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19. Juni 2023 | Deutschland | 

Lichtzeichen e.V. ist Titelthema im Menschenrechtsmagazin „Human Rights Talk“


Für mehr Lichtzeichen in der Welt (Foto: Nicole Pelzer)

Für mehr Lichtzeichen in der Welt (Foto: Nicole Pelzer)

Die Stiftung JA ZUM LEBEN unterstützt den in Schönstatt, Vallendar, ansässigen Verein „Lichtzeichen e.V. Hilfe für schwangere Frauen“ in seiner Arbeit, Frauen in ihren ganz persönlichen Lebensherausforderungen zu ermutigen und zu stärken. Im Menschenrechtsmagazin der Stiftung „Human Rights Talk. Lebensschutz in Deutschland, Europa und der Welt“ berichtet die „f1rstlife“-Autorin Nicole Pelzer von ihrem Besuch im Lichtzeichen-Haus in Schönstatt und zeichnet mit ihrer Reportage ein lebendiges Bild vom vielfältigen ehrenamtlichen Engagement des im Raum der Schönstatt-Bewegung Frauen und Mütter entstandenen Vereins Lichtzeichen e.V. An dieser Stelle veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der „Human Rights Talk“-Redaktion.

Für mehr Lichtzeichen in der Welt

Wenn es der Mutter gut geht, geht es auch den Kindern gut. Davon ist Ulrike Eichenberg überzeugt. Als Gründungsmitglied von „Lichtzeichen e.V. Hilfe für schwangere Frauen“ begleitet sie seit mehr als 20 Jahren schwangere Frauen bei Konflikten, weit über die Geburt eines Kindes hinaus. Was genau sie und die vielen ehrenamtlichen Helferinnen mit Unterstützung der STIFTUNG JA ZUM LEBEN tun, berichtet f1rstlife-Autorin Nicole Pelzer.

Es ist Samstag. Ein unscheinbares, gelbes Haus wird von dem warmen Licht der Nachmittagssonne angestrahlt. Hier ist „Lichtzeichen“ also zu Hause, denke ich mir und werde direkt empfangen mit einem Lächeln – und noch einigem weiteren. Ulrike Eichenberg führt mich vorbei an zahlreichen Kinderbildern mit ihren lachenden Gesichtern. Auch mir zaubern sie ein Lächeln auf das Gesicht. Noch bevor wir unser Gespräch beginnen, zeigt mir Frau Eichenberg Baby- und Kinderkleidung in allen Größen und Farben. Der kostenlose Kleiderladen des Vereins bietet Müttern und ihren Kindern alles, was sie zum Start in das Leben benötigen. Dass all das vorhanden ist, ist bei weitem nicht selbstverständlich für viele Mütter und ihre Kinder.

Das Lichtzeichen-Haus in Schönstatt, Vallendar (Foto: Lichtzeichen e.V.)

Das Lichtzeichen-Haus in Schönstatt, Vallendar (Foto: Lichtzeichen e.V.)

Mit einem weiten, offenen Herzen helfen

Die Geschichte von Lichtzeichen beginnt, als vor gut 20 Jahren eine Anfrage einer Schwangeren eingeht, die nicht einmal das Nötigste für ihr Kind hat. Ulrike Eichenberg und weitere Frauen zögern nicht lange und packen an. Sie sammeln alles, was Müttern in so einer Lebenssituation helfen kann und eröffnen ihren Kleiderladen in Schönstatt. Zweimal die Woche ist er offen und der Bedarf ist groß. Immer mehr Frauen erzählen bei Lichtzeichen von ihren Sorgen. Das hat sich bis heute nicht verändert. Ulrike Eichenberg erinnert sich: „Jede Zeit hat ihre Besonderheit, keine ist einfach gewesen für die Frauen. Aber jede Notlage der schwangeren Frauen ist immer sofort akut und dann helfen wir.“

Das erste Gespräch mit den hilfesuchenden Frauen vollzieht sich ohne einen allzu einengenden Ablaufplan im Hintergrund. „Ich lasse mich gerne von Gott führen“, erzählt sie mit einer beruhigenden, sicheren Stimme. „Für mich zählt es, meine ganze Liebe zu bündeln und mit einem weiten, offenen Herzen diesen Frauen in ihrer Not zu begegnen. Ich möchte sie in ihrer Situation, mit ihrem Hintergrund, mit ihren Emotionen und ihrer momentanen Einsamkeit, also tief als Mensch, auf- und annehmen. So wie eine Mutter, die mit ihrem Kind spricht.“ Ihr Zeugnis erstaunt mich, ich hatte zuerst erwartet, dass es einen starren Ablauf gibt, bestimmte Fragen, die akribisch abgearbeitet werden. Aber hier ist alles individuell, genau auf die Frauen angepasst. Ich nicke, verstehe den Wert, den solche ehrlichen, echten Gespräche bedeuten und schweige einen kurzen Moment.

Lichtzeichen e.V. Hilfe für schwangere Frauen

Der im Jahr 2002 gegründete Verein ermutigt und stärkt Frauen in ihren ganz persönlichen Lebensherausforderungen. Er bietet den Frauen neben der persönlichen Beratung und zahlreichen Angeboten unter anderem auch eine Rund-um-die-Uhr Erreichbarkeit. Sein Hauptaugenmerk liegt darauf, das Selbstwertgefühl der Mütter zu festigen und die Mutter-Kind-Beziehung zu stärken: Wenn es der Mutter gut geht, geht es auch den Kindern gut. Für diese Arbeit unterhält Lichtzeichen in Vallendar ein Haus mit einem Kleiderladen, der zweimal wöchentlich geöffnet ist und von sechs Mitarbeiterinnen betreut wird, mit einem Veranstaltungsbereich für die wöchentlich stattfindenden Angebote und mit einer Mutter-Kind-Wohnung. Lichtzeichen freut sich jederzeit über junge Menschen, die bei dem Dienst mitmachen und sich mit ganzem Herzen einbringen möchten. Weitere Informationen zum Engagement von Lichtzeichen erhalten Sie auch auf der Webseite des Vereins unter www.lichtzeichen.org. Die Arbeit des Vereins wird durch die STIFTUNG JA ZUM LEBEN gefördert.

Den Frauen eine wichtige Stütze im Leben sein

„Aber viele sind sicher aufgelöst und verzweifelt“, werfe ich ein. Ich stelle mir vor, dass diese Aufgabe sehr viel schwieriger ist als einfach geduldig zuzuhören. Doch Ulrike Eichenberg bringt mein Gedanke nicht aus der Ruhe: „Ich gehe mit dem Gefühl in jedes Gespräch, dass der liebe Gott mir zeigt, was ich sagen muss.“ Schließlich sei jeder Mensch anders und verdiene deshalb eine ganz besondere Begleitung in seiner Situation. „Das ist der Weg?“, hake ich nach und sie nickt: „Es ist auch für mich immer wieder erstaunlich, wie sich Menschen, denen man mit echter Wertschätzung und mit einer echten und aufrichtigen Liebe begegnet, in kurzer Zeit öffnen und sich innerlich aufrichten.“ Ich realisiere schnell, dass Liebe und Unterstützung für die Frauen und Kinder weit über den kostenlosen Kleiderladen und die Beratungsgespräche hinausgehen. Hier bei „Lichtzeichen“ wird auch zusammen genäht und gebastelt, praktisch geholfen wie etwa bei der Stillbegleitung oder der Trageberatung. Wöchentlich finden Storchennesttreffen und Schwangeren-Babytreffen statt, bei denen die Mütter zusammenkommen und sich austauschen. Auch die Betreuung von Babys, Kindern und regelmäßige Hausbesuche stehen auf dem Programm der Mitarbeiter des Vereins. All das leisten sie ehrenamtlich und ohne staatliche Unterstützung. Der Verein ist auf Spenden angewiesen. Diesen ist es zum Beispiel auch zu verdanken, dass Lichtzeichen gemeinsam mit der Tafel den Frauen die Möglichkeit bietet, in einem behüteten Rahmen kostenlos Lebensmittel zu erhalten.

Lichtzeichen-Mütter zwischen 13 und 55 Jahren

„Die Sorgen werden ja nicht kleiner, wenn das Kind geboren ist und für uns ist es selbstverständlich, dass wir auch nach der Geburt Mutter und Kind begleiten und dazu beitragen, dass die beiden in eine gute Zukunft gehen können“, betont Frau Eichenberg. „Was sind das für Frauen, die zu Ihnen kommen?“, möchte ich genauer wissen. Es sind „Lichtzeichen-Mütter“, die mit 13 Jahren an Frau Eichenbergs Tür klingeln oder mit 55 gerade ihr sechstes Kind bekommen. „Jede von ihnen kommt freiwillig“, berichtet sie und ergänzt, dass sich das Engagement mittlerweile herumgesprochen habe. Auch Hebammen, Frauenärzte und Freunde würden immer wieder den Kontakt zu Lichtzeichen herstellen.

Die Situation der Frauen ist unterschiedlich, erkenne ich, genau wie ihr Alter. Wie Frau Eichenberg den Erfolg ihres Engagements feststellen kann, will ich wissen. Schließlich ist ungewiss, ob die persönlichen Gespräche auch tatsächlich etwas verändern oder nicht. Ihre Augen leuchten, als sie durch das Fenster blickt. „Wir sehen die Kinder bei uns aufwachsen. Manchmal wächst auch das zweite und dritte Kind bei uns auf. Ulrike, Du bist eigentlich meine Familie, sagte mir mal eine Mutter“, erinnert sie sich. Ich kann nur erahnen, wie viel Freude und Dankbarkeit sich jetzt gerade in Frau Eichenbergs Herz breit macht.

Ulrike Eichenberg (Foto: Lichtzeichen e.V.)

Ulrike Eichenberg ist Gründungsmitglied von Lichtzeichen (Foto: Lichtzeichen e.V.)

„Ich lasse Dich nicht allein“

Doch eine Frage tut sich mir auf: „Was ist, wenn eine Mutter trotz der Gespräche und der Unterstützung keine Perspektive für ein Leben mit ihrem Kind sieht?“ Auch hier seien die Gründe vielseitig, reflektiert Ulrike Eichenberg. Sie erinnert sich, dass es nur sehr wenige Mütter waren, die ihr Kind dennoch abtreiben wollten. Eine tiefe Einsamkeit hätten die Mütter erlebt. „Vor allem, wenn niemand da ist, der ihnen sagt: Ich helfe Dir doch“, erinnert sich Eichenberg. Ihre Worte werden langsamer. Sie stockt. Nicht nur der Verein, auch Freunde oder Eltern hätten in diesen Momenten einen großen Einfluss auf die Mutter. „Wenn Du nicht abtreibst, brauchst Du nicht mehr heimzukommen.“ Mir schaudert es bei dem Gedanken, wie sich eine Mutter in diesem Moment fühlen muss, unter wie viel Druck sie steht, von wie vielen Seiten sie tatsächlich beeinflusst wird.

Ein Wintermärchen

An eine Geschichte erinnert sich Frau Eichenberg noch ganz genau: Eine Mutter hatte bereits einen achtjährigen Sohn, wünschte sich sehnlichst ein zweites Kind. Doch sie fiel damals in der ersten Schwangerschaft in eine schwere Depression. Das geschah auch in der zweiten Schwangerschaft, sodass sie sich nicht vorstellen konnte, das Kind auszutragen. „Eine verzweifelte Mutter braucht nicht einfach nur Beistand, egal wie sie sich entscheidet, sondern jemanden, der ihr sagt: Wir schaffen das gemeinsam. Ich bin bei Dir und lasse Dich nicht allein“, sagt Eichenberg. An einem kalten Tag im Winter macht sich die Mutter schließlich auf den Weg zu einem Abtreibungstermin. Kommt durch das Winterwetter zu spät. Vereinbart einen neuen Termin. Verzweifelt, verloren, wendet sie sich an Lichtzeichen. Frau Eichenberg und ihre Kolleginnen erkennen schnell, dass die Mutter in ihrer jetzigen Situation psychisch instabil ist und fahren sie mit ihrem Einverständnis in eine psychiatrische Klinik. Dort stellt sich schnell eine Besserung ein. Lichtzeichen begleitet die Mutter bis zur Geburt ihres Kindes.

Kleiderkammer im Lichtzeichen-Haus (Foto: Lichtzeichen e.V.)

Kleiderkammer im Lichtzeichen-Haus (Foto: Lichtzeichen e.V.)

Einige Zeit später sind die Depressionsgefühle verschwunden und alle können aufatmen: „Als ich in das Krankenhaus kam, ist sie mir vor lauter Glück um den Hals gefallen und hat gesagt: Stell Dir vor, ich hätte das nicht durchgestanden und mein Kind wäre nicht mehr da.“ Frau Eichenberg schmunzelt, auch wenn sie weiß, dass es am Ende nur die Entscheidung der Mutter ist und sie nichts daran ändern kann: „Wir können nicht alle retten und erreichen. Das macht uns sehr traurig, aber wir vertrauen darauf, dass der liebe Gott auch auf krummen Linien gerade schreibt.“  Der Glaube spiele auch in ihrem persönlichen Leben eine zentrale Rolle. Im Alter von 40 Jahren entdeckte sie ihn neu für sich. Er motiviert sie, stärkt sie, gibt ihr Kraft bei schwierigen Gesprächen und quälenden Sorgen. „Ich weiß, ich falle nie tiefer als in Gottes Hand und das ist auch für die Mütter relevant“, betont sie. Ohne diesen Glauben könne sie ihr Engagement überhaupt nicht ausüben. In der Schönstatt-Bewegung, der sie angehört, ist die Muttergottes zentral. Es gebe sogar ein Schönstattlied mit dem Namen „Lichtzeichen über der Welt“, damit sei Maria gemeint. Die Mitarbeiter sehen Maria als ihre Gründerin an, daher wählten sie ihren Namen bewusst, Lichtzeichen.

Ein Wort kann das Leben verändern

Bevor ich mich von ihr verabschiede, will sie mich nach den vielen bewegenden Geschichten ermutigen: „Hab keine Angst, etwas Falsches zu tun. Es ist nur falsch, nichts zu tun!“ Vor vielen Jahren, so erzählt sie mir, entschied sich eine mehrfache Mutter dazu, im Lebensschutz aktiv zu werden. Sie veröffentlichte Anzeigen mit der Aufschrift „Ungewollt schwanger?“ und ihrer Telefonnummer darunter. Sie hörte den Müttern zu, nahm sich ihrer Probleme an und zeigte ihnen eine Perspektive für ein Leben mit ihrem Kind.

Es passierte in der Weihnachtszeit, als diese Frau an einem verschneiten Abend Plätzchen backte. Das Telefon klingelt. Sie nimmt den Hörer ab und hört die Stimme einer unsicheren Frau am anderen Ende der Leitung. Nun steht sie zwischen der Entscheidung, die Plätzchen verbrennen zu lassen oder die Schwangere um einen Moment Geduld zu bitten. Sie entscheidet sich für Letzteres und erklärt der Mutter, dass sie schnell die Plätzchen aus dem Ofen holen muss und ihr dann ihre volle Aufmerksamkeit schenkt. Schmerzlich muss die Frau jedoch erfahren, dass die Schwangere aufgelegt hat. Sie macht sich lange Zeit Vorwürfe und hat mit schweren Gewissensbissen zu kämpfen. Zwei Jahre später zu der gleichen Zeit im Advent klingelt das Telefon erneut und es ist eine zarte Stimme zu hören, die sagt: „Wahrscheinlich wissen sie nicht mehr, wer ich bin. Ich habe vorletztes Jahr im Winter bei Ihnen angerufen und wollte Ihnen sagen, dass ich gerade mit meinem Sohn Plätzchen backe.“ Die Lebensschützerin hat der Schwangeren Hoffnung und Mut geschenkt, sodass diese „Ja“ zu ihrem Kind sagen konnte.

Jetzt kommen auch mir die Tränen. Ich erkenne, dass ein Wort genügen kann, um ein Menschenleben zu retten. So unscheinbar ein Satz auch erscheinen mag, er kann der richtige sein. „Gemeinsam können wir viel erreichen und dazu beitragen, Frauen, Kinder und Familien in einer äußerst schwierigen Phase ihres Lebens zu unterstützen“, sagt Frau Eichenberg, als wir uns voneinander verabschieden. „Gemeinsam können wir ein solidarisches Meisterwerk schaffen!“

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von „Human Rights Talk“ Nr. 16, Juni 2023

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