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1. Februar 2023 | Worte des Bewegungsleiters | 

Felsenfest inmitten der Meeresbrandung


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Im kirchlichen Kalender steht der 22. Februar für das Fest „Kathedra Petri“, was man mit „Lehrstuhl des heiligen Petrus“ übersetzen könnte. Es geht um die Bedeutung, die der Bischof von Rom für die ganze Weltkirche hat. In den aktuellen Reformdiskussionen ist oft die ganze amtliche Struktur der Kirche überhaupt angefragt und kritisiert. Hohe Erwartungen sind oft mit besonderen Enttäuschungen verbunden. Schon beim Apostel Petrus lag das gläubige Bekenntnis zu Jesus als Sohn Gottes, das er im Namen aller Apostel abgelegt hat, ganz nahe neben seiner ängstlichen Verleugnung. Die Festigkeit und Entschiedenheit seines Glaubens gehören zu ihm genauso wie die Zweifel und Brüchigkeit in konkreten Situationen.

Wer einmal die Brandung des Meeres erlebt hat, kann schon beim Zuschauen die Kraft spüren, mit der die Wellen gegen die Felsen donnern. Die unbewegliche Ruhe der Felsen und die Dynamik der Wassermassen sind ein Schauspiel, das in einem nachwirkt.

Du bist Petrus, der Fels. (Foto "Brandung": Christian_Birkholz, pixabay)

Du bist Petrus, der Fels. (Foto "Brandung": Christian_Birkholz, pixabay)

In den Psalmen nennt der Beter Gott seinen Felsen. Auch Jesus spricht davon, dass ein Mensch, der ihm glaubt und ihm nachfolgt, sein Leben nicht auf Sand baut, sondern auf ein festes Fundament, eben auf Felsengrund. Glaube und Festigkeit bringen wir heutigen Menschen nicht so leicht zusammen. Glaube verbinden wir eher mit Ungewissheit und Unsicherheit. Beim Glauben geht es für uns um persönliche Meinungen und Optionen. Und Festigkeit hört sich nach starrer Unbeweglichkeit an, die die Lebensentfaltung einengt. Und dennoch: Jesus verbindet die Zusage: „die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen“ damit, dass er diese Kirche auf und mit konkreten Menschen baut. Ich habe den Eindruck, dass es eine geistliche Aufgabe für die Kirche in unserer Zeit ist, die Rolle der Menschen und des Menschlichen in der Vermittlung des Glaubens neu zu entdecken und zu beschreiben. Es geht um den Beitrag und die Rolle des Menschen und des Menschlichen im alltäglichen Leben von Familien und Partnerschaften genauso wie im pastoralen Miteinander von Gemeinden, im synodalen Bezeugen des Glaubens ebenso wie in der geistlichen und sakramentalen Autorität von Menschen im amtlichen Dienst der Kirche. Müssen wir bei den geschichtlichen und biografischen Enttäuschungen hängen bleiben? Können wir einen neuen demütigen, sensiblen, nachdenklichen und realistischen Blick und doch gleichzeitig einen staunenden, dankbaren und gläubigen Blick auf die konkreten Menschen gewinnen und kultivieren, durch die Jesus seine Kirche baut – zu allen Zeiten und in allen Situationen?

Beweglicher als alle Bewegung

Jesus traut den Menschen in seiner Kirche zu, dass durch sie die frohe Botschaft des Evangeliums weitergetragen wird durch die Jahrhunderte. Er traut dieser menschlich aufgebauten Kirche zu, dass sie den Menschen die Berührung mit dem Göttlichen und dem ewigen Heil schenkt und vermittelt.

Jesus traut es der Kirche zu, weil er weiß, dass er selbst in dieser Kirche und durch diese Kirche wirken wird. Er weiß um die Gabe des Heiligen Geistes, den Beistand, den der Vater sendet. Die Festigkeit des Glaubensfundamentes ist eine vielfältige Frucht des Heiligen Geistes. Er ist beweglicher als alle Entwicklungen und Veränderungen, heilender als alle Brüche der Menschen, er ist das Unterpfand der ewigen Herrlichkeit. Ein Text aus dem Buch der Weisheit wird oft auf diese durchdringende Wirksamkeit des Heiligen Geistes angewandt: „In ihr (der Weisheit, die die Schöpfung durchdringt) ist nämlich ein Geist, vernunftvoll, heilig, einzigartig, mannigfaltig, zart, beweglich, durchdringend, unbefleckt, klar, unverletzlich, das Gute liebend, scharf, nicht zu hemmen, wohltätig, menschenfreundlich, fest, sicher, ohne Sorge, alles vermögend, alles überschauend und alle Geister durchdringend, die gedankenvollen, reinen und zartesten. Die Weisheit ist beweglicher als alle Bewegung; in ihrer Reinheit durchdringt und durchwaltet sie alles. Sie ist ein Hauch der Kraft Gottes. … Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in heilige Seelen ein und schafft Freunde Gottes und Propheten“ (Weis 7, 21-27).

Die Festigkeit des Glaubensfundamentes ist nicht Unbeweglichkeit, sondern sie erwächst immer neu aus der andauernden Lebensquelle des göttlichen Lebens in den Menschen, die Jesus nachfolgen und in der Taufe zu neuen Menschen geworden sind. Dieses nicht endende Wirken Gottes in seiner Kirche ist verlässlicher und sicherer und fester als der härteste Fels. Und es ist gleichzeitig auch immer wieder ein Glaubenssprung, der durch das Menschliche hindurch mit Gottes Wirken rechnet.

Geistliche Sicherheit

Was heißt das für unsere aktuellen Diskussionen?

Die geistliche Autorität der geweihten Amtsträger, die geistliche Autorität des synodalen Dialogs im Volk Gottes und die geistliche Glaubenssicherheit in jedem Getauften leben aus der gleichen Wurzel. Wenn das gläubige Vertrauen in eine Dimension der menschlich-geistlichen Wirklichkeit der Kirche verkümmert, dann verkümmert die gemeinsame Wurzel. Wenn wir den Bischöfen bis hin zum Bischof von Rom nicht mehr in ihrer geistlichen Autorität glauben können oder wollen, verliert die Kirche als Ganze etwas von dem, was sie Kirche und Volk Gottes sein lässt. Als Koordinatoren und Funktionäre der Einheit eines globalen und multinationalen Konzerns können die Bischöfe nicht der Fels sein, auf die Jesus seine Kirche baut. In dem Auftrag und in der Zusage, die Jesus dem Petrus gibt, geht es vielmehr um die geistliche Sicherheit und die Bestärkung im Glauben: „Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du wieder umgekehrt bist, dann stärke deine Brüder!“ (Lk 22,32).

Geistliche Sicherheit, ein festes Glaubensfundament, entsteht nicht aus guter Argumentation. Der entscheidende Ansatzpunkt ist oft die Begegnung mit einem in Gott gegründeten Menschen, dem ich vertrauen kann. Prof. Herbert Vorgrimler, Professor für Dogmatik in Münster, erzählte einmal, wie er das für sich erlebt hat. In einer gewissen inneren Krise angesichts der vielfältigen theologischen Meinungen und auch ernstzunehmender ungläubiger Weltanschauungen ist ihm etwas im Blick auf seinen eigenen Lehrer, Prof. Karl Rahner, bewusst geworden. Er sagte sich und hat es auch so erlebt: „Wenn ein so kluger und gleichzeitig frommer Mann wie Prof. Rahner sich an den Glauben der Kirche hält, dann spüre ich, wie auch ich diesen Weg vernünftig und gläubig gehen kann“. Die Person seines Lehrers hat ihm mehr Glaubenssicherheit gegeben als alle theologischen Argumente.

Mit dem Aschermittwoch beginnen wir einen Weg der Erneuerung und Vorbereitung auf Ostern hin. Vielleicht sind wir in diesem Jahr besonders herausgefordert, die Kirche in ihrer geistlichen Wirklichkeit mehr zu entdecken – wie auch immer wir sie gerade erfahren. Jesus jedenfalls baut auf diese menschliche Kirche.

Ich wünsche Ihnen allen einen gesegneten inneren Weg

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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