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10. Oktober 2023 | Inspiration | 

Serie zur Schöpfungszeit 2023 – Die ökologische Umkehr ist im Wesentlichen spiritueller Natur


Blühende Sommerblumen (Foto: Léonard Cotte, unsplash.com)

Blühende Sommerblumen (Foto: Léonard Cotte, unsplash.com)

Zur Schöpfungszeit, die weltweit vom 1. September bis 4. Oktober ökumenisch begangen wurde, hat Dr. Alicja Kostka, Schönstatt-Frauenbund, die dreiteilige Serie „Schöpfungszeit-Impuls mit Gertraud von Bullion“ konzipiert, deren letzter Teil heute bei schoenstatt.de veröffentlicht wird. Dieser dritte Teil, der sich auch auf das am 5. Oktober von Papst Franziskus veröffentlichte Schreiben „Laudate Deum“ bezieht, will wiederum einladen, zusammen mit Gertraud von Bullion, der Mitbegründerin der Schönstatt-Frauenbewegung, über den eigenen Zugang zur Natur nachzudenken und mögliche persönliche Entscheidungen zu treffen.

Schöpfungszeit-Impuls mit Gertraud von Bullion (III)

Dr. Alicja Kostka. Am 5. Oktober 2023 waren in den vatikanischen Gärten bei der Pressekonferenz zur Präsentation des neuen päpstlichen Schreibens zum Handlungsfeld Umweltschutz Laudate Deum mehrere Klimaaktivisten mit ihren Statements präsent oder per Livestream dazu geschaltet.

Yann Arthus-Bertrand (MEDEF, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons)

Yann Arthus-Bertrand (MEDEF, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Unter ihnen auch der französische Fotograf, Journalist, Reporter und Umweltschützer Yann Arthus-Bertrand (*1946 in Paris). Bertrand versteht sich als Beobachter der Natur, der in seinen Werken Zeugnis von der Schönheit der Welt ablegen will, von einer Schönheit, die der Sorge aller Menschen bedürfe. Eines seiner bekanntesten Projekte ist das 1993 von der UNESCO geförderte Projekt Earth from above und der daraus folgende Film: „Die Erde von oben“, der eine fotografische und filmische Inventur der Erde darstellt.

Seinen Beitrag mit den beeindruckenden Aufnahmen der Natur hat er mit dem Satz beendet: „Die ökologische Umkehr wird nicht nur auf der politischen oder wirtschaftlichen Ebene stattfinden, sondern sie ist im Wesentlichen spiritueller Natur“.

Beeindruckende Aufnahmen zeichen "Die Erde von oben" (Foto: Videoausschnitt)

Beeindruckende Aufnahmen von Yann Arthus-Bertrand zeigen "Die Erde von oben" (Foto: Videoausschnitt)

Tatsächlich stellt das neue Schreiben von Papst Franziskus einen dringlichen Appel zur ökologischen Umkehr dar angesichts der nicht mehr zu leugnenden, ja sogar sich in letzten Jahren offenbar verschärfenden Umweltkriese. Franziskus wendet sich entschieden gegen das „Lächerlich-Machen“ dieser Krise und spricht sich gegen jegliche Art von Leugnung der offensichtlichen Tatsachen aus. Weil die Umweltkriese jede und jeden Menschen betreffe, sei es auch in der Verantwortung jedes Menschen den Entwicklungen entgegen zu wirken. Alle hätten die Macht und die Pflicht konkrete Entscheidungen in ihrem Alltagsleben zu treffen, z.B. die Einschränkung ihres Konsums, ein solidarischer Blick auf die Bedürftigen oder eine befreiende Genügsamkeit.

Luisa Neubauer bei der Pressekonferenz in den vatikanischen Gärten (Videoausschnitt: VatikanNews)

Luisa Neubauer bei der Pressekonferenz in den vatikanischen Gärten (Videoausschnitt: VatikanNews)

Im Umkreis der Konferenz hat Papst Franziskus ausdrücklich dem Einsatz von Engagierten in der Klimabewegung den Rücken gestärkt. Gegenüber Luisa Neubauer, die in Deutschland eine der Hauptorganisatorinnen des von Greta Thunberg inspirierten Schulstreiks „Fridays for Future“ ist, äußerte er: „The future belongs to ´diese junge Leute`“. Neben Bertrand und Neubauer sprachen einem Artikel von vaticannews.va u.a. auch der italienische Physik-Nobelpreisträger Giorgio Parisi, die indische Globalisierungskritikerin Vandana Shiva und der italienische Gastronom Carlo Petrini, Gründer der Bewegung Slow Food.“ (Link: vatikan-news)

Gertraud von Bullion (links) mit Mitschwestern (Foto: Archiv gertraud-von-bullion.org)

Gertraud von Bullion (links) mit Mitschwestern (Foto: Archiv gertraud-von-bullion.org)

Ganz leer werden für etwas Neues: Gott wirkt gern im leeren Raum

Müssen wir erst ganz leer werden, damit Gott neu mit seiner Gnade kommen kann? Müssen wir an einen Null-Punkt kommen, bis wir merken, so geht es nicht mehr weiter? Gott kommt gern in den leeren Raum, in die Hilflosigkeit, so ein Prinzip des spirituellen Lebens. Das beobachtet auch Gertraud von Bullion, die diesen Vorgang an der herbstlichen Natur abgelesen hat

Impuls von Gertraud von Bullion aus der Beobachtung der Natur

Aus ihrer Kur in Kronberg – Gertraud war Lungenpatientin; sie hatte sich als Volontärin und Rotkreuzschwester im ersten Weltkrieg mit Tuberkulose infiziert – schreibt sie an ihre „Mitschwestern im Liebesbündnis“ im November 1928 folgende Beobachtung, die gleichsam diesen spirituellen Vorgang wiederspiegelt:

Still und einsam war es während meiner morgendlichen Spaziergänge, von Tag zu Tag ragten die Bäume kahler zum Himmel. Zu meinen Füßen wirbelten im letzten Tanz die Blätter bunt und golden – je nachdem. – Da war mir die Ewigkeit so nahe, und wie fallende, bunte Herbstblätter erschien mir das Geschehen der Welt. Die Seele aber ist der Baum, dessen innere, geheimnisvolle Lebenssäfte und Kräfte sich immer mehr in die Wurzel, auf ihren Ursprung zurückziehen. –

Mit Schnee "gezuckerter" Baum im Winter (Foto: ksehling, pixabay)

Mit Schnee "gezuckerter" Baum im Winter (Foto: ksehling, pixabay)

„Kahlwerden“ als Vorbedingung für das Wirken Gottes

Im Bunde [gemeint ist ihre Gemeinschaft von Frauen in der Schönstatt-Bewegung, Anm. d. Red.] streben wir nach der größtmöglichen Standesvollkommenheit. Für uns Frauen bedeutet dies eine möglichst vollkommene Selbstlosigkeit – ein "Kahl-Werden" vom Ich, ein Weggeben auch von der letzten Anhänglichkeit. Das ist schwer, ja es bedarf dazu der Novemberstürme und der kalten Nachtfröste, und die Menschen ziehen sich zurück, weil ihre Augen nichts greifbar Schönes und Wertvolles an uns mehr sehen. Das tut weh – aber wenn wir den Mut haben zu fragen: Was nützt mir die Anhänglichkeit an irdische Dinge, was nützt mir der Menschen Urteil und Gunst für die Ewigkeit – dann freuen wir uns um jedes Blatt – jedes Ding – das der Novembersturm von unsern Ästen reißt, damit wir uns mehr und mehr auf Gott, unsern Ursprung, unseres Daseins Wurzel konzentrieren und besinnen.

Das Gesetz des Weizenkörnleins (vgl. Joh 12, 24)

Vielleicht geht es Euch bei diesem Gedanken wie Clara [Effelberger, Anm. d. Red.], die meinte, so ein kahler Baum wäre doch nichts Schönes und für die Menschen auch nichts Erfreuliches und Nützliches. Das mag wohl stimmen, wenn wir bloß mit rein natürlichen Augen die Dinge betrachten und rein menschlich denken. Der liebe Gott und seine Heiligen, die seine Gedanken wohl am richtigsten nachgedacht haben, sind anderer Meinung. Im Evangelium lesen wir Jesu Wort vom Weizenkörnlein, das im Schoß der dunklen Erde erst sterben – erst vergehen muss, um Frucht zu bringen, Nutzen schaffen zu können. Und ein Ausspruch des ehrwürdigen Vinzenz Pallotti macht uns auch nachdenklich. Er sagt einmal: Ehe wir nicht arm und krank und in den Augen der Welt närrisch sind, eher kann uns Gott nicht für seine Zwecke gebrauchen. Also, Schwestern, das heißt doch nur: Ehe wir nicht ganz nutzlos sind in den Augen der Welt, kann uns Gott nicht brauchen. Kahle Bäume zu werden, werden zu wollen, ist also kein Unding. Wir wollen doch Werkzeuge sein, die Gott, die die liebe Gottesmutter gebrauchen können. – Kahle Bäume – ob es nicht schwer ist, nichts mehr zu haben zum Schenken und Geben an andere? Ob es nicht viel innere Demut verlangt, diese geistige Armut anzuerkennen und damit zufrieden zu sein?

Wie ein Zweiglein mit Schneeflöckchen – so die Seele mit der Gnade bedenkt

Aber, Schwestern, lange währt unsere Kahlheit nicht. Eines Nachts beginnt es leise zu schneien. Flöckchen um Flöckchen sinkt nieder, ungezählte Mengen, und das starre, harte Schwarz der Äste und Zweige verschwindet unter der Last des Schnees. – Als ich seinerzeit im Schwarzwald war, hatte ich vorn an der Liegehalle ein Tannenästchen angebracht. Eines Morgens fielen die Schneeflocken drauf, und ich konnte beobachten, wie von Viertelstunde zu Viertelstunde das Zweiglein sich beugte und wie immer mehr Flocken darauf niederfielen. Es war kaum zu begreifen, wie dies schwache Ästlein eine Schneelast von mindestens 15 Zentimetern Höhe zu tragen vermochte. Damals erfasste mich gar übermächtig der Gedanke an die von der Gnade überschüttete Seele. Und unwillkürlich muss ich dies Bild mit jenem der kahlen Bäume verbinden. Unhörbar senkt sich die Gnade nunmehr herab, und sie allein bildet jetzt den blendenden Schmuck der Seele. – Wenn nun die Menschen in Rufe des Entzückens ausbrechen, den Baum in Freuden betrachten und bewundern, so ist es der Schnee und nicht der Baum, den sie bewundern. So möge es auch einmal bei uns werden: Das Gnadenwirken mögen die Menschen, die dafür Sinn haben, an uns bewundern – wir selbst, unsere Kahlheit und Nacktheit verschwinden dann mehr und mehr unter der überfließenden Güte Gottes!

"Die Welt singt uns eine unendliche Liebe, warum sich um diese Welt nicht kümmern?" Papst Franziskus in Laudato Si

Alicja Kostka

Mehr Informationen

Erste Folge der Serie "Die Erde von oben" (2006-2010) von Yann Arthus-Bertrand. (Bei youtube: https://www.youtube.com/watch?v=CIQBWL5_Sac)


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