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21. Oktober 2023 | Oktober-Treffen | 

„Fliege mein Schiff, es gibt kein Wasser”


Prof. Dr. Rita Pécsi, Professorin an der Katholischen Hochschule Apor Vilmos in Vác bei Budapest, Ungarn (Foto: Klaus Kröper)

Prof. Dr. Rita Pécsi, Professorin an der Katholischen Hochschule Apor Vilmos in Vác bei Budapest, Ungarn (Foto: Klaus Kröper)

Sr. M. Nurit Stosiek. „Fliege mein Schiff, es gibt kein Wasser”, mit diesem Wort des Dichters Ákos Fodor beginnt die ungarische Professorin Dr. Rita Pécsi ihr Referat. Neben ihrer Lehrtätigkeit an der Katholischen Hochschule Apor Vilmos in Vác bei Budapest leitet sie das Zentrum für Didaktik der organischen Pädagogik (Kentenichpädagogik), ist leitende Redakteurin und Kolumnistin der Zeitschrift für Katholische Pädagogik und Vorsitzende des Vereins für Organische Pädagogik. Neben all dem wirkt sie als Dirigentin des Bárdos-Chores.

„Ich glaube nicht, dass es nötig ist zu erklären, warum und inwieweit es kein Wasser gibt, und dennoch müssen wir vorankommen. Lasst uns fliegen!”, sagt sie. Der „Flug”, zu dem sie einlädt, ist getitelt: „Schlüssel zur spirituellen Erneuerung: organisches Wachsen zwischen Freiheit und Bindung.”

Neuer Wein braucht neue Schläuche

Das sagt schon die Bibel (Lk 5,37). Der „neue Wein”, der heute Erneuerung bringen kann, ist die organische Pädagogik Pater Kentenichs. Aber: Haben wir schon den „neuen Schlauch”, der diesen neuen Wein fassen kann?, fragt die Referentin.

Der alte Schlauch

Der alte Schlauch ist die mechanistische Lebensweise, die auf allen Ebenen zu beobachten ist. Rita Pécsi nennt unter anderem eine unproduktive Verwaltung und Administration, ein mechanistisches Leistungsbewertungs- und Qualitätssicherungssystem, die Art, in Menschen nur Arbeitskräfte zu sehen, aber auch eine institutionalisierte religiöse Praxis, die seelenlos geworden ist.

Sie erinnert, dass die Erziehung der Kinder und Jugendlichen vielfach einseitig auf den IQ - auf Wissen und Leistung – ausgerichtet sei. Ganzheitliche Persönlichkeitsentfaltung aber ist mehr als nur Heranbildung von Experten. – Der Schlüssel zum Wandel ist

Das emotionale Netzwerk als „Vitamin C“ der Pädagogik

Dieses Netzwerk sei sehr formfähig und könne sich lebenslang entfalten. Es umfasst neben emotionalen Fähigkeiten Motivationen, Begeisterungsfähigkeit, Spieltrieb usw., aber auch soziale Fähigkeiten wie Empathie, Toleranz, Kooperationsfähigkeit. 80% der Persönlichkeits­entfaltung lägen in diesem Bereich.

Emotionale Intelligenz wird nicht durch Erklärung und Einsicht geweckt: Wenn Eltern ihren Kindern „predigen“, wie sie sich verhalten sollen, bewirken sie damit bestenfalls Drill. Der EQ dagegen entfaltet sich durch emotionale Erfahrung und Identifikation. Allerdings bilden sich entsprechende Verschaltungen im Gehirn nur da, wo emotionale Erfahrungen immer neu erlebt werden. Die Bindungspädagogik Schönstatts ist hier der gegebene Entfaltungsraum.

„Unter dir ist die Erde, über dir ist der Himmel, in dir ist die Leiter“

Mit diesem Wort eines ungarischen Dichters umschreibt die Pädagogin, was spirituelle Intelligenz ausmacht: Hier sind alle Kräfte der Persönlichkeit – IQ und EQ – gebündelt und aktiviert durch ein persönliches Wertgefälle. In Schönstatt sprechen wir vom Persönlichen Ideal. Es integriert die Persönlichkeit, „wirkt wie der Magnet unter den Eisenspänen. Es sammelt jedes kleine Detail rund um ein originelles Format. Es ist Gottes ursprünglicher Gedanke von mir”. Freiheit, so Pécsi, bedeutet: „Ich bin frei, dieses Ideal zu entwickeln, (wenn nötig) auch im Gegensatz zu meiner Umgebung, frei für meine frei gewählten Bindungen, Werte, Ziele und Angelegenheiten.”

In spannenden Vergleichen zeigt die Referentin, wie sehr sich eine mechanistische von der organischen Lebenshaltung unterscheidet, um dann organisches Leben, Lieben und Denken für verschiedene Lebensbereiche durchzubuchstabieren – ganz konkret mit der Frage:

Wie schmeckt dieser neue Wein?

Da ist organische Erziehung – sie hat den ganzen Menschen im Blick, etwa in der Kindererziehung: „Wie viel kann ein kleines Kind aushalten? Wann sollte es eine Pause haben? Wie viel Bewegung braucht es? Der massive Einsatz von Digitalisierung – ist das wirklich gut für die Kinder?“

Oder organische Liebe: Sie umfängt den ganzen Menschen, ist nicht nur an angenehmen Details interessiert. „Auf einer akkadischen Tafel steht: ‚Ich trage auch das Joch dessen, den ich liebe.‘“ Das Leben biete viele „Fitnessstudios“, um diese Liebe zu trainieren, so Pésci.

Organische Gemeinschaft umschreibt die Referentin mit einem Wort von Winnie Puuh: Der beste Teil des Tages ist, „wenn du und ich wir sein werden“. Diese neue Gemeinschaft muss gepflegt werden durch umfassende Stärkung unserer Bindungen und unserer Bindungsfähigkeit. „Nehmen wir uns also Zeit für unsere Beziehungen!“, plädiert die Referentin.

Abschließend lädt sie ein: „Lassen Sie uns in unserem Alltag so oft wie möglich den Geschmack von neuem Wein probieren. So oft wie möglich organisch denken und leben, in so vielen Formen wie möglich. Und wir glauben, dass das auch den neuen Schlauch bringen wird.“

 


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