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28. Juni 2023 | Deutschland | 

Christine Lieberknecht: Wahlsieg AfD – Was nun?


(Foto: Ulleo , Pexels)

(Foto: George Pak, Pexels)

Kommentar der Woche:

Wahlsieg AfD – Was nun?

Christine Lieberknecht | Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen a.D. (Foto: basis-online.net)

Christine Lieberknecht | Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen a.D. (Foto: basis-online.net)

 

 

 

 

 

 

Christine Lieberknecht

Wahlsieg AfD – Was nun?

28.06.2023

Die Wahl des ersten AfD-Landrats im thüringischen Sonneberg hat für große Aufmerksamkeit gesorgt. Mit 52,8% der Stimmen gewann der AfD-Kandidat Robert Sesselmann die Wahlen um den Sitz im Landratsamt vor Jürgen Köpper von der CDU, der mit 47,2% unterlag. Die Kandidatinnen von DIE LINKE/GRÜNE (4%) und der SPD (12,9) waren bereits im ersten Wahlgang gescheitert.

Dabei hatten nach dem ersten Wahlgang alle Parteien von DIE LINKE über GRÜNE, SPD und FDP bis zur CDU in einem gemeinsamen Bündnis zur Wahl des CDU-Mannes aufgerufen. Genützt hat es nicht. Zwar stieg die Wahlbeteiligung von 49,1% im ersten Wahlgang auf nunmehr 59,6%. Rund 5000 Stimmen mehr konnten für Köpper mobilisiert werden. Doch auch der AfD-Kandidat profitierte mit gut 4000 Stimmen und lag am Ende noch immer etwa 1500 Stimmen vor dem CDU-Amtsinhaber.

Geholfen hat dem CDU-Kandidaten offensichtlich auch nicht der wiederholte Hinweis auf die Beobachtung der AfD durch den Thüringer Verfassungsschutz, der den Thüringer AfD-Landesverband als „erwiesen rechtsextrem“ einstuft.

Viele Wählerinnen und Wähler des AfD-Kandidaten begründen ihre Wahlentscheidung mit Frust und Wut gegen „die da oben“, ganz gleich ob es sich um politische Entscheidungen aus Brüssel, Berlin oder Erfurt handelt. Sie haben ihre Stimme abgegeben gegen ein „Weiter-so“ der Regierenden und der Unions-Opposition gleichermaßen. Sachthemen im Landkreis und kommunalpolitische Erfahrung hatten da keine Chance mehr auf Gehör.

Für Demokraten ist das eine bittere Erkenntnis. Wenn alle Warnungen des Verfassungsschutzes vor einer in Teilen offenkundig rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Partei einer Mehrheit der Menschen in Sonneberg scheinbar egal waren, wenn ein breites Bürger- und Parteienbündnis gegen die AfD nicht mehr zu deren Verhinderung ausreicht, dann bedarf es auch der Selbstkritik von politisch Handelnden im Hinblick auf die eigene Regierungs- oder Oppositionsarbeit. Es bedarf großer Anstrengungen, um enttäuschte Wählerinnen und Wähler für die Mühen demokratisch ausgehandelter Kompromisse und ein aktives demokratisches Engagement in der Mitte unserer Gesellschaft zurückzuholen. Die gegenwärtigen Herausforderungen lassen sich nicht mit plattem Populismus und schon gar nicht mit menschenverachtenden Parolen von Extremisten lösen. Sie benötigen aber auch mehr Kompetenz, Leidenschaft und Differenzierung von Demokraten im politischen Handeln der gewählten Mandatsträger in Regierung und Opposition gegenüber Wählerinnen und Wählern.

Christine Lieberknecht
Ministerpräsidentin von Thüringen a.D.

Quelle: www.basis-online.net 
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung


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