematischen Vorträgen anlässlich des 60. Jahrestages der Heiligsprechung von Vinzenz Pallotti leistete die Jubiläumsakademie des Pallotti-Institutes einen interessanten Beitrag, das "Phänomen Heiligkeit" in weiteren Perspektive zu betrachten.


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