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1. Oktober 2022 | Worte des Bewegungsleiters | 

Miteinander Gott hören – Zeichen der Zeit und Anregungen des Heiligen Geistes im Alltag


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Wenn wir einen Ausflug machen oder eine Veranstaltung im Freien durchführen wollen, werden wir alle zu kleinen Meteorologen. Wetter-App und Regenradar auf dem Mobiltelefon geben uns zeitnahe Informationen und Prognosen, wie das Wetter in den nächsten Tagen oder genau in der nächsten Stunde sein wird. Wie viel technische Hilfsmittel hinter den Wettervorhersagen auch stehen: In der konkreten Situation bleibt eine Unsicherheit, und wir müssen selbst entscheiden und eben losgehen oder zu Hause abwarten.

Zur Zeit Jesu war der Blick auf das Wetter viel unmittelbarer verbunden mit den Möglichkeiten für die landwirtschaftliche Arbeit und damit für die notwendigen Lebensgrundlagen. Wie die Entwicklung des Wetters anhand von Windrichtung, Lufttemperatur und Wolkenbildung einzuschätzen ist, damit kannten sich seine Zeitgenossen aus. Im Vergleich dazu kritisiert Jesus jedoch, dass sie viel weniger die Entwicklung und Ereignisse der Zeit als Zeichen verstehen, durch die Gott auf etwas aufmerksam machen will: „Das Aussehen des Himmels wisst ihr zu beurteilen, die Zeichen der Zeit aber könnt ihr nicht beurteilen“ (Mt 16,3).

Wenn wir am 18. Oktober jedes Jahr bewusst auf den Tag der Gründung Schönstatts schauen, lohnt es sich, die Hintergründe wahrzunehmen, wie es überhaupt zur Gründung kam. Äußerlich war der Vortrag vor den Internatsschülern damals im Studienheim nicht spektakulär. Für Pater Kentenich war er aber das Ergebnis eines längeren Betrachtungsprozesses. In seinen Überlegungen war er eine bewusste gläubige Antwort auf Führungen und Hinweise Gottes. Und er war sich bewusst, dass diese göttlichen Hinweise und Zeichen sehr klein waren. Der eine Hinweis „war ein kurzer Artikel in der »Allgemeinen Rundschau« (Nr. 29 vom 18. VII. 1914, S. 521) von Pater Cyprian Fröhlich. Er berichtet in einigen Zügen die Entstehungsgeschichte des in Italien berühmten Wallfahrtsortes Valle di Pompei“. Der Artikel erklärt: „Bartolo Longo gründete dort auf den Trümmern der alten heidnischen Stadt zwei große Anstalten für Waisenmädchen und Sträflingskinder und eine große Wallfahrt ... Der Berichterstatter fügt bei: »Wie dies alles geschah? Ja, das ist eben das Wunder. Hätte die Madonna di Pompei nicht unwiderlegliche Wunder gewirkt ..., so wäre es das größte Wunder, dass ein unbekannter Advokat nach dem Jahre 71 in dem modernen Italien auf den Trümmern einer heidnischen Stadt einen Wallfahrtsort gründen konnte«.“ Ein zweiter Hinweis war für Pater Kentenich „die Überzeugung von der bisherigen besonderen göttlichen Führung der jungen Studentenkongregation“. Ein kleines Zeichen in Form eines Zeitungsartikels und die Fruchtbarkeit des Lebens waren seine Ansatzpunkte. Und doch waren in seinem Glauben die Worte des Vortrags, der später Gründungsurkunde heißen wird, kein Ausprobieren, sondern sie waren für ihn eine bewusste gläubige Antwort auf die Einladung Gottes: „Könnte es nicht »im Plane (Gottes)« liegen, die Gottesmutter zu bewegen, sich ähnlich wie in Pompei hier im alten Michaelskapellchen, das ein Abstellraum für alte Gartengeräte geworden war, niederzulassen“ (Kentenich, Brief an Pater Fischer 1952)

Kleine Zeichen und große Entwicklungen

Ebenso wie Fügungen und Ereignisse im persönlichen Bereich waren für Pater Kentenich auch die gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen Anlass, nach den Plänen Gottes zu fragen. Schon früh sah er Veränderungen auf die Kirche zukommen. Es sprach von Enteuropäisierung, Entterritorialisierung, Entmaterialisierung und Entpolitisierung der Kirche. Er meinte damit, dass die Kirche weltkirchlicher wird und der Einfluss Europas zurückgeht (Enteuropäisierung), dass sich das katholische Milieu auflöst (Entterritorialisierung) und dass die finanziellen und materiellen Absicherungen schwinden und die Kirche ärmer werden soll (Entmaterialisierung). Entpolitisierung meint nicht etwa, dass die Christen kein politisches Bewusstsein haben sollten. Vielmehr wollte er betonen, dass die Kirche immer weniger über Parteien und staatliche Strukturen Einfluss ausüben wird und kann. Als „Zeichen der Zeit“, als Hinweis Gottes, die eine gläubige Antwort brauchen, sprach Pater Kentenich deshalb von „Personalisierung“ und Familiarisierung“. Schönstatt sollte alle Kraft für die Unterstützung zu einem persönlichen Glauben einsetzen und Gemeinschaftserfahrung ermöglichen, wo man persönliches Interesse und Wertschätzung erfährt.

Miteinander Gott hören ... (Foto: Gaida, pixabay)

Miteinander Gott hören ... (Foto: Gaida, pixabay)

Dauerwirksamkeit der Medien – Daueraufregung oder nachdrückliches „miteinander Gott hören“

In der permanenten Vielfalt medialer Stimmen wird vieles laut und immer lauter und noch viel mehr geht unter. „Nur keine Nachrichten sind schlechte Nachrichten“, wird deshalb oft gesagt. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die merken, dass wir gute Nachrichten und Perspektiven brauchen. „Nur gute Nachrichten sind gute Nachrichten“, könnte man diese Einsicht formulieren. Es ist ein Zeichen von Entschiedenheit und eines aktiven Umgangs in einem aufgeheizten Meinungsstreit, wenn man sich nicht in den Streit hineinziehen lässt. Es geht darum, göttliche Pläne und Absichten hinter den Verschiebungen und Veränderungen zu entdecken und darauf zu antworten. Erst so hört man auf, Teil des Problems zu sein und Teil der Lösung zu werden.

Diese Suche nach den Absichten Gottes hinter den Erschütterungen, Grenzerfahrungen und Fragen, die als Dauerthemen auf uns einströmen, ermöglicht ein gemeinsames Gesprächsklima und ein „miteinander Gott hören“. Immer wieder ist die Kirche in ihrer Geschichte mit dramatischen Fehlern und dem Schuldigwerden ihrer menschlichen Akteure konfrontiert worden. Immer wieder führt es dazu, dass man die Kirche in ihrer geistlichen Wirklichkeit nicht mehr erkennt und nicht mehr daran glauben möchte. Diese Frage nach der Kirche als geistliche Wirklichkeit ist auch jetzt die tiefere Herausforderung der Kirche. Verlust der Deutungshoheit, Vertrauensverlust, Verlust der Glaubwürdigkeit sind wichtige Beobachtungen. Sie greifen aber nicht tief genug. Viele Nachrichten über kirchliche Themen und Entwicklungen sind schmerzlich oder ärgerlich oder herunterziehend. Mir wird immer deutlicher, dass alle Bemühungen um Reformen von einem tieferen Vorgang begleitet werden müssen. Immer mehr sehe ich die wachsende Polarisierung als einen Hinweis. Es geht darum, dass eine gläubigere Sicht auf die Kirche als geistliche Wirklichkeit wachsen kann. Das Lob über die Schönheit der Braut im Hohen Lied wurde immer wieder gedeutet als Beschreibung, wie Christus seine Braut, die Kirche, sieht. „Siehe, schön bist du, siehe, du bist schön. … Alles an dir ist schön, meine Freundin, kein Makel haftet dir an“, heißt es dort im 4. Kapitel. Sieht Jesus die Kirche so? Ist so eine Frage möglich oder einfach nur ärgerlich? Als Produkt von Reformen und menschlichen Verbesserungsbemühungen wird die Kirche nie diese schöne Braut sein. Als geistliche Wirklichkeit ist diese Schönheit gleichzeitig gnadenhaftes Geschenk und innere Wachstumsrichtung.

Eine solche Perspektive hat vielfältige Verzweigungen. Wie immer man über die Bischöfe und ihre institutionelle Macht und Autorität diskutiert, wir können die geistliche Dimension ihres Dienstes und ihrer Verantwortung nicht fördern, wenn wir sie kaputt kritisieren. Wir können nicht Kirche als geistliche Wirklichkeit fördern, wenn wir nicht selber mehr geistliche Menschen werden. Wir können nicht von der göttlichen Wertschätzung jedes Menschen sprechen, wenn es zwar allgemein akzeptiert und plausibel klingt, aber ohne geistliche Erfahrung und Kraft verkündet wird.

Im Liebesbündnis mit Maria in Schönstatt haben wir gelernt und lernen es immer noch mehr, dass Gottes Nähe und seine Führung eine gleichzeitig menschliche wie geistliche Wirklichkeit ist. Bis in Ihre ganz persönlichen Lebenssituationen hinein wünsche ich Ihnen dieses Vertrauen.

Zum 18. Oktober wünsche ich Ihnen, dass viel Freude daraus erwächst, wenn wir unser Leben als gläubige Antwort auf unser persönliches und gemeinsames Gott hören leben.

Viel Segen zum Bündnistag!

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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