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2. November 2023 | Deutschland | 

Wie ist das mit der Demokratie und dem Klimaschutz?


digitale Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“ (Foto: anncapictures, pixabay.com)

digitale Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“ (Foto: anncapictures, pixabay.com)

Cbre&Hbre. „Sind demokratische Prozesse für Ökologie und Nachhaltigkeit eher förderlich oder eher hinderlich?“ und „Schaffen demokratische Prozesse Akzeptanz oder verhindern sie eine Umsetzung notwendiger Maßnahmen?“, mit diesen beiden Fragen sahen sich die Teilnehmenden am Ende des Informationsteiles des zweiten Abends der digitalen Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“ konfrontiert. In der Diskussion im online-Plenum der Veranstaltung zeigte sich durchaus eine ambivalente Einstellung unter Menschen, die sich alle dem Wert des Erhalts der Schöpfung verpflichtet sehen. Gregor Podschun, BDKJ Bundesvorstand, hatte zu Beginn der online-Veranstaltung unter dem Thema „Demokratisches Handeln und Nachhaltigkeit anhand des Beispiels BDKJ“ die demokratische Aufstellung seiner Organisation dargestellt und dabei Chancen und Schwächen des demokratischen Selbstverständnisses beleuchtet.

Gregor Podschun, BDKJ Bundesvorstand (Bildschirmfoto online-Konferenz)

Gregor Podschun, BDKJ Bundesvorstand (Bildschirmfoto online-Konferenz)

Demokratische Strukturen im BDKJ (Bildschirmfoto online-Konferenz)

Demokratische Strukturen im BDKJ (Bildschirmfoto online-Konferenz)

BDKJ, Interessenvertretung junger Menschen  (Bildschirmfoto online-Konferenz)

BDKJ, Interessenvertretung junger Menschen  (Bildschirmfoto online-Konferenz)

Demokratisches Handeln und Nachhaltigkeit anhand des Beispiels BDKJ

Die partizipative Entscheidungsfindung, die in der Kombination von „Botton-Up-“ und „Top-Down-Prozessen“ breitere Perspektiven fördere und kreative Lösungen ermögliche, sei genauso ein positiver Effekt des demokratischen Prozesses wie eine transparente, nach außen und innen offene Kommunikation, die „die Öffentlichkeit“ beteilige und das Engagement der Mitglieder fördere. Zu den positiven Effekten demokratischer Prozesse gehörten auch Stichworte wie Monitoring und Feedback, die einerseits Rechenschaftspflicht und andererseits konstruktive Rückmeldungen und darüber hinaus Prozess- und Handlungskontrolle ermöglichten. Die Einbeziehung einer breiten Palette an Meinungen und unterschiedlichen Haltungen führe zu größerer Vielfalt und Inklusion und damit zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Obwohl der BDKJ progressive und innovative Ziele vertrete, sei er aufgrund seiner demokratischen Verfasstheit strukturell doch eher konservativ aufgestellt. Das stelle eine langfristige Befassung mit Zielen und Themen sicher, bewirke eine auf Dauer angelegte Organisation und mache insgesamt eine strategische Ausrichtung möglich.

Die Nachteile des demokratischen Prozesses im Blick auf Fragen der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes seien allerdings „langsame Entscheidungsfindung“, „die Dauerpräsenz von Interessenkonflikten“, „Bürokratie“, „Regulierung“ und auch „fehlende Kontinuität“. Diskussionen, Debatten und mehrheitliche Konsensfindung erforderten Zeit, was in Spannung stehe mit den ökologischen Prozessen der Natur, die nicht warteten. Leider sei es auch so, dass Umweltfragen bei vielen Menschen nicht die erste Priorität hätten. Weil demokratische Prozesse bestimmten Regeln unterlägen und einen gewissen Verwaltungsaufwand mit sich brächten, sei es Tatsache, dass effektive Maßnahmen zur Bewahrung der Schöpfung eventuell gar nicht umsetzbar seien. Und im politischen Bereich gäbe es oft deshalb keine langfristig wichtigen Veränderungen, weil im Zyklus von Wahlperioden und Amtszeiten gedacht werde und tatsächlich der politische Wechsel auch zu neuen Haltungen und Entscheidungen führe.

Demokratische Prozesse in Politik und Gesellschaft

Wenn man den Blick vom BDKJ aus weite auf die politische Ebene, so könne man feststellen, dass der demokratische Prozess durchaus positive Auswirkungen haben könne. Als Beispiel nannte Podschun das Klimaschutzgesetz, bei dem es durch einen „sehr demokratischen Vorgang“, nämlich den Einspruch junger Menschen gegen das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht, zu einer Anpassung an den Willen junger Menschen gekommen sei. Als negatives Beispiel wertete er den Versuch der aktuellen Regierung die sogenannten „Sektorziele“ des Klimaschutzgesetzes in den Bereichen Gebäude, Verkehr usw. abzuschaffen, wovor die Wissenschaft warne, da es total wichtig sei, genau zu wissen, wo man CO2 einsparen könne. Aufgrund der Tatsache, dass die ökologischen Prozesse nicht warteten, das Klima sich also andauernd weiter erwärme, gäbe es auch vermehrt Gruppen wie „Fridays for Future“ oder die „Letzte Generation“ die die Langsamkeit der Maßnahmen kritisierten und in Gefahr stünden, demokratische Prozesse zu übergehen, was im Endeffekt die Demokratie insgesamt gefährden könne. Dass es unterschiedliches Handeln und unterschiedliche Geschwindigkeit des Handelns in Deutschland, der EU oder weltweit gäbe, könne im Blick auf den globalen Klimaprozess sowohl schädlich wie auch hilfreich sein. Insgesamt müsse man sagen, „Populismus blockiert!“ All das, was verkürzt dargestellt werde, z.B. die Frage des Wohlstandes, die ja auch populistisch argumentiert werde, helfe nicht weiter. „Ich glaube, dass es vielen Menschen helfen würde, wenn man komplexe Prozesse noch besser erklären würde. Das passiert nur leider nicht.“

Nachteile demokratischer Prozesse für den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit, Gregor Podschun (Bildschirmfoto online-Konferenz)

Nachteile demokratischer Prozesse für den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit, Gregor Podschun (Bildschirmfoto online-Konferenz)

„Fahren wir dann die Welt an die Wand, aber wenigstens demokratisch?“

In der Plenumsdiskussion der knapp 30 Teilnehmenden kam es zu einer differenzierten Diskussion über die Frage, ob die Demokratie und ihre oft langwierigen Prozesse für Klimaschutz und Nachhaltigkeit eher förderlich oder eher hinderlich sei. Einmütigkeit bestand darüber, dass es nicht darum gehen könne, die Demokratie abschaffen zu wollen. „Aber was, wenn die Zeit drängt, wie es in der Klimafrage ja der Fall ist. Fahren wir dann die Welt an die Wand, aber wenigstens demokratisch?“, so eine Teilnehmerin. In der engagierten Diskussion wurde zum Ausdruck gebracht, dass alle eine ethische Verantwortung hätten, diese aber oft nicht wahrnehmen könnten, weil z.B. bestimmte Lobbygruppen blockieren würden. Das werde sehr deutlich bei der Diskussion ums Tempolimit auf deutschen Autobahnen und den Interessen der Autoindustrie.

„Die Frage stellt sich mir, warum es nicht reicht, die deutlichen Fakten zu kennen, dass die Erde stirbt, um endlich ins Handeln zu kommen“, so eine andere Teilnehmerin. Ein Antwortversuch aus dem Plenum: „Viele Menschen reagieren nicht auf Fakten, sondern sie müssen über Gefühle und ihre Lebenssprache angesprochen werden. Es sind nicht die Fakten, die überzeugen, es sind die Werte, dank derer man sich für eine Sache einsetzt oder auch nicht.“

Ein langer Atem und Eigenverantwortung gefragt

Die Frage drängte sich in den Vordergrund, wie es zu schaffen sei, die gängige Werteskala um den Wert der Bewahrung der Schöpfung zu erweitern. „Und wo sind die Stellschrauben, um wichtige Werte ganz oben auf der Werteskala zu halten, dass sie nicht von der nächsten Tagesmeldung wieder zugedeckt und vergessen werden.“ Von Menschen, die etwas verändern wollten, sei ein langer Atem und viel Eigenverantwortung gefordert. Hier zeige sich die Verantwortung für Christen und besonders auch für Schönstätter. „Müssten wir uns nicht viel mehr zusätzlich in Gruppen bewegen, die sich intensiv für den Erhalt der Schöpfung einsetzen oder wie können wir dieses Thema mehr und intensiver in unserer Arbeit verankern?“, so ein Teilnehmer.

„Schaffen demokratische Prozesse Akzeptanz oder verhindern sie eine Umsetzung notwendiger Maßnahmen?“ Diese vom Referenten des Abends am Ende seines Statements gestellte Frage hat ausgehend vom demokratischen Selbstverständnis des BDKJ zu einer von Dr. Volker Schmitt, Biologe an der Uni Mainz moderierten, nachdenklichen Diskussion über Demokratie, Werte und Eigenverantwortung geführt.

Weitere Informationen

  • 3. Themenabend: Donnerstag, 16.11.2023, 18 – 19.30 Uhr
  • Anmeldung bei: Diakon Bernhard Brantzen. Mainz
    Mail: bernhard.brantzen@schoenstatt-diakone.de
    Mobil: +49 (0) 170 27 43231
  • Zugangslink: Der Zugangslink zum jeweiligen Themenabend wird kurz vor der Veranstaltung zugeschickt
  • Kosten: Die Teilnahme ist kostenfrei. Spenden zur Finanzierung der Studienabende sind erbeten auf das Konto: Josef-Kentenich-lnstitut, Stichwort: Studientagung Spiritualität der Ökologie, IBAN: DE63 7509 0300 0000 0528 25, BiC: GENODEF1M05
  • DOWNLOAD: Flyer (pdf)

 


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