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6. Mai 2023 | Worte des Bewegungsleiters | 

Vom Hören zum Antworten – ein langer Weg


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Vom Hören zum Antworten – ein langer Weg

n der Verkündigungsstunde brauchte es für Maria vom Engel das „Fürchte dich nicht“ und Antworten auf ihre Fragen. Nachdenken, offene Bereitschaft und auch Nachfragen sind notwendig, wenn es um Neues geht. Aber wie viel Sicherheit braucht man für ein Ja oder Nein in einer wichtigen Frage? Beim Einkaufen, wenn man ein Buch oder Kleidung auswählen möchte, spürt man auch ein Hin und Her, bis man sich entscheiden kann.

Aber das ist ganz anders, wenn es um Fragen geht, die meine Zukunft bestimmen. Welche Ausbildung möchte ich beginnen? Soll ich mich beruflich neu orientieren? Möchte ich ein Stellenangebot annehmen oder lieber ablehnen? Mit der Alternative wird je nachdem Angst wach. Eigentlich passt die Arbeitsstelle nicht zu mir, aber vielleicht bekomme ich dann gar nichts? Manchmal löst man solche Entscheidungsfragen durch Nicht-Entscheiden.

Wenn es um Lebensentscheidung geht, merkt man, dass man sich zwar Rat holen kann, aber dass es nicht gut ist, sich die Antwort von jemand anderem sagen zu lassen. Das Ja zu einer Freundschaft, aus der ein gemeinsames Leben und eine Heirat wird, braucht meine ganz eigene und persönliche Entscheidung. Darauf hat der Partner ein Recht. Und ich selbst auch. Bei Entscheidungen im Blick auf eine religiöse Berufung im Sinne der Nachfolge Jesu ist es genauso. Welche Art von Sicherheit gibt es für solche Entscheidungen? Das gilt auch für Glaubensfragen im eigentlichen Sinne. An Gott glauben, an die Heilige Schrift glauben, der Lehre der Kirche glauben: Da kann man natürlich auch lange Unterscheidungen machen, wie wichtig mir die ein oder andere Frage ist. Aber gerade für die letzten und wichtigsten Glaubensüberzeugungen gehört zur Glaubenssicherheit gleichzeitig das Wissen, dass Glaube mit Unsicherheit einhergeht und dass es im Blick auf das konkrete Leben auch immer wieder einen Glaubensschritt oder einen Glaubenssprung braucht.

Bei Exerzitien 1967 mit Studenten der Schönstatt-Patres hat Pater Kentenich sich mit dem Lebensgefühl gegenüber solchen Lebens- und Glaubensentscheidungen beschäftigt. „Es kommt dazu, dass der moderne Mensch – und wir alle haben ja ein Stück davon – wesentlich angewiesen ist in seinen Entscheidungen auf ein experimentelles Wissen; das muss experimentell aufgehen. … Wir heutigen Menschen, wir leben so stark aus der Atmosphäre der heutigen Zeit, dass wir gar nicht zur Ruhe kommen. Wir möchten in allen Fragen entweder eine experimentelle oder eine absolute Sicherheit haben, eine Sicherheit, die auf exaktester Berechnung ruht.“ Und verallgemeinernd sagt er: „Die meisten heutigen Menschen kommen zu keiner Entscheidung. Weshalb kommen wir nicht zur Entscheidung? Weil wir einen Wahrheitsbegriff mitbringen ins heutige praktische, religiöse Leben, der nicht dazu passt.“

Tür mit Schlüssel (Foto: photo mix, pixabay)

Glaubensschule: göttliche Sicherheit und Unsicherheit lernen

Gelegentlich spricht man von einem festen und unerschütterlichen Glauben. Welche Art von Festigkeit und Sicherheit ist da gemeint? Besserwisserei im Auftreten und als Haltung passt ja gerade nicht zum Geist des Glaubens. Um diesen gläubigen Geist geht es heute. In dem bereits genannten Exerzitienvortrag beschreibt Pater Kentenich es so: „Was gibt mir der Geist des Glaubens? Eine positive Sympathie für Gott, eine positive Voreinstellung, die mich dazu drängt, überall den lieben Gott zu wittern. Und dieser übernatürliche göttliche Witterungssinn muss für uns wieder ein Geschenk werden.“ Aus dem Glauben heraus initiativ werden. Einer inneren Anregung trauen und einen Schritt machen. Mit Zuversicht und im inneren Dialog mit Gott, dem ich vertraue, etwas wagen. Eine solche Glaubensschule ist nur möglich, wenn man aus seiner Komfortzone heraustritt. Erst wenn ich auf eine Anregung mit einer Konkretisierung antworte, kann ich erfahren, dass das Vertrauen trägt.

Es gibt die österlichen Erfahrungen, wo ein Moment mich so ergreift wie den Jünger, der als Erster zum leeren Grab kam. „Er sah und glaubte“ (Joh 20,8), heißt es dazu in der Heiligen Schrift. Wenn man in den Ostergottesdiensten die verschiedenen Begegnungen mit dem Auferstanden hört, spürt man die Kraft, die in dieser Botschaft liegt. Mehr als eine Information, über die man nachdenkt, ob oder ob nicht oder ob vielleicht, erlebt man in diesen Zeugnissen, dass der Osterglaube eine Kraftquelle ist. In den Abschiedsreden Jesu an seine Jünger im Johannesevangelium geht es immer wieder um die Frage, wie es weitergeht, wenn Jesus nicht mehr so normal und menschlich und ganz konkret berührbar mitten unter seinen Jüngern gegenwärtig ist. Den Weg und die Glaubensschule, die die Jünger gemacht haben, ging über die Auferstehungsbegegnungen und über die Erfahrung des Heiligen Geistes. Sie haben gelernt, dass er auf ganz neue Weise „im Heiligen Geist“, aber eben genauso konkret und wirksam, da ist und sie nicht als Waisen zurückgelassen hat. In einem inneren und gemeinsamen Glaubensdialog erkennen die Jünger durch alle Generationen und Epochen hindurch die Realität seiner Gegenwart im „Heiligen Geist“.

Gläubig antworten heißt aus der Quelle trinken

Das Volk Gottes, das aus dieser Glaubenserfahrung lebt und durch die Jahrhunderte pilgert, hat in den menschlichen und irdischen Möglichkeiten seiner Jünger erfahren, dass der Meister selbst wirksam wird. Mit besonderer Ehrfurcht werden die Erfahrungen seines Wirken bezeugt und kultiviert: „die Zeugnisse der Apostel, die geschwisterliche Glaubensgemeinschaft, das Brechen des Brotes“ (vgl. Apg 2,42). Die Sammlung verschiedener Berichte und Briefe werden mit der Zeit als Heilige Schrift und Grundlage der Offenbarung erkannt und bezeugt. Die geschwisterliche Gemeinschaft der Glaubenden ist der Ort, wo der Heilige Geist führt und Klärungen schafft. Die Sakramente sind die Zeichen, in denen geistliche Wirklichkeit geschieht. In vielen Diskussionen um die Zukunft der Kirche geht es darum, wie sich das Leben der Kirche und die Verkündigung des Evangeliums besser gestalten lässt. Wie können menschliche Fehler besser vermieden werden? Wie antwortet die Kirche auf die Fragen der Zeit? Wie nahe ist die Kirche den Schicksalsschlägen und Verwundungen der Menschen? Bei allen notwendigen menschlichen Bemühungen verdunstet allmählich die grundlegende Wirklichkeit, was Kirche ist: Der Herr selbst, der Auferstandene selbst, der gegenwärtig ist „im Heiligen Geist“, will durch alles menschliche Bemühen hindurch begegnen, heilen und erlösen.

Reflexion und Diskussion gehören zu all diesen Aspekten und doch kann man gerade auch da beim Abwägen und in der Unentschiedenheit stehen bleiben. Entscheidend bleibt die Erfahrung, ob ich im Blick auf meine grundlegenden Lebensüberzeugungen und in konkreten Schritten meines Alltags auf meine Begegnung mit Jesus antworte. Zum Miteinander-Reden über diese persönliche Innenseite meines Glaubens gehört ein Gespür für Diskretheit und Ehrfurcht. Vor mir selbst brauche ich mich jedoch nicht verstecken. Da soll ich mit ehrlichem und ganzem Herzen meine Glaubensantwort leben. Erst wenn ich selbst mit meinen Unsicherheiten und Hoffnungen ins Spiel komme, fange ich an, aus der Quelle des Glaubens zu trinken.

Maria antwortet auf die Zusage des Engels: „Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“. Maria öffnet sich ganz dem Wirken Gottes. Aus dieser Quelle schöpft sie Kraft, Vertrauen und Wagemut. Das gleiche Wort schenkt uns Jesus als sein letztes Wort vor seiner Himmelfahrt: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist über euch kommt“ (Apg 1,8).

Ich wünsche Ihnen ein Pfingstfest voller Freude und Zuversicht.

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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