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21. November 2023 | Deutschland | 

Wieso komme ich so selten dazu, das Richtige zu tun?


digitale Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“ (Foto: anncapictures, pixabay.com)

digitale Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“ (Foto: anncapictures, pixabay.com)

Bernhard Lippold. Beim 3. Themenabend der digitalen Studienreihe Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit standen die psychologischen Faktoren menschlichen Handelns im Kontext Umwelt- und Klimaschutz im Fokus. Die häufige Diskrepanz zwischen unseren Einstellungen, Werten, Idealen u.a. einerseits, und unserem Handeln andererseits, wird auch durch psychologische Mechanismen und Faktoren hervorgerufen. Carolina Schwalbach, Psych. Psychotherapeutin, und Dr. Alexander Schimmel, Theologe, führten unter Anderem in psychologisch fundierte Herangehensweisen wie Formulierung von Zielen, Förderung von Selbstwirksamkeitserleben, Verhaltensaufbau und Verhaltensabbau und Umgang mit Emotionen ein.

Der Schirmherr der Themenabende, Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda, nahm an diesem Abend teil (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Der Schirmherr der Themenabende, Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda, nahm an diesem Abend teil (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Erfahrungswissen: Was gelingt, stärken

Einen nachdenklich machenden Einstiegsimpuls gab der Schirmherr der Studienreihe, Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda: Wie kann Erfahrungswissen fruchtbar werden in Zeiten, die zutiefst erschüttert sind? Das „Normal“ hat sich verändert. Destruktion ist an der Tagesordnung. Wie gelingt es dennoch in eine innere Freiheit zu kommen und die Erschütterungen auszuhalten? Kann es gelingenden Dialog mit den Zeitgenössischen Kulturen über Nachhaltigkeit geben? Wir können uns aufmachen und uns mit Menschen unterschiedlicher Milieus vernetzen, wenn es um wichtige Dinge geht. Was gelingt, stärken. Gleichgültig, woher die Initiative kommt.

Was ist so schwer daran, die konkreten Herausforderungen des Klima- und Umweltschutzes anzugehen?

Carolina Schwalbach und Dr. Alexander Schimmel konfrontierten die Teilnehmenden anschließend mit Faktoren, die das menschliche Handeln im Kontext der Notwendigkeiten des Umwelt- und Klimaschutzes beeinflussen. Die Umweltzerstörung und die Klimaveränderung sind höchst komplexe Prozesse – und diese Ereignisse geschehen nicht plötzlich und unmittelbar. Was sich über Jahrzehnte (wenige Jahrhunderte) angebahnt und aufgebaut hat, kann jetzt nicht plötzlich umgekehrt und abgebaut werden. Der Einzelne steht solchen relativ langfristigen Herausforderungen machtlos gegenüber. In Anlehnung an das PAIN-Modell von Daniel Gilbert aus dem Jahr 2007 machten die Referenten deutlich, dass Menschen eher von Ereignissen in Bewegung gebracht werden, die „jetzt“, „plötzlich“, „unmoralisch“ und „persönlich“ über sie hereinbrechen. „Das scheucht uns auf vom Sofa.“

Dr. Alexander Schimmel, Theologe (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Dr. Alexander Schimmel, Theologe (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Carolina Schwalbach, Psych. Psychotherapeutin (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Carolina Schwalbach, Psych. Psychotherapeutin (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Moderator: Dr. Volker Schmitt, Biologe an der Uni Mainz (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Moderator: Dr. Volker Schmitt, Biologe an der Uni Mainz (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Es gäbe also durchaus die Einsicht in die Notwendigkeit nachhaltigen Verhaltens, aber gleichzeitig stünden die Gewohnheiten aus einem nicht nachhaltigen Lebensstil dazu im Widerspruch. Diese „umweltpsychologische Nuss“ nenne die Psychologie den „Mind-Behavior-Gap“. In einer Studie zu ökologischem Bewusstsein und Handeln habe diese Phänomene Annett Entzian im Buchtitel „Denn sie tun nicht, was sie wissen“ treffend umschrieben. Trotz guter Informiertheit verhielten sich Menschen noch immer wie Jäger und Sammler. Menschen können im Moment, jetzt, handeln aber nicht in Jahrzehnte andauernden Prozessen. Das löse keine Emotionen aus und kognitive Möglichkeiten würden schnell zerredet. Als Beispiel wurden Greta Thunbergs Apelle vor der Versammlung der Vereinten Nationen genannt: „Ihr gebt vor, die Situation verstanden zu haben, aber ihr tut nichts!“ Hinzu komme, dass sich Menschen wehrten, wenn sie sich in ihrer Identität angegriffen fühlten.

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Abwägungsprozesse für unser Handeln

Das menschliche Umweltverhalten werde von den sozialen Normen des Umfeldes beeinflusst. Die SOLL-Norm sagt: „Wir sollen uns klimaschützend verhalten“. Selbstverständlich beobachtet der Einzelne auch die IST-Norm: „Verhalten sich andere tatsächlich klimaschützend“. Positive Verhaltensbeispiele z.B. von Alexander Gerst oder Papst Franziskus hätten hier eine besondere Bedeutung. Ein wichtiger Faktor seien aber auch die persönlichen ökologischen Normvorstellungen, das eigene Problembewusstsein und Verantwortungsgefühl sowie die Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit. Inwieweit Handlungsoptionen effektiv erlebt würden, inwiefern es positives Feedback gäbe und welche Kompetenzen trainiert werden könnten, festige die persönliche ökologische Norm. In die Abwägungsprozesse für das persönliche Handeln gingen aber auch Überlegungen zur Kosten- und Nutzenbilanz des eigenen nachhaltigen Verhaltens ein. „Ist Nachhaltigkeit teuer für mich?“ „Kann ich positive Gefühle aufbauen?“ „Finde ich einfache und vor allem angenehme Wege für ökologisches Verhalten?“ „Gelingen mir Belohnungen für positives Handeln zeitnah und ohne großen Aufwand?“ „Kann ich meine Leidenschaften nutzen um nachhaltig zu sein?“

Auf die Suche gehen und die Werkzeuge der Schönstattspiritualität nutzen

Beim Prozess, eine persönliche ökologische Norm zu finden und nach Möglichkeit in die Tat umzusetzen, gehe es um Selbstverpflichtung, um Werte, um Selbstaufmerksamkeit und den Umgang mit kognitiven Dissonanzen. Hier biete die Spiritualität Schönstatts einige Werkzeuge an, die diesen Findungsprozess effektiv begleiten könnten. Die Entfaltung eines persönlichen Ideals (PI), eine geistliche Tagesordnung (GTO), das Partikularexamen (PE) als Mittel der Selbsterziehung wurden hier von den Referenten als Beispiele genannt.

Eine Folie, die schmunzeln ließ und nachdenklich machte (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Eine Folie, die schmunzeln ließ und nachdenklich machte (Foto: Bildschirmfoto, Schulze)

Zwischen Gewohnheiten und Emotionen die eigenen Intensionen umsetzen

Eine eigene Intention für nachhaltiges Handeln zu finden, könne beflügeln. Persönliches Handeln an die eigenen Werte anzupassen, zeuge davon, mit kontraproduktiven Gefühlen, kognitiven Dissonanzen und alten Gewohnheiten konstruktiv umgehen zu können. Daher gehe es nun darum, sich konkrete Ziele zu setzen, die SMART sein sollten:

Spezifisch – möglichst konkret, präzise und eindeutig beschrieben,
Messbar – einen Maßstab ermitteln, woran ermessen werden kann, ob das Ziel erreicht ist,
Attraktiv – motivierend, positiv formuliert und auf Annäherung ausgelegt,
Realistisch – ist das Ziel erreichbar und kann ich mir das auch zutrauen,
Terminiert – Zeitrahmen festlegen, Neustarts nicht ausschließen.

Außerdem können sogenannte W-Fragen auf die Umsetzung des Zielverhaltens vorbereiten: Wann, Wo, Wie, Wer, Was, usw. Auch über Erinnerungshilfen, Belohnungsvereinbarungen und Selbstverpflichtungen dürfe man Festlegungen treffen. Dazu gab es für die Teilnehmenden der Studienveranstaltung ein Arbeitspapier.

Welchen Wolf fütterst du?

Für die Gespräche in den Gruppen und im Plenum war die Geschichte von den beiden Wölfen eine Anregung: Ein alter Häuptling erzählt eines Abends den Heranwachsenden eine Geschichte. In euren Herzen leben zwei Wölfe. Einer will immer gewinnen, und dazu ist ihm jedes Mittel recht: Lüge, Gier, Kampf. Der andere Wolf sucht die Liebe, das Verbindende, das Miteinander. Er möchte gemeinsam mit anderen eine schöne Zeit haben. Einer der Jungen wird ungeduldig und will wissen: Häuptling, verrate doch endlich: Welcher Wolf gewinnt? Der Häuptling sagt: Der Wolf, den du fütterst!

Neben vielen praktischen Anregungen für nachhaltige Aktionen trugen die Teilnehmenden auch Ideen, Möglichkeiten und Chancen für politisches Handelns zusammen. Die private Initiative müsse in Politik münden. Das heiße auch, den Mut zu haben, Prozesse anzustoßen und zu begleiten. Denn gerade die politische Ebene sei wichtig, damit die Selbstwirksamkeit der Einzelnen zum Ausdruck kommen könne. Aber auch die befreiende Sicht des christlichen Menschenbildes wurde angesprochen: Selbsterlösung gäbe es nicht. „Wir sind darauf angewiesen, das Erlösende geschenkt zu bekommen“, so ein Beitrag zum Abschluss.

Weitere Informationen

  • 4. Themenabend: Donnerstag, 28.11.2023, 18 – 19.30 Uhr
  • Thema: Was hat unser Essen mit dem Klima zu tun?
  • Anmeldung bei: Diakon Bernhard Brantzen. Mainz
    Mail: bernhard.brantzen@schoenstatt-diakone.de
    Mobil: +49 (0) 170 27 43231
  • Zugangslink: Der Zugangslink zum jeweiligen Themenabend wird kurz vor der Veranstaltung zugeschickt
  • Kosten: Die Teilnahme ist kostenfrei. Spenden zur Finanzierung der Studienabende sind erbeten auf das Konto: Josef-Kentenich-lnstitut, Stichwort: Studientagung Spiritualität der Ökologie, IBAN: DE63 7509 0300 0000 0528 25, BiC: GENODEF1M05
  • DOWNLOAD: Flyer (pdf)

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