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2. April 2023 | Worte des Bewegungsleiters | 

[Über-]Fülle von Herausforderungen: eine geistliche Perspektive finden


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

[Über-]Fülle von Herausforderungen: eine geistliche Perspektive finden

Unter dieser Überschrift hat Pfr. Peter Falk bei der Delegiertentagung im März 2023 uns allen einen geistlichen Impuls geschenkt. Ich möchte Ihnen in diesem Bündnisbrief den ersten Teil dieses Impulses als Leitwort für einen österlichen Blick auf unsere Zeit darlegen. (Zu finden unter unter www.schoenstatt.de/de/arbeitsmaterial.htm)

»Was ich Ihnen heute Morgen vortragen werde, wissen Sie vermutlich schon alles. Sie brauchen also nicht mitzuschreiben, hören Sie einfach zu. Sollte Sie etwas berühren, etwas ansprechen, im wahrsten Sinne des Wortes, oder eine Resonanz auslösen, halten Sie dies in Ihrem Herzraum fest, besprechen Sie es mit dem Himmel und mit einem lieben Menschen. Zu Beginn ein paar Blitzlichter; bewusst verzichte ich auf die litaneiartige Aufzählung der Überfülle von Herausforderungen.

Was sind meine momentanen Herausforderungen?

Nehmen Sie diese Frage für sich und für Ihre Gemeinschaft mit. „Suche deinen Horizont“, so der Titel des neuen Buches von Papst Franziskus, das am 21. Februar, zunächst auf Italienisch, auf den Markt kam. „Jeder von uns muss sich fragen, ob es in seinem Leben Horizonte gibt. Gibt es Horizonte? Die Horizonte des Lebens zu betrachten, bedeutet, auf die Hoffnung zu schauen.“ Es ist und bleibt eine prophetische Herausforderung, auf das zu schauen und das im Blick zu behalten, was sich am Horizont zeigt.

Der Geigenbauer Martin Schleske nennt unsere Zeit „eine Zeit heiliger Verunsicherung“. Solche Zeiten laden uns ein, wach und wahrhaftig zu werden. Krisenzeiten können eine heilsame Störung sein! Ein starkes Wort aus der Tora kann uns helfen, das Unsrige in den Krisen zu entdecken. „Wie ein Adler, der seine Brut aufstört zum Flug und über seinen Jungen schwebt, so breitete Gott seine Flügel aus, nahm uns und trug uns auf seinen Schwingen.“ (Deut 32,11) Wir werden „aufgestört“, um unsere Flugfedern zu entfalten, um also zu begreifen, wozu wir eigentlich berufen sind. Wir werden nicht aus dem Nest der Sicherheiten geworfen, damit wir abstürzen, sondern damit wir fliegen lernen. Es bedeutet, dass wir uns darin üben, das Berufene zu tun. Darin wird Gott uns unter die Arme greifen – wie ein Adler, der sein Junges aus dem Nest wirft und es doch auf seinen Schwingen trägt. Manch eine Verunsicherung muss uns zugemutet werden, damit wir erkennen, was uns gesagt werden soll, was unsere Berufung ist, was unser Charisma ausmacht. Zeiten heiliger Verunsicherung sind immer auch Zeiten kreativer Verunsicherung. In solchen Zeiten gilt es Neues zu lernen. Wir haben nicht die Lösung, vor allem nicht die perfekte Lösung, sind aber herausgefordert, nach Lösungen zu suchen. Vorläufige Lösungen sind auch Lösungen. Wir leben in einer Zeit, in der es ungemein viel zu lernen gilt. Sind wir als Bewegung eine lernende Bewegung? (…)

Maria vom Webstuhl (Foto: Faulhaber)

Maria vom Webstuhl (Foto: Faulhaber)

Maria vom Webstuhl

Spello, ein kleines, wunderbares Städtchen in Umbrien in unmittelbarer Nähe zu Assisi. Bekannt auch durch die Kleinen Brüder von Charles de Foucauld. Carlo Carretto hat hier gelebt. Im letzten Jahr entdeckte ich an einer Hauswand, über dem Geschäft einer Weberin, das Bild der Gottesmutter, Maria vom Webstuhl. Unwillkürlich fiel mir die Frage eines Kindes am Rande einer Maiandacht ein: Was macht Maria eigentlich den ganzen Tag? Jetzt hatte ich eine Antwort bekommen. Sie webt!

Dazu ein Zitat von unserem Gründer Pater Josef Kentenich: „Sie wissen das schöne Beispiel des heiligen Augustinus. Das haben Sie sicher schon öfter gehört, wohl auch öfter gebraucht. Dieweilen wir ja nicht um Neuerungen, um Neuigkeiten verlegen sind, sondern um Wahrheiten, die unser Leben gestalten, darf ich noch einmal daran erinnern. Er vergleicht die Weltgeschichte mit einem Teppich. Ein ungemein schönes Bild, das auch unser Volk versteht. Teppich von links, Teppich von rechts gesehen. Sehen Sie, mein Leben, so wie ich es gelebt habe – zumal jetzt, wo wir uns bemühen, nachzuprüfen und nachzukosten Gott, wie er mir begegnet –, wie häufig muss ich sagen, tatsächlich ist das so: mein Leben, ein Teppich, von links gesehen, wie viel verworrene Fäden? Sehen Sie, meine Aufgabe bestände jetzt darin, den Teppich von rechts zu sehen. Ich sehe den Teppich von rechts, und was merke ich dann? Obwohl links so viel verworrene Fäden, wie viel Harmonie auf der anderen, auf der rechten Seite!

Wir dürfen lernen, in uns zu gehen und nachzutasten; also vernünftig und ruhig nachzutasten: Finde ich nicht jetzt schon hinter den verworrenen Fäden meiner Lebensgeschichte eine wunderbare Harmonie? Natürlich, ich kann jetzt zwei Wege beschreiben. Ich kann als Metaphysiker mich erst erneut davon überzeugen, dass der Plan da ist und dass deswegen a priori Harmonie da sein muss – das ist ein Weg –, wenn ich das auch jetzt nicht einsehe. Ich kann aber auch den Weg der Praxis gehen und einmal nachprüfen was immer: Da ist Verworrenheit und da Verworrenheit. Kann ich nicht jetzt schon nachweisen, wie viel Heil von dieser Verworrenheit ausgegangen ist für mein persönliches Leben und für meine Umgebung?“ (Josef Kentenich 1952)

Zu den Worten unseres Gründers dürfen wir die Worte Jesu dazulegen. „Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Gewand; denn der neue Stoff reißt vom alten Gewand ab und es entsteht ein noch größerer Riss.“ (Mk 2,21) Der neue Stoff, den Maria am Weben ist, den gilt es zu entdecken. Der ist doch da, leuchtend in allen Farben. Vielfach ist es jedoch so, dass er nicht mehr zum alten Gewand passt. Die Gottesmutter ist dabei, uns neu einzukleiden! Es ist an uns, die Fäden zu entdecken, mit denen die Gottesmutter neue Muster am Weben ist. Vergessen wir nicht, nicht alle Fäden sind goldene Fäden.

Selig die Frauen und Männer, die ihren Faden in das neue Gewand hineinweben, sie werden Gesichter zum Strahlen bringen. (…)

Unvergesslich für mich ein Wort von Andrea Riccardi von der Gemeinschaft „Sant`Egidio“: „Christentum ist eine Perspektive, keine Retrospektive!“ Das gilt auch für unsere Gemeinschaft.

Von der heiligen Clara von Assisi wird berichtet, dass sie in Zeiten der Krankheit oft einen der Brüder von Franziskus zu sich rufen ließ, Bruder Juniperus. Ihm stellte sie eine Frage und bat ihn dann zu erzählen: „Was gibt es Neues von unserem Herrn Jesus?

Erzählen wir einander von dem neuen Stoff, den die Gottesmutter am Weben ist. «*

Ich wünsche Ihnen und uns allen gerade in den Herausforderungen der Zeit eine solche österliche Perspektive und ein frohes und gesegnetes Osterfest.

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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