Nachrichten

2. Dezember 2022 | Worte des Bewegungsleiters | 

Der Erlöser wird für alle und für jede und jeden geboren


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Wahrscheinlich kommt uns allen sofort der Zusammenhang mit Weihnachten in den Sinn, wenn wir den Satz hören „Es begab sich zu der Zeit, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen.“ Wir wissen, dass bei der biblischen Weihnachtserzählung der Name von Kaiser Augustus fällt. Der Evangelist Lukas benützt jedoch den Bezug zu Kaiser Augustus nicht nur für eine historische Einordnung. Die ganze Weihnachtserzählung stellt auf sehr selbstbewusste und provozierende Weise die Geburt Jesu direkt dem Kaiserkult gegenüber.

Ein provozierendes politisches Statement

Wahrscheinlich kommt uns allen sofort der Zusammenhang mit Weihnachten in den Sinn, wenn wir den Satz hören „Es begab sich zu der Zeit, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen.“ Wir wissen, dass bei der biblischen Weihnachtserzählung der Name von Kaiser Augustus fällt. Der Evangelist Lukas benützt jedoch den Bezug zu Kaiser Augustus nicht nur für eine historische Einordnung. Die ganze Weihnachtserzählung stellt auf sehr selbstbewusste und provozierende Weise die Geburt Jesu direkt dem Kaiserkult gegenüber.

Bei meinen Betrachtungen beziehe ich mich besonders auf den Artikel „Augustus und Jesus – im Spiegel der römischen Kaiserideologie“ von Prof. Dr. Ute Poplutz.

Im 19. Jahrhundert wurde auf zwei Steinblöcken eine Inschrift gefunden, die von der Geburt des Sohnes Gottes spricht, der eine große Zeit des Friedens bringt: „Da die Vorsehung, die unser Leben ordnet, alle Mühe und allen Eifer aufgewandt, das für unser Leben vollendete Gute geschaffen und den Augustus hervorbrachte, den sie zum Wohl der Menschheit mit jeder guten Fähigkeit erfüllt hat, für uns und unsere Nachkommen wie einen Gott an ihrer Stelle hervorgebracht hat, und einen geschenkt hat, der dem Krieg ein Ende setzen und den Frieden in schöner Ordnung gestalten sollte, und da der Kaiser, mit diesen Fähigkeiten geboren, die Erwartungen der Empfänger mit seinen Wohltaten übertroffen hat, wobei er nicht nur seine Vorgänger mit der Fülle seiner Leistungen überholt, sondern auch seinen Nachfolgern keinerlei Hoffnung gelassen hat, sich ihm vergleichen zu dürfen; und da mit dem Geburtstag dieses Gottes für die Welt die Evangelien, die von ihm ausgehen, ihren Anfang nahmen, wird ihm zu ehren folgender Beschluss gefasst …“

Weihnachtskarte (Foto: zephylwer0, pixabay)

Weihnachtskarte (Foto: zephylwer0, pixabay)

Friede, Evangelium, Geburtstag Gottes, das klingt nach Weihnachten und doch geht es nicht um Jesus, sondern um Kaiser Augustus. Er wird als göttlicher Friedenbringer gefeiert, und alles, was man über ihn sagen kann, ist eine „gute Nachricht“, ein Evangelium. Für Lukas und seine Zeitgenossen waren das alles bekannte Worte und Zusammenhänge, die für uns nur noch im Kontext von Weihnachten bekannt sind. Lukas schreibt sein „Evangelium“ als eine direkte Gegenüberstellung mit dem allseits bekannten Kaiser Augustus. Er und alle kennen den Kult um diesen Kaiser, der den bekannten Erdkreis erobert hat und regiert. Es ist der größtmögliche Vergleich, der Lukas zur Verfügung steht, um die Bedeutung Jesu hervorzuheben. Bethlehem, man könnte auch sagen Hintertupfing am Rande des römischen Weltreiches, ist wegen Jesus wichtiger als Rom. Die politische Propaganda feiert das Ende der Kriege als „Evangelium“, als gute Botschaft für die eroberten Völker, und Lukas spricht vom himmlischen Frieden für alle Menschen. Und diese Botschaft geht zuerst an die Ausgegrenzten und Armen, nämlich an die Hirten, die die Nächte bei den Herden verbringen. In diesen Dimensionen sieht Lukas die Geburt Jesu. Der direkte Kontrast ist eine eigene politische Theologie. Es ist frecher und provozierender Anspruch. Und was in der Welt für noch so wichtig gehalten wird, in Jesus ist etwas Größeres und Wichtigeres geschehen. Dem Oberbefehlshaber der römischen Truppen steht das Kind in der ärmlichen Krippe mit dem himmlischen Heer der Engel gegenüber: „Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lk 2,13 f). Der Friede, den Engel verheißen, ist kein Friede, der entsteht, wenn alle Widerstände unterworfen sind und damit „befriedet“ werden. Dieser Friede betrifft jeden Einzelnen und das Innerste des Menschen. Er gilt den Menschen „seines Wohlgefallens“. Ursprung dieses Friedens ist Gott selbst. Ausdrücklich sagt deshalb bei Lukas der Engel in der Verkündigungsstunde: „Kraft des Höchsten wird dich überschatten. … das Kind wird heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35).

Es hat mir Freude gemacht, mich noch einmal mit den geschichtlichen und politischen Hintergründen der Weihnachtserzählung zu beschäftigen. Lukas ist in dem Glauben, den er in seinem Evangelium bezeugt, alles andere als kleingläubig. Er scheut sich nicht, die größten und mächtigsten Gestalter der Geschichte als unbedeutend zu sehen angesichts dessen, was der Welt und jedem Menschen mit der Geburt des Erlösers geschenkt ist. Auf dem Bild ist die Weihnachtsbotschaft der Engel: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr“ (Lk 2,11), hineingestellt in das Bild einer nächtlichen Großstadt. Wie groß die Anzahl der Bewohner auf dem Bild und wie anonym die Biografie dieser Menschen auch für uns sein mögen, der Glaube an Jesus Christus bedeutet nicht weniger, als dass für alle und jeden der Erlöser geboren ist.

Senfkornglaube und Kürbisglaube

Im Blick auf die moderne Welt meinte Pater Kentenich einmal – und dabei zitiert er das Wort Jesu vom Glauben, so groß wie ein Senfkorn – wir bräuchten nicht nur einen Senfkornglauben, sondern einen Kürbisglauben. Wie ich diesen Satz zum ersten Mal gehört habe, habe ich ihn natürlich sofort verstanden, aber gleichzeitig auch gefragt, wofür es gut sein soll, neben das schöne Bild vom kleinen Senfkorn ein übertriebeneres Bild vom Kürbis zu stellen. Wenn in einer konkreten Situation Glaube und Zweifel in einem ringen, dann ist beides die gleiche Provokation: ein Glaube, der Berge versetzt, und ein Glaube, so groß wie ein Kürbis. Beides ist nicht sehr realistisch und fühlt sich unvernünftig an. Es geht ja darum, in einer bedrängenden und unüberwindlichen Situation ein Bild auf sich wirken zu lassen, das den inneren Sprung des Vertrauens unterstützt.

„So göttlich groß und so menschlich klein“

Ist der Blick auf das göttliche Kind in der Krippe nicht Nahrung für einen solchen Glauben und für ein Vertrauen, das unser Herz weiter und zuversichtlicher macht? Egal wie widersprüchlich in unserem Leben die Erfahrungen von Können und Ohnmacht, von Gelungenem und Misslungenem, von Planungen und dem, was dann leistbar ist, auch sein mögen. Beim Blick auf das göttliche Kind kommt beides wieder zusammen: das menschlich Kleine und das göttliche Große. Lukas scheut sich nicht, seinen Glauben an den göttlichen Erlöser direkt den politischen Realitäten seiner Zeit gegenüberzustellen. Stellen auch wir unseren Weihnachtsglauben bewusst hinein in die persönlichen, politischen und kirchlichen Realitäten.

Mir und Ihnen allen wünsche ich, dass wir mit innerer Freude Weihnachten feiern können und dass man dann auch von uns wie von den Hirten sagen kann: „Sie rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten“ (Lk 2,20).

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


Top