Nachrichten

11. März 2023 | Delegiertentagung | 

Stichwort Veränderungen – Erfahrungen und Zeugnisse


Ein Nachmittag voller spannender Veränderungserfahrungen (Foto: Brehm)

Ein Nachmittag voller spannender Veränderungserfahrungen (Foto: Brehm)

Cbre/Hbre. Der Nachmittag des zweiten Tages der Delegiertentagung der Schönstatt-Bewegung in Deutschland stand ganz im Zeichen von Veränderungsprozessen. Die Teilnehmenden wurden in vier ganz unterschiedliche Bereiche mitgenommen, in denen jeweils Veränderung geschieht.

Ansgar Imwalle (Foto: Brehm)

Ansgar Imwalle (Foto: Brehm)

Neuaufbau der Schönstatt-Mannnesjugend (SMJ) in der Diözese Münster

In einem ansprechenden Video beschrieb Julian Mergler den Neubeginn der SMJ-Arbeit im Bistum Münster. In den vergangenen vier Jahren fanden mit Unterstützung von zwei Vätern aus der Münsteraner Schönstatt-Familienbewegung zwei Mal im Jahr Aktionswochenenden für Jungen statt mit reizvollen Themen wie „Robin Hood“, „Der Ball rollt“, „Piraten“, „Musketiere“, „Sherlock Holmes“ usw. Von anfänglich sechs Jungen sei die Teilnehmerzahl inzwischen auf teilweise über 40 Jungen angewachsen. Inzwischen, so Mergler voller Dankbarkeit und Stolz, gäbe es dank der Unterstützung aus der Familienbewegung sechs geschulte Gruppenleiter, die am 10. September 2022 um 10.09 Uhr die SMJ Münster neu gegründet hätten.

Nach dem Abbruch bei der ehemaligen Schönstatt-Mannesjugend mangels fehlender Gruppenleiter und Führungsmannschaft habe er mit einem anderen Vater zusammen im Rahmen der Schönstatt-Familienarbeit die Initiative ergriffen, Wochenendangebote für Jungen für die eigenen Kinder und darüber hinaus anzubieten, berichtet Ansgar Imwalle, der bei der Delegiertentagung persönlich anwesend war. Zwei Schwerpunkte seien ihnen dabei jeweils wichtig gewesen: die Jungs mit handfesten Aktionen herauszufordern und im Rahmen von Gruppenstunden im Rahmen einer religiösen Atmosphäre in die Tiefe zu führen. Sonntag nachmittags endeten die Treffen mit einer gemeinsamen Messe und Kaffee und Kuchen mit den Eltern, die die Jungs wieder abholten und somit auch eingebunden waren. Dass das Projekt bisher erfolgreich verlaufen sei, liege u.a. daran, dass viele zusammen geholfen hätten, so Imwalle: die Schwestern am Zentrum in Münster-Gievenbek, die sich jedes Mal auf die Jungs freuten und alles Mögliche möglich machten, was diese brauchten. Die Familienbewegung, die die Väter voll unterstützte und zusammen mit der Mütterbewegung für die Werbung sorgte. Herausforderungen blieben, so Ansgar: „Wie sieht der rechtliche Rahmen aus? Wie kann die geistliche Begleitung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nachhaltig garantiert werden? Was kann für die Jungen zwischen den Frühlings- und Herbstwochenenden angeboten werden, damit sie Kontakt halten?“ Auch stelle sich die Frage nach einem vorerst dauerhaften Rückhalt durch die Erwachsenen, „denn Jugendarbeit ist schnelllebig“, so Imwalle.

Georg Denkinger (Foto: Brehm)

Georg Denkinger (Foto: Brehm)

Coronaveränderungen im industriellen Umfeld

Georg Denkinger, Familienvater von drei Kindern, mit seiner Ehefrau im Familienbund, Betriebsleiter einer mittelständischen Firma in Baden-Württemberg, machte zuerst eine „Bestandsaufnahme, wie viele Marienschwestern und Patres, Beamte, Handwerker, Erzieher/Lehrer, Rentner und Industriemitarbeiter unter den Teilnehmern der Delegiertentagung zu finden seien. Danach sprach er Veränderungen an, die sich durch die Coronapandemie für seinen Betrieb, in dem Elektronikteile produziert werden, ergeben hätten: Vor Corona habe er nicht daran gedacht, dass mobile Arbeit jemals möglich wäre. Heute würden 50% seiner Mitarbeiter teilweise auch von zu Hause aus arbeiten. Und das, obwohl sein Betrieb in der Coronazeit deutlich gewachsen sei. Zu schaffen mache ihnen die hohe Inflationsrate und die wirklich sehr hohe Krankheitsquote. Außerdem seien Mitarbeitende Mangelware. Durch die mobile Arbeit müsse und würde einerseits die Eigenverantwortlichkeit steigen, andererseits würden sich aber die persönlichen Kontakte auch reduzieren. Im betrieblichen Umfeld seien Fortschritte in Richtung Selbstverwirklichung der Mitarbeiter und der Individualisierung erzielt worden. Was die sozialen Beziehungen betreffe, das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter und ihre physiologischen Bedürfnisse, da gäbe es noch echten Nachholbedarf, so Denkinger.

Schwester M. Elvira Lutz (Foto: Brehm)

Schwester M. Elvira Lutz (Foto: Brehm)

Begleitungserfahrungen aus der Schulsozialarbeit

Schwester M. Elvira Lutz, ehemalige Schulleiterin der Realschule der Schönstätter Marienschule in Vallendar, die seit ihrer Pensionierung als Schulsozialarbeiterin in dieser Schule arbeitet, berichtete beeindruckend von ihren Begleitungserfahrungen und dem Wandel, dem diese seit der Pandemie ausgesetzt sind. Wenn vor der Coronapandemie vor allem schwieriges Sozialverhaltend der Schülerinnen zum Einsatzgebiet der Schulsozialarbeit gehört habe, seien es nun vermehrt Probleme in den Familien der betroffenen Schülerinnen, die Interventionen nötig machten. Dabei seien es einerseits die Mädchen selbst, die wegen eines Problems in die Sprechstunde kämen, andererseits würden die Mädchen von den Klassenleitungen und immer mal wieder auch von den Eltern („Kann unsere Tochter mal mit ihnen reden, wir kommen nicht weiter“) in die Beratungsstunde geschickt. „Ich höre nur zu und versuche, mich auf jedes Mädchen einzulassen“, so Schwester Elvira. „Ich habe Zeit, kann solange zuhören, wie die Mädchen es brauchen, muss nicht meinen Stoffplan durchbekommen wie die Lehrer.“ Die Probleme seien vielseitig: das Fehlen einer Freundin, Überforderungsgefühle bei Leistungsanforderungen, die persönliche Lebensführung, Probleme mit den Eltern, Identitätsprobleme. Veränderungen würden möglich durch Zuhören, nachfragen, herausfinden, woher das Problem kommt („Wenn es in der Schule nicht läuft, gibt es meistens in den Familien zu Hause Probleme.“) und – ganz wichtig – die Schülerinnen selbst Lösungen finden zu lassen. Gerade wenn die Ursache für die Problematik in der familiären Situation zu vermuten sei, bedürften die Schülerinnen der Unterstützung, um in der Familie das Problem ansprechen zu können. Oft läge es daran, dass in Familien wenig miteinander gesprochen würde, weil zu wenig Zeit füreinander da sei. In den vergangenen zwei Jahren gäbe es auch eine zunehmende Anzahl Schülerinnen, die sich nicht im richtigen Körper fühlten. Ihrer Erfahrung nach habe dies häufig mit Gewalterfahrungen durch Jungen zu tun und der Wunsch, das Geschlecht zu wechseln, sei mit der Erwartung verbunden, dann als Mitglied des „starken“ Geschlechtes solche Gewalterfahrungen vermeiden zu können. Zusammenfassend formulierte Schwester Elvira ihre Erfahrung so: „In jungen Menschen steckt viel Kraft und Mut, die aber nicht frei werden können, wenn Probleme sie überlagern. Schulsozialarbeit soll diese Kräfte wieder freilegen helfen.“

Ädilia Schweitzer (Foto: Brehm)

Ädilia Schweitzer (Foto: Brehm)

Kinderschutz und Präventionsarbeit

Ädilia Schweitzer, Esslingen, Projektleiterin beim Kinderschutzbund in Baden-Württemberg, leitet Fortbildungen für Verantwortliche, die Schutzkonzepte für ihre Einrichtungen erstellen sollen. Außerdem begleitet sie mehrere Vereine auf ihrem Weg ein eigenes Schutzkonzept im Rahmen der Prävention von sexueller Gewalt zu erarbeiten. Da sie von außen komme, habe sie einen neutraleren Blick auf die Einrichtungen und Vereine. Sie hospitiere in den einzelnen Projekten, um die gemachten Erfahrungen in die Prozesse einbringen und bearbeiten zu können. Eine ihrer Haupttätigkeiten sei die Ermutigung der am Prozess Beteiligten, um die Gruppen ins eigenständige Arbeiten zu bringen. Sie sei der Überzeugung, so Ädilia Schweitzer, dass in Gruppen sehr viel entstehen könne, wenn die Rahmenbedingungen stimmten. Die große Motivation für ihre Arbeit sei: „Wir schützen Kinder und Jugendliche, dass sie gute Momente erleben dürfen.“ Heute stelle sich in vielen Bereichen vermehrt die Frage, wie Beziehungen zu Kindern und Jugendlichen gestaltet werden könnten, ohne Angst ihnen zu nahe zu treten. Da jedes Kind seine ganz eigenen Grenzerfahrungen habe, sei in solchen Situationen ein guter Gradmesser, das Kind selbst entscheiden zu lassen, es zu fragen, was es aktuell brauche, was ihm jetzt helfen würde. „Wenn wir Kindern zuhören, dann spüren wir schnell, was sie gerade wirklich brauchen“, so Ädilia Schweitzer.

Die sehr beeindruckenden Beispiele gelungener und auch schwieriger Veränderungsprozesse in verschiedensten Lebens- und Arbeitsbereichen, sensibilisierten die Teilnehmenden für die Thematik der „Transformation Schönstatts“, mit der sich Pater Ludwig Güthlein in seinem anschließenden Impuls beschäftigte.

 


Top