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17. Oktober 2023 | Deutschland | 

Brauchen Christen eine eigene Einladung, wenn der Planet brennt und in Flammen steht?


digitalen Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“ (Foto: anncapictures, pixabay.com)

digitalen Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“ (Foto: anncapictures, pixabay.com)

Cbre&Hbre. „Klimawandel und christliche Verantwortung“ stand als Thema über dem ersten Abend der digitalen Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“, an der am Dienstag, 17. Oktober 2023, knapp 40 Interessierte im Rahmen einer Online-Konferenz teilgenommen haben. In der vom „Josef Kentenich Institut“ (JKI), „Schönstatt for Future“ (SFF), „bewegenswert e.V.“ und von der „Schönstätter Diakonen–Gemeinschaft“ gemeinsam verantworteten Veranstaltung machte Prof. Dr. Joachim Söder, Professor für Philosophie an der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Aachen, und ebenfalls Präsident des Mitveranstalters JKI, den inhaltlichen Aufschlag für die Reihe aus philosophischer Sicht.

Prof. Dr. Joachim Söder, Professor für Philosophie an der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Aachen (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

Prof. Dr. Joachim Söder, Professor für Philosophie an der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Aachen (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

Erster Themenabend im Rahmen der digitalen Studienreihe „Spiritualität der Ökologie und Nachhaltigkeit“

Gleich zu Beginn des von Moderator Dr. Volker Schmitt, Biologe an der Uni Mainz moderierten Abends, konfrontierte Söder die Teilnehmenden mit der Frage, ob es eine besondere Begründung dafür brauche, dass Christen sich für den Klimawandel einsetzten. Zugespitzt formulierte er: „Brauchen Christen eine eigene Einladung, wenn der Planet brennt und in Flammen steht?“ Auf diese Frage wolle er antworten mit der doppelten These, dass das Christentum eine Vernunftreligion sei und dass das sogenannte „technokratische Paradigma“, das er als wesentlichen Mitverursacher der bereits weit fortgeschrittenen Klimakrise identifizierte, eine Konsequenz des Christentums sei.

Das Christentum – eine Vernunftreligion

Für viele Menschen habe Religion nichts mit Vernunft zu tun. Das Christentum sei aber, so Söder, die einzige Religion, die sich auf Vernunft begründe. Als Beleg zitierte er Röm 12,1, wo Paulus sage: „Bringt euch selbst als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe dar! Darin besteht euer vernünftiger Gottesdienst (logikê latreia).“ Der Gottesdienst der Christen damals habe eben nicht bedeutet, Lämmer zu schlachten, sondern sich selbst Gott darzubringen. Auch Petrus habe die Gemeinden ermutigt: „Seid stets bereit, jedem Menschen Rede und Antwort zu stehen, der von euch ein vernünftiges Argument (logos) verlangt für die Hoffnung, die in euch lebt.“ Und der Prolog des Johannesevangeliums beginne mit den Worten: „Im Anfang war die Vernunft“ – das im Urtext verwendete Wort „logos“ werde leider oft nur mit dem blassen Begriff „Im Anfang war das Wort“ übersetzt – richtiger sei aber wohl „und die Vernunft war bei Gott, und die Vernunft war [selbst] göttlich. Diese Vernunft war im Anfang bei Gott. Alles ist durch sie geworden, und ohne sie wurde nicht Eines. Was geworden ist, in dem war sie Leben, und das Leben war das Licht der Menschen […]. Und die [göttliche] Vernunft wurde Fleisch und wohnte unter uns […].“

Für manche Teilnehmende war Söders erste These, dass das Christentum eine Vernunftreligion sei, durchaus überraschend.

„Brauchen Christen eine eigene Einladung, wenn der Planet brennt und in Flammen steht?“  (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

„Brauchen Christen eine eigene Einladung, wenn der Planet brennt und in Flammen steht?“  (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

Das „technokratische Paradigma“ ist eine Konsequenz des Christentums

Das „technokratische Paradigma“, das Söder als die „Wurzel der Zerstörung“ bezeichnete, sei die Überzeugung, dass der Mensch mit den Mitteln der Technologie die Natur so beherrsche, dass er sie beliebig ausbeuten könne. Diese Überzeugung habe zu der Katastrophe geführt, in der sich die Welt derzeit befinde.

In „Laudate Deum“, dem am 4. Oktober 2023 veröffentlichten Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus, bringe dieser „verzweifelt“ zum Ausdruck, dass seine Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ zwar freundlich zur Kenntnis genommen wurde, aber kein entsprechendes Handeln nach sich gezogen habe. Bis jetzt habe es noch nie ein päpstliches Schreiben gegeben, so Professor Söder, das so viele naturwissenschaftliche Begründungen für den Klimawandel zusammengetragen habe. Eine theologische Argumentation, wie vielleicht eher erwartet, sei darin nicht zu finden.

Nach genauer Forschung sei festzuhalten, dass das „technokratische Paradigma“ erstmals in der Mitte des 13. Jahrhunderts bei Albertus Magnus in seinem Werk „De caelo et mundo“ (Vom Kosmos und der Welt) auftauche. Mit Albertus Magnus habe die Wende zur naturwissenschaftlichen Wissenschaft begonnen, wobei man sagen müsse, dass Albertus Magnus zutiefst vom Gedanken durchdrungen war, dass in allen Rationalitätsstrukturen Göttlichkeit vorhanden sei.

"Es bleibt nur der Weg nach vorn, um durch eine universale Vernunftanstrengung, die nicht auf halbem Wege stehen bleiben darf, nach Auswegen zu suchen" (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

"Es bleibt nur der Weg nach vorn, um durch eine universale Vernunftanstrengung, die nicht auf halbem Wege stehen bleiben darf, nach Auswegen zu suchen" (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

Der französische Denker Descartes habe den Ansatz von Albertus Magnus noch radikalisiert. In seiner Schrift „Discours de la méthode“ formuliere er, dass es notwendig sei, „anstelle der theoretischen Denkweise eine praktische zu finden, durch die wir die Kraft und Wirkweise des Feuers, des Wassers, der Luft, der Gestirne, der Himmelsschalen und aller anderer Körper, die uns umgeben, erkennen […]. Wir könnten […] uns auf diese Weise zu Herren und Eigentümern der Natur … machen.

Eine universale Vernunftanstrengung, die nicht auf halbem Wege stehen bleiben darf

Aus diesen beiden Thesen folge, dass sich die Verantwortung der Christen nochmals ganz anders darstelle. Wenn klar werde, dass es das christliche Gedankengebäude war, das die Welt in diesen Schlamassel hineingeritten habe - so der Referent -, dann bleibe nur der Weg nach vorn, um durch eine universale Vernunftanstrengung, die nicht auf halbem Wege stehen bleiben dürfe, nach Auswegen zu suchen.

Die Vernunft, auf die es heute zur Rettung des Planeten ankomme, sei nicht die kalte Vernunft. Es sei eine Vernunft, die auf Wahrheit angelegt sei. Es käme immer darauf an, die ganze Wahrheit zu erkennen, nicht vorschnell mit ein paar Segmenten zufrieden zu sein, eben in der ganzen Schöpfung zu vernehmen, was der Gedanken Gottes sei. Sehr bestimmt erteilte Professor Söder der Esoterik als Hilfsmittel eine deutliche Absage: Es übersteige sein Denk- und Vorstellungsvermögen, dass die ökologische Katastrophe mit irrationalen Mitteln gestoppt werden könne. Er könne sich aber sehr gut vorstellen, dass dies gelingen könne, wenn Menschen die ganze Wahrheit, die Vernunft in den Blick nehmen würden.

Moderation: Dr. Volker Schmidt, Mainz (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

Moderation: Dr. Volker Schmidt, Mainz (Foto: Bildschirmfoto online-Konferenz)

Ausblick

Nach einer lebhaften Diskussion in fünf Breakout-Gruppen schloss der provokante und nachdenkenswerte Abend mit Beiträgen der Teilnehmenden in einem – wie manche Teilnehmende betonten – zu kurzen Plenum ab. Der zweite der fünf geplanten Themenabende findet am Donnerstag, den 2. November 2023 statt. „Demokratisches Handeln und Nachhaltigkeit anhand des Beispiels BDKJ“ ist das Thema, dem sich Gregor Podschun, hauptamtlicher BDKJ-Bundesvorsitzender widmen wird.

Weitere  Informationen

  • 2. Themenabend: Donnerstag, 02.11.2023, 18 – 19.30 Uhr
  • Anmeldung bei: Diakon Bernhard Brantzen. Mainz
    Mail: bernhard.brantzen@schoenstatt-diakone.de
    Mobil: +49 (0) 170 27 43231
  • Zugangslink: Der Zugangslink zum jeweiligen Themenabend wird kurz vor der Veranstaltung zugeschickt
  • Kosten: Die Teilnahme ist kostenfrei. Spenden zur Finanzierung der Studienabende sind erbeten auf das Konto: Josef-Kentenich-lnstitut, Stichwort: Studientagung Spiritualität der Ökologie, IBAN: DE63 7509 0300 0000 0528 25, BiC: GENODEF1M05
  • DOWNLOAD: Flyer (pdf)

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