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Christine Praetorius: Beziehungs-Not
(Foto: Marc A. Sporys, unsplash.com)
Kommentar der Woche:
Beziehungs-Not
Christine Praetorius | Karlstein am Main (Foto: basis-online.net)
Christine Praetorius
Beziehungs-Not
19.07.2023
Wollen Sie Anteil nehmen? Hinhören auf Zeiten-Nöte von Menschen? Die Nöte der Menschen in der Praxis sind immer Beziehungsnöte: zu Partnern, Vorgesetzten, Familie, Freundeskreis, letztlich zu sich selbst.
Es ist aber schon heftig, was ich da zu hören bekomme aus der Kindheit der Patienten: von sexuellem Missbrauch, verschiedensten körperlichen und seelischen Misshandlungen, von suchtkranken Eltern, gewalttätigen Eltern, Suiziden in Familien, von wüsten Streitereien zwischen Eltern, Verlust eines Elternteils durch Tod, Scheidung, Trennung, von Demütigungen des Kindes, von Bestrafungen durch tagelanges Schweigen, Schreiereien mit dem Kind, Schlägen – die Reaktionen sind vielfältig.
Tatsächlich gibt es immer mehr sexuelle Probleme, Beziehungsprobleme, mehr Depressionen, selbstzerstörerische Tendenzen wie Sucht, Ritzen und Magersucht; Burnout, Angst und Zwangserkrankungen bei jungen Menschen. Diese Verschiebung in jüngere Lebensalter, das frühe Einsetzen psychisch massiver Erkrankung, erlebe ich als langjährig praktizierende Therapeutin.
Auffallend ist, dass immer mehr junge Erwachsene, meist schon unter Medikamenten stehend, zur Behandlung kommen. Es fehlt an positiven Beziehungen. Menschlichen Beziehungen. In Altenheimen gibt es bereits Pflegeroboter und Hunderoboter mit Herzschlag und Fell. Dann lese ich in der Zeitschrift für Psychotherapeuten, dass Behandlungen bei sexuellen Störungen mit menschenähnlichen Sexrobotern auf dem Vormarsch, und auch schon im Einsatz sind. Und bei einem Ärzteforum wird nüchtern erläutert, dass bei sexueller Dysfunktion immer mehr Medikamente, auch für die Frau, für Abhilfe sorgen.
Braucht es da Maschinen und viele Medikamente? Es braucht vor allem menschliche Nähe, Mitgehen durch das Leid und die Perspektive auf den Einen, der alles Leid kennt und jeden einzelnen Menschen unendlich liebt. Und wenn ich da anbiete: „Darf ich für Sie beten? Für Sie beten lassen?“, hat bisher jeder, jeder Atheist, Agnostiger und Andersgläubige „Ja“ gesagt. Und Jesus lächelt an dem Kreuz hinter meinem Rücken, hinter meinem Praxisstuhl.
Christine Praetorius, Karlstein am Main
Psychologische Psychotherapeutin