Nachrichten

29. September 2023 | Inspiration | 

Serie zur Schöpfungszeit 2023 – Ein neuer Zugang zur Natur: Entschleunigung als Chance


Blühende Sommerblumen (Foto: Léonard Cotte, unsplash.com)

Blühende Sommerblumen (Foto: Léonard Cotte, unsplash.com)

Die Schöpfungszeit, die weltweit vom 1. September bis 4. Oktober ökumenisch begangen wird, geht bald zu Ende. Am 4. Oktober, dem Fest des hl. Franziskus verabschieden wir uns von der diesjährigen Season of Creation und werden gleichsam in eine vertiefte Sorge um unser gemeinsames Haus gesandt. Ein starkes Zeichen dabei wird das neue Schreiben von Papst Franziskus sein, „Laudate Deum“, das ausgerechnet an dem Tag veröffentlicht wird. Dr. Alicja Kostka, Schönstatt-Frauenbund, wird auch in diesem zweiten Teil der Serie zur Schöpfungszeit 2023 Anregungen der Mitbegründerin der Schönstatt-Frauenbewegung, Gertraud von Bullion, aufgreifen und mit ihr zusammen zu Gebet und Handeln und zum Nachdenken über den eigenen Zugang zur Natur einladen.

Schöpfungszeit-Impuls mit Gertraud von Bullion (II)

Dr. Alicja Kostka. „Laudate Deum“, die neue Exhortation von Papst Franziskus, im Vorfeld schon als „Laudato Si` II“ bezeichnet, soll eine Aktualisierung der Enzyklika "Laudato Si`" von 2015 sein und noch expliziter auf die Herausforderungen der sich verschärfenden Klimakrise eingehen. Gespannt warten wir auf die neuen Impulse auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Ökologie, deren Erarbeitung und Gestaltung unser aller Aufgabe ist.

Reiche Ernte (Foto: mordo bilman, unsplash)

Reiche Ernte (Foto: mordo bilman, unsplash)

In vielen Kirchen schmücken derzeit die Erntefrüchte die Altäre, der Spätsommer verzaubert jeden Winkel. Die ideale Zeit für das Wandern, Radfahren und Entschleunigen. Gerade dieses Entschleunigen ist wichtig, um den eigenen Zugang zur Natur zu finden und zu entfalten: sich der Natur und der Kommunikation mit ihr zu stellen. Das braucht Zeit und im Optimalfall auch mehr Stille, um die Sprache der Natur persönlich wahrzunehmen.

Entschleunigung als Raum der Resonanz

Die Pandemie und die von ihr erzwungene Isolation, hat global eine Entschleunigung auf mehreren Ebenen verursacht, wie sie der Soziologe Hartmut Rosa diagnostiziert und untersucht, und als Chance für die weitere Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens der Gesellschaften sieht. Dabei geht es bei der Entschleunigung nicht so sehr um „Langsamkeit“, sondern um eine neue Beziehung zur Welt, die Rosa mit „Resonanz“ beschreibt:

„In diesem Zustand versucht der Mensch nicht, die Dinge zu kontrollieren und schnell und effizient zu handhaben. Viel mehr lässt er sich von Begegnungen mit Anderen, von Orten, von Musik, von Natur berühren und erlaubt diesen, etwas in ihm zu Schwingen zu bringen.“ (K. Heise).

Gerade darum geht es bei der Entschleunigung. Um eine Resonanz mit der Umgebung, mit den Menschen und Dingen, die etwas in uns zum Schwingen bringen.

Als Folge der immer mehr wahrnehmbaren Klimakriese haben wir bemerkt: wir sind ein organischer Teil der Natur, die nicht grenzenlos und ohne Folgen ausgebeutet werden kann. Dies ist auch eine Resonanz, wenn auch dramatischer Art. Die Natur kommuniziert, ja: sie schreit sogar, so der Papst. Wir sind ein organisches Ganzes, miteinander und untereinander verbunden. Den Preis für den Verlust des Gleichgewichts zahlen wir alle als Bewohner des gemeinsamen Hauses.

Viele Wege der Entschleunigung

Bei Gertraud von Bullion (1891-1930) hat ihre Lungenkrankheit eine Entschleunigung erzwungen. Mit Tuberkulose in ihrem freiwilligen Dienst im Krieg infiziert, hatte sie Gelegenheit, in mehreren Liegekuren sich der Natur zu stellen, sie intensiver in sich wahrzunehmen. Damit begann eine Kommunikation, die eine inhärente Verbundenheit zwischen dem Menschen und der Schöpfung zur Sprache brachte. Übrigens, dies war das Motto des letzten Season of Creation, 2022: „Auf die Sprache der Natur zu hören.“ Die Natur spricht, resoniert, kommuniziert, wenn sie auf einen mitschwingenden Körper trifft.

Blühender Birnbaum im Frühling (Foto: jhenning, pixabay)

Blühender Birnbaum im Frühling (Foto: jhenning, pixabay)

Wenn die Sprache der Natur zum Gebet wird

Hier ein Beispiel einer solchen Kommunikation, wie die Sprache der Natur zur Sprache des Herzens und zum Gebet werden kann: „Wenn ich im Frühling einen blühenden Baum sehe, muss ich immer an eine Seele denken, die im Brautschmuck der Gnade steht, und aus dem Herzen steigt jedes Mal die Bitte: Herr, lass auch meine Seele übersät sein mit Blüten, die die Liebe hervorbringt. Denn wenn Bäume blühen, lieben sie – und wenn eine Seele liebt, blüht sie in den Augen Gottes herrlicher als ein mit Blütenschnee überladener Birnbaum. Wie viele Blüten aber muss ein Baum treiben, um nur einige Früchte zu tragen? Wie oft muss sich unser Herz zum Schwur der Liebe erheben, bis ihm die Kraft zur Opferfrucht wird? Viele Blüten muss ein Baum tragen, bis er eine Frucht zeitigt, viel Liebe muss in einer Seele glühen, bis sie zum Opfern fähig ist.“ (Gertraud von Bullion)

Gertraud von Bullion in jungen Jahren (Foto: Archiv, Schönstatt Frauenbund)

Gertraud von Bullion in jungen Jahren (Foto: Archiv, Schönstatt Frauenbund)

Den symbolischen Wert des Geschöpflichen entdecken

Ein demütiger Realismus spricht aus diesen Worten, ein Realismus, der aus den Vorgängen der Natur abgelesen ist. Josef Kentenich hat diese Art der Wahrnehmung mit dem symbolischen Denken bezeichnet. Der Eigenwert konkreter geschöpflichen Realität, z.B. die Blüte, das Obst, verweist auf eine höhere Realität und entschleiert somit ihren Symbolwert. Führt empor, führt weiter. Somit haben für ihn alle Dinge einen „prophetischen Charakter“.

Gerade der Frau hat Josef Kentenich diese Fähigkeit des symbolischen Denkens stärker zugeschrieben. Es gibt Zeugnisse, die belegen, dass Josef Kentenich die Natur der Frau aus der Beobachtung vieler „gesunder“ Frauen beschrieben hat, die ihm begegnet sind. Diese Natur war somit nicht ein ideologisch konstruiertes Bild. Unter den Frauen war wohl auch, laut Aussagen der Zeitzeugen, die erste Frau der Bewegung, Gertraud von Bullion, die für den Gründer als Türöffnerin der Frauenbewegung galt.

Die Wahrnehmung der kommunizierenden Natur hat das Herz und die Gedanken Gertrauds emporgehoben zum Urheber dieser Wirklichkeiten; auch ein organischer Vorgang. Sie schreibt: „Jeder Spaziergang wurde mir fast zum Gebet, sei es, dass wir unter den bräutlich blühenden Obstbäumen dahinschritten oder zu den jungfräulich frischen Buchenwäldern hinanstiegen. Die Frühlingspracht riss mein Herz empor zur ewigen, unvergänglichen Schönheit. In solchen Stunden erfüllt Dankbarkeit mein Herz, dass ich um die Existenz Gottes – unseres Vaters – weiß, dass ich seine Nähe fühlen darf.“(Gertraud von Bullion)

Alicja Kostka

 


Top