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2. November 2022 | Kommentar der Woche | 

Gertrud Pollak: Insolvenz anmelden?


(Foto: Jose Antonio Alba, pixabay.com)

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Kommentar der Woche:

Insolvenz anmelden?

Dr. Gertrud Pollak | Bistum Mainz (Foto: basis-online.net)

Dr. Gertrud Pollak | Bistum Mainz (Foto: basis-online.net)

 

 

 

 

 

Gertrud Pollak

Insolvenz anmelden?

02.11.2022

Irgendwie ist es gerade derzeit fast Gewohnheit geworden, immer wieder zu hören oder zu lesen, dass Geschäfte und Betriebe Insolvenz anmelden müssen. Keine erfreuliche Entwicklung. Für manche ist das nicht nur ein wirtschaftliches Debakel, sondern auch eine Herausforderung für die persönliche Lebensgestaltung, oft eine massive Krise.

Erstaunlich, dass dieser Begriff auch ganz anders daherkommen kann – so, dass er gar nicht auf materielle Zusammenhänge zielt. Ich kannte das nicht, bis ich es von einem Gemeindepfarrer hörte, man könne mittlerweile "als Pfarrgemeinde Insolvenz anmelden". So gäbe es Stimmen in der Pfarrei.

Aus der Beschreibung des Priesters, wie eine solche Einstellung zustande kommen kann, wurde schnell klar, dass niemand an ein finanzielles Desaster denkt oder oberflächlich strukturelle Kritik anmelden will. Zwar steckt im Wort selbst eigentlich die "Unfähigkeit zu zahlen". Aber der Begriff wird einfach verfremdet. Es geht nicht um Geld. "Insolvenz" in den Stimmen dieser Gemeindemitglieder bezieht sich auf eine ganz andere als die wirtschaftliche Ebene. Es geht nicht um fehlende Kirchensteuern. Es fehlt anderes.

Warum soll eine Pfarrei "Insolvenz anmelden", wo doch nach außen alles funktioniert und fachlich klappt. Die pastoralen Mitarbeiter seien gut geschult, verstünden ihre Arbeit, aber eben wie "gute Handwerker" war aus der Gemeinde zu hören. Ein hartes Urteil! Doch weshalb?

Vieles wird in der Kirche als hohl empfunden. Was manchen fehlt, ist der religiöse Pegel, das, was eine katholische oder christliche Gemeinde eigentlich ausmachen sollte. Es geht um den inneren Gehalt, die Werte und Überzeugungen, die Inhalte des Christlichen, den Glauben und seine Inhalte.

Gesucht wird das Gespräch über so viel Unverständliches, was geschieht. Vermisst wird ein kontemplativer Zugang zu dem, was sich als Zeichen der Zeit im Alltag heutiger Menschen ereignet. Wer hilft das deuten, was wir erleben oder die Medien melden? Wer fragt nach der Stimme Gottes in all dem, was täglich begegnet?

Wir erleben "externe Insolvenzursachen". Die vielen Faktoren, die von außen auf die Kirche und ihre Pfarrgemeinden einwirken, sollten nicht unterschätzt werden. Strukturelle und konjunkturelle Veränderungen machen vor den Kirchentüren nicht Halt. Alles, was derzeit als „Missbrauch“ in der Kirche fungiert, will und kann jedes spirituelle Niveau senken oder gar negieren.

Die angemahnte "Insolvenz" kann und muss auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Es bleibt die Gefahr einer unkritischen Anpassung und fehlenden Sensibilität für mehr als das äußere Funktionieren. Was fehlen mag ist das Unterscheidungsvermögen. Es geht im Religiösen heute nicht um das starre Festhalten an äußeren Formen. Die Identität des Christlichen und Katholischen, der Inhalt und der gelebte Glaube braucht immer neue Ausdrucksweisen. Eine Fehleinschätzung wäre, die Zeichen der Zeit zu ignorieren, eine andere, sie nicht aus dem Evangelium zu deuten. Was vielen heute fehlt, ist eine spirituelle Zeitdiagnose, eine Tieferführung, damit sie die Sprache Gottes in all den Ereignissen hören und verstehen könnten.

Die Krise sollte zur Chance werden. Wir können uns verstärkt auf das besinnen, was heute leben hilft. Bevor eine Gemeinde "Insolvenz" anmeldet gilt es, die Schattenseiten auszuleuchten. Wenn die kontemplative Schau, die spirituelle Vertiefung vieler Lebensvorgänge als Fehlanzeige empfunden wird, dann braucht es Christen, die vormachen, dass es möglich ist, Gott heute zu hören. Eine Gemeinde und nicht zuletzt ihr Priester sollte den Mut haben, das Geistliche zu akzentuieren. Hinhören auf das, was Menschen erzählen, sie verstehen wollen und dann Gelegenheiten suchen, in all dem auch die Stimme Gottes zu verstehen. Nicht "Insolvenz" sondern Transparenz, Durchblick zu Gott ist gefragt.

Dr. Gertrud Pollak, Mainz
Ordinariatsdirektorin a. D.
Generaloberin Säkularinstitut Frauen von Schönstatt

Quelle: www.spurensuche.info
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung


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