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1. Juli 2023 | Worte des Bewegungsleiters | 

Im Gast Christus begegnen


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Am 11. Juli ist der Gedenktag des heiligen Benedikt von Nursia. Für das Abendland gilt er als der Vater des Mönchtums. Manche Gedanken seiner Klosterregel sind weit über die Mauern der Klöster hinaus zu Impulsen für unsere alltägliche Spiritualität geworden. Die Ausgewogenheit von Beten und Arbeiten ist sogar mit der lateinischen Formulierung bekannt geworden: „Ora et labora – Bete und arbeite“.

Für die frühen Stammeskulturen war die Kultivierung von Gastfreundschaft zum Überleben notwendig. Menschen, die unterwegs waren, waren darauf angewiesen, dass ihnen die anderen nicht feindlich begegnen. Ein sicheres Nachtlager gewähren und Nahrung anbieten war mehr als Freundlichkeit. „Das Vertrauen und die Zuwendung, die einem Besucher bei seiner Beherbergung, Bewirtung und Unterhaltung entgegengebracht werden, fallen auf die Gastgeber zurück und erfüllen auch sie. Wir Menschen leben von Beziehungen“, schreiben Claudia und Heinrich Brehm im Ehe-Newsletter vom Juni*. Jesus war oft zu Gast. Für manche war es eine Ehre und interessant, ihn einzuladen. Die Familie um Lazarus und Martha und Maria war für ihn ein besonders freundschaftlicher Besuchskontakt.

Es ist nicht verwunderlich, dass in der Frühzeit der christlichen Gemeinden die Begegnung mit anderen auch eine religiöse Freude war. „Hast du deinen Bruder gesehen, dann hast du Christus gesehen“, heißt es bei den Kirchenvätern. In der Mehrheit der heidnischen Umgebung einen anderen zu treffen, der auch an Christus glaubt, war mehr als eine Bestärkung und eine Erinnerung. Christus selbst, der auferstandene Herr, ist gegenwärtig in jeder Schwester und jedem Bruder des neuen Volk Gottes. Einerseits sind die christlichen Gottesdienste in den Häusern Orte der Begegnung, andererseits kann in jeder menschlichen Begegnung eine göttliche Nähe spürbar werden. „Ich war krank und ihr habt mich besucht“, macht Jesus seinen Jüngern deutlich (Mt 25,36).

Der heilige Benedikt hat in seiner Regel ein eigenes Kapitel dazu (Nr. 53), damit die Gastfreundschaft nicht zu kurz kommt. Dort heißt es: „Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus. ... Allen erweise man die angemessene Ehre, besonders den Brüdern im Glauben und den Pilgern. ... Vor allem bei der Aufnahme von Armen und Fremden zeige man Eifer und Sorge, denn besonders in ihnen wird Christus aufgenommen.“

Besuche empfangen und selbst Besuche machen, ist immer ein Schritt von sich weg. Wie es genau verlaufen wird, weiß man vorher nicht. Es kann lustig oder ernst werden, es kann Begeisterung wecken oder mich nachdenklich werden lassen. So oder so kann es zu einem Anstoß werden, durch den etwas Neues in mein Leben und in meine Gedanken hineinkommt.

Miteinander Gott hören – ganz ohne Vorplanung und Absicht

Vielleicht sind Besuche die einfachste Verwirklichung unseres Jahresmottos. Platz für eine Begegnung im Tagesplan schaffen, ist schon ein Schritt zur inneren Offenheit. Ich erinnere mich an den Pfarrer meiner Heimatgemeinde, als ich noch Kind und Jugendlicher war. Es gab über ihn verschiedene Meinungen und Kommentare, wenn es um sein Organisieren und Gestalten oder um seine Kommunikation und seine Predigten ging. Was aber dann immer wieder als beeindruckend und mit echtem Respekt hervorgehoben wurde, war sein unermüdliches Engagement, Hausbesuche zu machen. Ein Straßenzug nach dem anderen war dran und er klingelte an den Häusern und fragte, wie es geht; egal, ob da bekannte oder unbekannte Personen öffneten.

Frau am Telefon (Foto: Hebi B., pixabay)

(Foto: Hebi B., pixabay)

Gelegentlich wird auch ein Telefonat zu einem Besuch. Über die Klärung praktischer Anliegen hinaus kommt man ins Reden. Bei jüngeren Menschen erlebe ich eine zunehmende Vorsicht mit Anrufen. Bevor man sozusagen technisch „an die Tür klopft“ und erwartet, dass der andere aufmacht, schreibt man erst eine kurze Textnachricht, ob man dann oder dann anrufen könnte. Mir fällt es gar nicht leicht, solche Textnachrichten immer aktuell im Blick zu haben. Vielleicht sind sie ein Ausdruck davon, dass man gerade im Umgang mit Kontakten Offenheit und Freiheit signalisieren möchte.

Besuche machen kann auch als aufdringlich oder anstrengend erlebt werden. Es braucht schon eine gewisse Sensibilität. Jetzt ist Urlaubszeit und das ist meistens ein ganz akzeptierter Ansatzpunkt, „sich mal wieder sehen zu lassen“.

Ohne ungeplante Begegnungen und eine unkomplizierte Offenheit geht uns jedenfalls ein wichtiger Baustein einer Begegnungs- und Bündniskultur verloren.

Viel Aufwand für wenig greifbare Ergebnisse?

Immer wieder staune ich, wenn von den kleinen und großen Besuchsreisen Pater Kentenichs erzählt wird. Eine Zugfahrt von Schönstatt in den Süden Deutschlands war ihm nicht zu viel, um einen Priester zu besuchen, der in einer schwierigen Situation war. Und nach seiner KZ-Gefangenschaft unternahm er Weltreisen, um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu besuchen, zu denen der Kontakt in der Kriegszeit schwierig war. Henry Nouwen, der bekannte Autor verschiedener geistlicher Bücher, hat einmal einen Mitbruder in Japan besucht, der in einer tiefen Berufungskrise steckte. Er wollte ihm nahe sein und als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Als Erklärung sagte er dazu, dass er überzeugt sei, dass heute ein solcher Einsatz für eine geistliche Berufung angemessen sei.

Auch wenn Besuche eher ein Klima des Lockeren und des Nicht-unbedingt-Nötigen haben, geht es dabei nicht um etwas Oberflächliches. Begegnungen im Klima von Freiheit und Wertschätzung, von echt-menschlichem Interesse und geistlicher Offenheit sind die Art von Raum, in denen Freiheit, Lebensbejahung und Glaubenserfahrungen wachsen können. „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt“, heißt es im Hebräerbrief (13,2). Die Durchsichtigkeit auf die geistliche Wirklichkeit macht den Reichtum einer Begegnungs-Bündnis-Kultur aus.

Das Projekt der Pilgernden Gottesmutter ist das große pastorale Besuchsprojekt der Schönstatt-Bewegung. Wenn man mit Kreisleiterinnen und Kreisleitern dieser Pilgerkreise ins Gespräch kommt, dann kann man nur staunen, von welchen Besuchs- und Begegnungserfahrungen sie berichten können. Aus der Bereitschaft, die Gottesmutter und Jesus aufzunehmen, indem man dem Bild für ein paar Tage einen schönen Platz mitten im Alltagsleben bereitet, werden echte Erfahrungen von göttlichem Segen. „Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden“, können viele für sich bezeugen. So wie es Jesus bei seinem Besuch dem Zöllner Zachäus zuspricht (Lk 19,9).

Viele von uns haben das Marienbild von Schönstatt in ihren Häusern. Das, was immer da ist, wird irgendwann selbstverständlich und kann etwas Äußerliches werden. Der monatliche immer neue Besuch, wenn das Bild gebracht oder weitergetragen wird, hält den Moment der Begegnung lebendig. Und das macht das Projekt der Pilgernden Gottesmutter so schön und fruchtbar.

Ich wünsche Ihnen für die kommende Zeit viele Gelegenheiten, Besuche zu empfangen oder selbst eine Initiative zu ergreifen.

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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