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7. Juni 2023 | Kommentar der Woche | 

Hubertus Brantzen: Papa, gibt es bald Krieg?


(Foto: UX Gun – unsplash.com)

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Kommentar der Woche:

Papa, gibt es bald Krieg?

Prof. Dr. theol. Hubertus Brantzen (Foto: basis-online.net)

Prof. Dr. theol. Hubertus Brantzen (Foto: basis-online.net)

 

 

 

 

 

Hubertus Brantzen

Papa, gibt es bald Krieg?

07.06.2023

Der siebenjährige Sven hatte sich in diesen Tagen während der Tagesschau auf dem Sofa neben seinen Vater gekuschelt, als vom Säbelrasseln der chinesischen Führung berichtet wurde. Fast hätte ein chinesisches Kriegsschiff ein amerikanisches in der Straße von Taiwan gerammt, was ein Signal sein sollte, sich nicht in die „inneren Angelegenheiten“ der Volksrepublik einzumischen. Ein Überfall auf das demokratische Taiwan scheint eine Frage der Zeit zu sein. Im Schatten des Ukraine-Krieges könnte China spekulieren, dass die USA keinen zweiten Kriegsschauplatz eröffnen wollen. Ein Spiel mit dem Feuer …

Sven schaute ängstlich seinen Vater an und fragte: „Gibt es jetzt noch mehr Krieg?“ Als der Vater ihn zu beruhigen suchte, stellte der Junge seine eigentliche Frage: „Gibt es auch bei uns Krieg?“ Es ist die heimliche, kaum ausgesprochene, doch sehr präsente Frage auch der Erwachsenen. Die Älteren unter ihnen erinnern sich sogar an das geflügelte Wort von der „gelben Gefahr“ bereits in den 1950er Jahren.

Von einer neuen Weltordnung ist die Rede, die die Mächtigen unseres Planeten offenbar im Blick haben. Und bei der Herstellung dieser neuen Ordnung und Machtbalance scheint das Faustrecht das probate Mittel zu sein.

Als Christinnen und Christen steht unserer inneren Empörung über die Autokraten dieser Welt und dem Impuls, denen zeigen zu wollen, was Sache ist, eine andere Weltordnung gegenüber: die der Bergpredigt. Wie Sarkasmus klingen im Blick auf die gegenwärtige Situation die Worte:

Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.
(Mt 5,4.9-10)

Man hat das Gefühl, dass zwei Welten gegeneinander stehen. Auf der einen Seite die reale, raue Welt, in der das Recht des Stärkeren maßlos und ungehindert regiert. Auf der anderen Seite die Vision einer friedlichen Welt – oder doch eine Utopie, in der der Wolf beim Lamm Schutz findet, der Panther beim Böcklein liegt, Kalb und Löwe zusammen weiden, und ein kleiner Junge sie leitet (Jes 65,25).

Wie können glaubende Menschen, denen Sonntag für Sonntag die Ankunft des Gottesreiches gepredigt wird, diese Spannung aushalten? Diese Frage enthält wohl schon die Antwort: Wir müssen die Spannung zwischen Realität und Hoffnung ertragen. Paulus blickt in seinem Schreiben an die Römer auf Abraham: „Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt“, dass die Verheißungen Gottes in Erfüllung gehen (Röm 4,18).

Doch müssen wir in der gegenwärtigen Situation nicht einfach nur aushalten und hoffen. Wir sind nicht ganz machtlos. Wir können exemplarisch Frieden halten und schaffen in den Lebensbereichen, in denen wir leben. Denn viele kleine Friedensinitiativen münden in einen Friedensstrom, der am Ende doch Kriege wegspülen könnte.

Hubertus Brantzen, Mainz

Quelle: www.basis-online.net 
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung


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