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1. September 2023 | Worte des Bewegungsleiters | 

Miteinander Gott hören – Gebetsmomente


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Es gibt viele Gebetbücher und Gebetstexte. Zu allen Zeiten haben Menschen Worte und Ausdrucksformen gefunden, um Gott anzusprechen. Oft sind solche Gebete Einzelner zur Inspiration und zur Gebetshilfe für andere geworden. Gemeinsame Gebetstexte gehören zur Tradition aller Religionen. Die Psalmen sind Gebete, die auch Jesus gebetet hat. Beim Beten solcher Texte versucht man den Geist dieser Gebete in sich aufzunehmen und sich zu eigen zu machen. Man soll beim Beten „gesammelt sein“ und „andächtig beten“, sagt man dafür. Man sagt auch, dass wenn der Mund vorbetet das Herz mitbeten und das Leben nachbeten soll. Die innere Echtheit und Konsequenzen im Leben gehören zum Beten dazu.

Wir wissen aus unserer eigenen Erfahrung, dass zu einem solchen Beten auch ein gewisses Bemühen gehört. Bei aller Bemühung um gutes Beten und eine Gebetstreue im Alltag kann man tiefere Gebetserfahrungen nicht erzwingen.

Manchmal gibt es Gebetserfahrungen, die nichts mit dem Moment zu tun haben. Es sind gewissermaßen nachträgliche Gebetserfahrungen. Manchmal kann man erleben, dass Gott Gebete und Bitten anders und tiefer beantwortet, als man sich das selber vorgestellt hat.

Pater Josef Kentenich (Foto: Johannes M. Blank)

Pater Josef Kentenich (Foto: Johannes M. Blank)

Ein bekanntes Bild unseres Gründers. Ein besonderer Schnappschuss. Aufgenommen durch eine durch das Fenster gehaltene Kamera, ohne genau zu wissen, was sie einfängt. Ein Gebetsmoment im Urheiligtum in Schönstatt nach vielen Jahren in Milwaukee, in denen er nicht nach Schönstatt zurückdurfte. Was für ein Moment des Zurückblickens auf Jahre des Vertrauens, Jahre des Bittens, Jahre voller menschlicher Ungewissheit und gläubiger Zuversicht. Ein Heimkommen zu der Quelle des Liebesbündnisses mit der Gottesmutter. Ein persönlicher Moment für ihn und für alle, die mit ihm durch die Jahre gegangen sind.

Ein Rückblick, der zur Quelle für die Zukunft wird

Wenn ich an den September 2018 in Schönstatt denke, gehen mir solche Gedanken durch den Kopf. Unsere Gründernacht als deutsche Schönstatt-Bewegung als Auftakt für den 50. Todestag unseres Gründers und die internationale Feier selbst. Verschiedene Vertreter unserer Bewegung kamen zu Wort: Diözesen, Zentren, Gemeinschaften, Zentrale, alte und kranke Mitglieder ebenso wie die junge Generation und Projekte. Alle Beiträge waren geprägt von einem Wahrnehmen der Herausforderungen, in denen wir uns erleben. Ernst und engagiert und doch war alles getragen von einer Bereitschaft zu einem Neuanfang im Heiligen Geist. Als symbolischer Ausdruck wurde dafür in der festlichen internationalen Feier das Pfingstfenster in der Gründerkapelle enthüllt. An unseren Gründer haben wir in dem Gebet die Worte gerichtet: „Deine Gotteserfahrung schenkt uns Zuversicht. Dein Glaube an den barmherzigen Vatergott ist für uns Ermutigung und Botschaft.“ Wir waren uns bewusst, dass Neuanfang im Heiligen Geist verbunden ist mit der Gotteserfahrung und Sendung unseres Gründers. In welche Erschütterungen uns dann die Corona-Jahre, die kirchlichen Entwicklungen und auch die Anfragen um unseren Gründer hineinführen würden, das haben wir bei dem Wort Neuanfang nicht mitgedacht.

Er selbst vergleicht die Zeit, in der wir stehen, mit der Arbeit eines Steinmetzes, der jeden einzelnen Stein in die Hand nimmt und mit einem Hämmerchen abklopft, ob er passt und ob er keine Risse hat. So ist unsere Situation. Die Verhältnisse – oder direkter gesagt Gott in den Verhältnissen und durch die Verhältnisse – sind so, dass alle für selbstverständlich gehaltenen Realitäten abgeklopft werden auf ihre Tragfähigkeit. Auch das, wo wir die Sendung unseres Gründers sehen, steht auf dem Prüfstand. Es geht um das Ineinander von menschlich-geistlichen, natürlich-übernatürlichen Erfahrungen und Bindungen. Wenn so eine Erfahrung gelingt, ist das dann ein seltener Glücksfall oder ist es der Weg, den Gott in seiner Schöpfung vorgesehen hat und mit seiner Gnade unterstützt? Ja, vielleicht will er es in seiner göttlichen Freiheit als ein Charisma schenken. Sein eigener Lebensweg hat unserem Gründer diese Erfahrung geschenkt, und immer wieder hat er diesen Baustein Schönstatt abgeklopft und überprüft. Er wusste, wie gefährlich es ist, wenn Menschen sich an die Stelle Gottes stellen. Menschliche Liebe öffnet dann nicht die Tür zur Gotteserfahrung, sondern vergiftet und zerstört sie. Gleichzeitig hatte er ein tiefes Gespür dafür, wie innerlich verunsichert und unverankert die Menschen in der kommenden Zeit ihren Weg finden müssen. An die Stelle echter Beziehungen tritt eine Überfülle medialer Bilder, frühe Verlusterfahrungen und zerbrochene Beziehungsnetze und ein Grundgefühl, dass nichts wirklich ist und dass ein göttliches Gegenüber, ein ewiges Du, das wirklich voller Liebe mein Leben trägt, auf jeden Fall nur eine Denkmöglichkeit ist und nicht mehr. Die Entwirklichung Gottes braucht eine Antwort, eine von unten wachsende Erfahrung.

Maria „Waage der Welt“

Der Theologe Prof. Karl Rahner sagte es einmal so: „Wir sind als Theologen immer geneigt, aus dem Glauben an Jesus Christus eine Idee zu machen. Und Ideen brauchen keine Mütter.“ Aber in unserem christlichen Glauben geht es um die Menschwerdung des Sohnes Gottes. Es geht um Inkarnation, um Fleischwerdung. Es geht um den göttlichen Glanz auf dem Antlitz menschlicher Liebe. Dabei ist es nicht wichtig, ob wir dafür schöne Worte finden. Viel wichtiger ist es, ob wir in unserem Leben Begegnungen gelebt und erlebt haben, von denen wir mit Gewissheit sagen: Er hat mich geliebt – Sie hat mich geliebt – Du hast mich geliebt“ und ebenso wichtig, dass auch ich sage: „Ich habe geliebt“. Gott sei Dank ist eine solche Liebe nicht perfekt, sondern konkret. In jeder konkreten und wirklichen Liebe gehören Erfüllung und Enttäuschung zusammen. Es gibt keinen enttäuschungsfreien Weg mit einem wirklichen Menschen. Es gibt auch keinen enttäuschungsfreien Weg mit Gott. Pater Kentenich hat die Gottesmutter Maria gerne als Waage der Welt bezeichnet „die durch ihr Sein und ihre Sendung“ unsere Lebensherausforderung im Gleichgewicht hält. Die göttliche Erlösungsgnade Christi und die Annahme und Verwirklichung der Erlösung kommen in ihr zusammen. Sie zeigt so die Ganzheit des Erlösungshandelns Gottes. Das Geschenk der Gnade Gottes bleibt nicht nur Möglichkeit. In Maria ist sie zum Ziel gekommen. Die ganze Fülle Christi zeigt sich in dem, was sie in Maria bewirkt.

Der Todestag unseres Gründers, der 15. September, erinnert uns an das Fest der Schmerzen Mariens. Auch das gehört zur Ganzheit ihres Mitgehens mit Jesus. Sie gehört auch zu jedem, der den Ruf zur Nachfolge Jesu hört und annimmt.

Bei unseren Gebeten in der Gründernacht 2018 stand das nicht im Vordergrund. Ich glaube, wenn wir den Stein seines Charismas abklopfen, wird uns heute die Herausforderung bewusster, die mit seiner Sendung und seinem Charisma verbunden ist. Ich glaube aber auch, dass wir dann den Stein in der Hand haben, mit dem wir sein Schönstatt in die Zukunft weiterbauen können.

Ich wünsche uns allen viel Segen und Zuversicht zum 15. September,

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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