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19. Juli 2010 | Deutschland | 

Ein 1200-jähriger Ort ehrt seine Schwestern mit neuer Rosenzüchtung


Heiligtum in DietershausenSr. M. Louise Schulz. 1200 Jahre sind es seit der ersten urkundlichen Erwähnung von "Dietershausen im Hochstift Fulda" im Jahr 810 und seit 75 Jahre wirken die Schönstatter Marienschwestern in dieser Rhöngemeinde. Das war der Anlass für die ortsansässige Garten-Firma, eine neue Rosensorte den Schwestern zu widmen. Die Taufe der „Marienhöhe-Rose" - benannt nach der Anhöhe, auf der das Schönstatt-Zentrum liegt, fand im Rahmen der Festwoche zum Dorfjubiläum statt. Der Pfarrer von Dietershausen Jörg Stefan Schütz segnete die neue Rose bei einer festlichen Andacht unter großer Beteiligung der Bevölkerung. Das gemeinsame Beten wurde zugleich zu einer Solidaritätsaktion für den plötzlich schwer erkrankten Initiator und Züchter der „Marienhöhe-Rose".

Marienschwestern vor dem Beet mit der Rose "Marienhöhe"

Die neue Rose ist vor dem Provinzhaus der Marienschwestern zu bewundern. „Ihnen zum Dank für all die treuen Dienste für die Bürger Dietershausens erblüht fortan die Rose Marienhöhe." So ist auf der Widmungstafel zu lesen. Seit 1935 arbeiten die Schwestern in der beschaulichen Ortschaft am Tor zur Rhön. Sie begründeten den Kindergarten, versorgten die Kranken und engagierten sich in der Pfarrei, in der Mädchen- und Frauenbildung. Als die Schwestern sich der Nazi-Herrschaft widersetzen, wurde ihnen jede öffentliche Tätigkeit verboten. Sie wurden enteignet und hätten das Bistum Fulda eigentlich wieder verlassen müssen. Doch mutige Bewohner von Dietershausen nahmen sie auf eigene Gefahr bei sich auf. Am Kriegsende war es eine Marienschwester, die den anrückenden amerikanischen Panzern mit der weißen Fahne entgegen ging und so das Dorf vor Zerstörung bewahrte.

Anlaufstelle für viele

Marienhöhe-RoseNach dem Krieg setzten die Schwestern mit ihrem Müttergenesungsheim im Josef-Engling-Haus den Anfang für den „Erholungsort" Dietershausen. Mit dem Bau des Heiligtums 1957 begann die Entwicklung als Schönstatt-Zentrum, das heute vielen Menschen einen „Kraftort" für ihren Glauben, Weiterbildung und Erholung bietet. Zum Beispiel ziehen die sogenannten „10 Minuten an der Krippe" für die ganze Familie in der Weihnachtszeit jedes Jahr weit über 3000 Besucher an. Das Heiligtum ist stille Anlaufstelle für viele über die Schönstatt-Bewegung hinaus geworden. Das beweist das Anliegenbuch und der Krug, der sich mit Bitten und Dankzetteln ständig füllt.

„Die Nähe des Herrn und seiner Mutter tut echt gut." Diese Erfahrung konnten die unzähligen Besucher machen, die am 18. Juli den Höhepunkt der 1200-Jahr-Feiern in Dietershausen besuchten: eine Festmeile durch den ganzen Ort - das Schönstatt-Zentrum als „Zone der Ruhe und Besinnung" inbegriffen.

Solidarität in schweren Zeiten

Mit der Bündnismesse an diesem Tag verband die Fuldaer Schönstatt-Familie ihre „Geburtstags­party" mit den Schwestern. Trotz Urlaubszeit kamen viele Freunde und Bekannte zum „75." Es konzelebrierten Pfr. Rudolf Liebig, Präses Ulrich Schäfer, Dechant Dr. Dagobert Vonderau und zur besonderen Freude aller Schönstatt-Pater Klaus Desch - im Einsatz in Nigeria, gebürtig aus dem Bistum Fulda und z.Z. auf Heimaturlaub. Helena, Esther und Frederic, drei junge Erwachsene gestalteten den Gottesdienst mit eindrucksvollem Gesang zur Gitarre. In einer Präsentation: „Bilder und Anekdoten aus 75 Jahren" gaben die Schwestern einige Blitzlichter aus ihrer Geschichte zum Besten und ein leckeres Buffet rundete die gelungene Familienfeier ab.

Kindergarten, damalsViel Beachtung fand die umfangreiche Chronik-Festschrift, für die in der 1200-jährigen Vergangenheit der Ortschaft Dietershausen mit viel Liebe und Sorgfalt recherchiert wurde, die Geschichte der Marienschwestern eingeschlossen. So ist auch ihre Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten eingehend wiedergegeben. Zum Beispiel ein Bericht der Fuldaer Polizei an das Reichsicherheitshauptamt in Berlin aus dem Jahr 1938, in dem argwöhnisch beschrieben wird, wie die Kinder- und Jugendarbeit der Schwestern den parteieigenen Erntekindergarten und den BDM („Bund deutscher Mädel") untergräbt. Der Nazi-Bürgermeister forderte die Schwestern auf, sich geschlossen an einer NS-Kundgebung zu beteiligen. Wer dort fehle, beweise seine Gegnerschaft zur NS-Partei. Nichtsdestotrotz blieben die fünf Schwestern zu Hause. Die Auseinandersetzung eskalierte, als eine Schwester bei der Volksabstimmung 1936 offen und ostentativ eine ungültige Stimme abgab. Der Landrat betrachtete das als Affront gegen das NS-Regime. Persönlich fuhr er nach Dietershausen, um die Schwester zu verhaften. Sein Kommentar dazu: „Jetzt muss ich diesen Misthaufen auch noch in mein Auto packen." Die Schwester kam bald wieder frei, doch die Repressalien gingen weiter, bis schließlich 1939 die Schwestern unter einem Vorwand ausgewiesen wurden.

Die Solidarität, die die Dietershäusener ihren Schwestern in schwerer Zeit bewiesen haben, ist bis heute in einem guten Miteinander von Dorfgemeinschaft und Schönstatt-Zentrum spürbar.

 


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