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1. März 2023 | Worte des Bewegungsleiters | 

Reform, Veränderung, Transformation


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Reform, Veränderung, Transformation

In allen Bereichen begegnet uns die Notwendigkeit von Reformen und Veränderungen. Manchmal geht es um bedrohliche Entwicklungen, die abgewendet werden müssen, manchmal um Hoffnungen auf eine große Umgestaltung, die zukunftsfähiger macht. Firmen und Politik, Ökologie und Gesellschaft, Kirche und ethische Vorstellungen brauchen eine Transformation und müssen sich anpassen an veränderte Erwartungen und Möglichkeiten.

Man spricht sogar von Transformationsforschung. Aus geschichtlichen Umbrüchen und epochalen Veränderungen möchte man lernen, wie wir besser mit der heutigen Situation umgehen können. Die Transformationsforscherin Maja Göpel schreibt in einem Artikel: „Ich möchte den Blick vom Rückspiegel auf den Horizont lenken, die Hoffnung in den Mittelpunkt stellen … Denn ich habe das Gefühl, dass uns für den Aufbruch in die Welt von morgen weniger die Ideen fehlen als vielmehr die Überzeugung, dass wir sie auch umsetzen können. Womöglich fehlt das Vertrauen, die ersten Schritte zu wagen, und die Zuversicht, dass viele bereit sind, sie mitzugehen. … Niemand behauptet, dass unsere heutige Zeit eine einfache sei oder der gesellschaftliche Wandel leicht. Aber ich bin der Überzeugung, dass es Zeitpunkte gibt, an denen man etwas verabschieden muss, damit Raum für Neues entstehen kann. Wir müssen ein paar Dinge anders machen. Wir können das aber auch.vergl. Maja Göpel in FocusOnline

Es gibt sehr viele Forderungen nach Veränderung. Bis hinein in alltägliche Verhaltensweisen und Bewertungen sucht man neue Formen des Umgangs miteinander. Für manche fängt das mit der Sprache an. Abwertungen und Ungleichheiten drücken sich nicht nur in den Aussagen aus, sondern fangen schon bei der Wortwahl an. Manche medialen Aufreger werden schnell wieder leiser, andere möchten durch Gesetzgebung bewirken, wie gesprochen werden soll.

Einerseits ist also mit Transformation und Veränderung die Hoffnung auf ein besseres Leben für alle verbunden, andererseits geht es um das Mitmachen jedes Einzelnen. Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo sie die Freiheit und das Leben des anderen beeinträchtigt. An sich ist das ein akzeptiertes Prinzip. In einer Zeit, wo die ökologischen Auswirkungen des persönlichen Lebensstils eines jeden in Verbindung gesehen werden mit den globalen Klimaveränderungen, wird das mit der Freiheit des Einzelnen schwierig. Dass die Geburt eines Menschen als ökologischer Schaden betrachtet wird, ist zwar absurd, liegt aber in der Logik dieses ganz innerweltlichen Denkens. Die Freiheit und das Wohl des Einzelnen in ein Gleichgewicht zu bringen mit der Freiheit und dem Wohl aller ist nicht so einfach. Wie spannungsvoll das in einer Gesellschaft werden kann, haben wir in der Pandemie im Blick auf Maskentragen, Abstandsregeln, Quarantäne und Impfungen erlebt.

Kehrt um und glaubt an das Evangelium (Foto: jplenio, pixabay)

Kehrt um und glaubt an das Evangelium (Foto: jplenio, pixabay)

Bekehrung – Umkehr mit Tiefgang

Auch mit dem Aschermittwoch und dem Beginn der Fastenzeit geht es um Erneuerung und Veränderung des eigenen Lebens. „Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15), so fasst Markus am Anfang seines Evangeliums die Predigt Jesu zusammen. Wenn Jesus die Menschen aufruft zur Bekehrung, dann liegt für ihn davor eine neue Erfahrung: „das Himmelreich ist nahe“ und der „Glaube an das Evangelium“. Umkehr und Bekehrung beginnen bei Jesus mit einer neuen Erfahrung. Zuerst geht es um die richtige Einsicht in Sinn und Ziel unserer menschlichen Existenz. Was ist das Bleibende in unserem Leben und was ist vorläufig und relativ und vergänglich?

Die Worte und Zeichen des Aschermittwoch-Gottesdienstes zum Beginn der Fastenzeit sind sehr deutlich. Im Gebet zur Segnung der Asche für das Aschenkreuz im Gottesdienst heißt es: „Barmherziger Gott, hilf uns, die vierzig Tage der Buße in rechter Gesinnung zu begehen. Verzeih uns unsere Sünden, erneuere uns nach dem Bild deines Sohnes und schenke uns durch seine Auferstehung das unvergängliche Leben.“ Und beim Auflegen der Asche sagt der Priester: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ oder „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“. Der Blick auf die Endlichkeit unseres Lebens verschiebt die Gewichte und schafft neue Proportionen.

Die zweite Bekehrung

Für Menschen, die durch die religiöse Prägung in ihrer Familie von klein auf in den Glauben hineingewachsen sind, klingt das Wort Bekehrung ganz anders als für Menschen, die als Erwachsene durch ihren inneren Weg zu einer bewussten Glaubensentscheidung gekommen sind. Der Aschermittwoch ist für jeden eine Erinnerung daran, bewusster und authentischer aus dem Glauben zu leben. Das Wort Bekehrung kann auch mitten in einem Leben, das irgendwie selbstverständlich religiös geprägt ist, eine Bedeutung haben. In der Spiritualitätsgeschichte ist dafür der Ausdruck von der „zweiten Bekehrung“ entstanden. Als das Christentum immer mehr zur Staatskultur wurde und das Alltagsmilieu bestimmte, entstand das Mönchtum. Es gab Menschen, die durch eine besonders radikale Lebensform ihre Entscheidung für Christus und das Evangelium zum Ausdruck bringen wollten. Diesen Weg hat man als zweite Berufung bezeichnet. In der Neuzeit hat man dann mit dem Wort zweite Berufung mehr einen inneren Wachstumsschritt verbunden. In jedem christlichen Leben wird der Glaube durch verschiedene Entwicklungen herausgefordert. Besonders tiefe Erfahrungen von Liebe und Glück oder auch von Erschütterungen durch Leid und Schuld lassen den Zweifel und die Antworten des Glaubens in die tieferen Schichten der Seele hineindringen. Aus einem gelernten Glauben wird ein ganz persönlicher Glaube. Aus geglaubter Wahrheit wird Ergriffenheit von der Wirklichkeit Gottes. Aus den allgemeinen Anregungen des Evangeliums wird ein inneres Gespräch mit dem lebendigen Gott, der mich durch die Anregungen des Heiligen Geistes zu konkreten Schritten einlädt und zum Handeln bewegt. Mein Beten will nicht vor allem, dass Gott meine Wünsche erfüllt, sondern Gott soll mehr mein Wünschen und Wollen leiten. Pater Kentenich spricht in diesem Zusammenhang von einem „Regiewechsel“ im Blick auf das eigene Leben. Und im Bild vom Reiter, der sein Pferd dirigiert, sagt er, dass es um die Erfahrung und die Bereitschaft geht, immer mehr Gott die Zügel des eigenen Lebens zu übergeben. Der Rückblick auf die Wege und die Entwicklungen meines Lebens im Licht der Barmherzigkeit Gottes ist für ihn eine hervorragende Quelle für ein Leben aus der zweiten Berufung. Fügungen und Führungen zu entdecken in all dem, was ich gerade nicht selber bestimmen und steuern konnte, lässt das Vertrauen in Gott in die „Seelentiefen“ hinabdringen. Bequemlichkeit und „Lauheit“ sind in der spirituellen Tradition in besonderer Weise ein Hindernis, das eine tiefere Lebendigkeit des Glaubens verhindert.

Miteinander Gott hören – die Worte des Aschermittwochs sind keine Worte, die man gerne hört und doch sind sie die Einladung zu einem Leben aus den Quellen einer tieferen Gottergriffenheit.

Das wünsche ich Ihnen für Ihren Weg hin zum Osterfest.

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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