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17. Oktober 2023 | Worte des Bewegungsleiters | 

Zuversicht – in den Rissen schaffst du Raum


Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Zuversicht wagen
„Deutschland leidet an einem historischen Mutmangel. Wir sind die Bundesrepublik der Verzagten, das Homeland der Desillusionierten“, wurde vor Kurzem in einem Kommentar zur Lage und zum Lebensgefühl unserer Gesellschaft formuliert. Und die weitere Beschreibung liest sich so: „Die deutsche Debatte ist geprägt von Verlustängsten. Rezession. Inflation. Deindustrialisierung. Schon die Überschriften der Zeitungen kündigen von einer alle Lebensbereiche erfassenden Mangelwirtschaft: Facharbeitermangel, Wassermangel, Vitaminmangel.“ (Quelle)

Der Autor hat auch einen Vergleich parat, wie alles besser sein könnte. „Der Blick nach Amerika zeigt, dass anderswo anders gefühlt, größer gedacht und lustvoll gewirtschaftet wird.“ Junge, innovative Firmengründungen finden neue Antworten auf das, was die Zeit heute braucht. „Der Vergleich fällt für uns bitter aus: Deutschland spielt in der Verteidigung. Sie spielen im Sturm. Deutschland ist nostalgisch, sie sind neugierig. Sie lieben jene Risiken, die wir hassen.“

Ja, Zuversicht wagen geht nicht, wenn man alle Risiken vermeiden will. Das Motto der „Nacht des Heiligtums“ (NdH) hat uns die Überschrift für unser neues Jahresmotto als Schönstatt-Bewegung gezeigt. Den jungen Akteuren der NdH war es wichtig, Risiko und Zuversicht zusammenzusehen: Risk it – zuverSICHT, lautete das Motto für die NdH.

Dass unsere Zeit von vielfältigen Brüchen und Rissen geprägt ist, ist überdeutlich. Wer jung ist und auf die Zukunft seines Lebens schaut, spürt, dass die ökologischen Erschütterungen, die kriegerischen, politischen Polarisierungen oder die Zwiespältigkeit technologischer Entwicklungen sich nicht einfach in Luft auflösen werden. Ein Grundgefühl von Unsicherheit dringt auch hinein in die persönlichen Lebensbereiche. Stabilität von Beziehungen, berufliche Sicherheit und selbst Fragen von Gesundheit und Altersvorsorge bewegen auch junge Menschen schon am Beginn der Ausbildung und bei der Berufswahl.

Ungewissheit gehörte schon immer zu den menschlichen Lebensbedingungen. Wir erleben aber eine Welt von Informationen und Berichten, die uns alles im Modus von Alarm und Aufregung präsentiert.

Auch der Raum der Spiritualität und des kirchlichen Lebens ist in diese Aufregung hineingezogen. Die Beschreibung von Problemen ist leicht und wirkt realistischer als das Zeugnis für ein grundlegendes geistliches Fundament. Die Quellen selbst für eine gläubige Einstellung zum Leben scheinen verdunkelt und werden angegriffen.

Bei der Delegiertentagung haben wir als Ausrichtung gefunden: „in den Rissen schaffst du Raum“. Wir dürfen und wollen nicht an den Rissen und Brüchen vorbeischauen. Wir glauben, dass durch das Liebesbündnis gerade auch diese zu Einbruchstellen der Gnade und zur Tür werden, durch die Gott uns die Wege in die Zukunft zeigt.

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Hoffnung, Erfahrung und Aufgabe

In unserem neuen Jahresmotto kommen Hoffnung, Erfahrung und Aufgabe zusammen.

„Mehr Zuversicht wagen“ geht nur, wenn man in die Bandbreite von guten und aufbauenden Erfahrungen und auch in die Realität der Grenzen und der Hilflosigkeit Zuversichtsressourcen wachhält. Es braucht eine neue Art, über das Leben zu reden und zu erzählen, die nicht herunterzieht. Eine Art, sich auszutauschen, die die Zuversichtspotentiale weckt, kann man lernen. Carsten Brosda, der Autor des Buches „Mehr Zuversicht wagen“ geht diesem Anliegen nach. Ein Reden – auch ein Sich-selber-in-den-eigenen-Gedanken-Einreden –, das in der Diskussion über Richtig und Falsch, Schwarz oder Weiß und im Polarisieren stecken bleibt, zerstört Kraft zur Veränderung und Gestaltung. Richtige Schritte sind möglich, auch wenn die volle Klarheit über Richtig und Falsch noch nicht erreicht ist. Gestaltungsschritte öffnen Räume.

Die Erinnerung an Fügungen und Führungen in unserer Gründungsgeschichte, selbst in Zeiten größter Schwierigkeiten, sind Quellen der Gestaltungskraft. Es geht darum, diese Führungsgeschichte weiterzuschreiben und weiterzugestalten. In der Dimension der Beiträge zum Liebesbündnis zeigt auch jeder kleine Schritt Handlungsfähigkeit und Gestaltungskraft.

Es wird sicher Situationen geben, in denen unser Motto mehr Hoffnung als Erfahrung ist. Es ist eine gläubige Hoffnung. Und es ist eine Hoffnung, in der wir uns gegenseitig bestärken. Ich nehme unser Motto auch als eine Verheißung und ein Versprechen der Gottesmutter. Im Lied des Magnifikat bringt sie gewaltige Risse mit der Zuversicht auf Gott zusammen. „Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut – er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen – die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen – er denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat“ (vgl. Lk 1,48-55).

Das Banner zum Jahresmotto: mit Gold reparierte Risse

Risse durchziehen das Design zum diesjährigen Jahresmotto. Im Raum dazwischen steht der Text des Jahresmottos. Das Motiv ist eine Vergrößerung von einer zerbrochenen und mit Gold reparierten Kugel. Kintsugi nennt sich diese alte japanische Kunst, bei der zerbrochenes Porzellan auf diese Weise wieder zusammengefügt wird. Ein solcher Teller oder Krug ist dann wegen seiner Brüche und Risse wertvoller und kunstvoller als zuvor.

Für mich steht diese Kugel einerseits für die ganze Welt als Globus mit Rissen, andererseits sehe ich auch meine eigene kleine Welt darin. Auch mein Alltag und mein Lebensraum kennt Risse und Scheitern. Diese kleine Welt ist mein Auftrag. Es braucht eine Beschäftigung damit. Es braucht Gestaltungswille und Ausprobieren, die getragen sind von der Zuversicht, dass uns die Gottesmutter in den Rissen begleitet und unser Gottvertrauen stärkt. Er ist es, der Raum schafft und den Raum der Zukunft in seinen Händen hält.

Uns allen wünsche ich ein zuversichtliches und wagemutiges Jahr:
„Zuversicht – in den Rissen schaffst du Raum!“

Viel Segen zum 18. Oktober, unserem Bündnis- und Gründungstag.

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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