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8. August 2022 | Worte des Bewegungsleiters | 

… miteinander Gott hören


Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Miteinander Gott hören (Motiv: Maria Kiess, Freising)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

… miteinander Gott hören

Zu dem neuen Jahresmotto hat uns Frau Maria Kiess ein Aquarellbild geschenkt. Das Bild vermittelt gleich im ersten Moment durch die kräftigen und feurigen Farben und die Gruppen von Personen eine besondere Energie. Es ist wie eine Momentaufnahme, die vielfältiges Leben einfängt. Auch wenn im Hintergrund eine ganze Stadt in den Blick kommt, ist das einzige Bauwerk, das deutlicher zu erkennen ist und um das sich die Personen besonders gruppieren, die Kapelle. Das Heiligtum ist in Schönstatt der lokale Ursprungs- und Mittelpunkt, und inzwischen ist es weltweit zu einem Erkennungszeichen für die Schönstatt-Bewegung geworden.

Das Marienheiligtum der Gnadenmutter von Schönstatt steht für die marianische Prägung unserer Spiritualität. Das Hören auf den Willen Gottes wird für Maria zur Mitte ihres Lebens. Lukas beschreibt im ersten Kapitel seines Evangeliums dieses Berufungsgeschehen. Maria hört die Stimme des Engels, und erst allmählich kann sie über die Unbegreiflichkeit der Botschaft von der Menschwerdung Gottes hinaus ihre gläubige Bereitschaft zusagen. In vielen Kunstwerken wird diese Begegnung von Maria mit dem Engel Gabriel dargestellt. In Liedern wird dieser Moment besungen und viele Menschen verbinden sich im Gebet des „Engel des Herrn“ täglich mit diesem Moment.

Im Blick auf das Ja-Wort der Gottesmutter und im Blick auf ihre Hingabe an den Willen Gottes sind im Laufe der Geschichte tausende von Berufungsentscheidungen angestoßen worden und haben zu Entscheidungsschritten geführt. Es geht um ein äußerlich ganz stilles und unsichtbares Geschehen. Es eröffnet jedoch den Blick hinein in einen persönlichen und intimen Vorgang einer Glaubenserfahrung und Glaubensantwort, und dieses Klima überträgt sich. Gott hat die geheimnisvolle Mitte der Welt- und Heilsgeschichte, die Menschwerdung des Sohnes Gottes in Jesus Christus, verwoben mit der menschlichen Offenheit für sein Wort. Dass für Gott und für die Welt das innere persönliche Hören und Antworten auf die Anregungen des Geistes bedeutungsvoll ist, ist gar nicht so leicht zu glauben. In einer Welt mit ca. 8 Milliarden Menschen hat sich ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit des Einzelnen unter die Haut gestohlen.

Zum Glück werden Menschen immer aus einer innigen, ja aus einer ganz leib-seelischen Urbeziehung heraus geboren. Und das persönliche Ja-Wort, das zwei Menschen verbindet, wird in der Geburt des gemeinsamen Kindes noch einmal auf ganz besondere Weise tiefer. In einem Kreis junger Männer kam es einmal zu einem interessanten Gespräch. Etwa die Hälfte dieser Männer waren bereits Väter geworden. Es war allen anzumerken, dass für alle diese Väter der Blick auf das Leben eine neue Mitte bekommen hat. Und in der anderen Hälfte dieser Männergruppe war zu spüren, wie sehr sie staunend erlebten, dass die anderen eine Erfahrung in sich haben, die sie sich gar nicht recht vorstellen können und doch auch wünschen.

„Ich will gegen das Geleucht der Lichter meinen Dunkelheiten trauen“

In einem Lied aus dem Musical „Ave Eva“ wird die Verkündigungsstunde zur Anregung, dem zu trauen, was ganz persönlich als Anregung und Anruf im eigenen Herzen wach wird. Sich nicht blenden lassen von dem vielen, was um uns herum an „Geleucht der Lichter“ ständig die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Eine Physikstudentin hat sich in Astronomie spezialisiert (da geht es um die Planeten und die Erforschung des Universums und das hat nichts mit Astrologie und Horoskopen zu tun). Ein Negativbild des Weltraums, ein Bild mit vielen schwarzen Punkten auf weißem Hintergrund, zeigte nicht viele Sterne, sondern jeder schwarze Punkt war nicht nur ein Stern, sondern stand für eine ganze Galaxie von Sternen. Das „Unglaubliche“ dieser Dimension hat sie so tief getroffen, dass in ihr eine tiefere Beschäftigung mit dem Glauben an Gott begann. Immer mehr hat sie sich dem Glauben an die Schöpfung und auch an die Botschaft des Christentums geöffnet. Irgendwann merkte sie, dass es nicht nur um Wahrheiten und Deutungen des Lebens geht, sondern dass sie selber einen inneren Schritt machen muss. Und die persönliche Hingabe an Gott und Jesus schloss das persönliche Ja zur Gemeinschaft des Glaubens, zu einer echten Solidarität mit der Kirche und den realen Schwestern und Brüdern im Glauben mit ein. Es ging um den Schritt, sich taufen zu lassen. Und gerade dieses Bekenntnis fiel ihr besonders schwer und verlangte von ihr einen Schritt, den ihr atheistischer familiärer Hintergrund nur mit Unverständnis und Ablehnung quittierte. Glaubenserfahrung und Glaubensantwort können zu einer wirklichen Herausforderung „gegen das Geleucht der Lichter“ werden.

Nicht nur die Gesamtheit des Universums kann uns geistlich beeindrucken. In dem Buch Werktagsheiligkeit beschreibt Pater Kentenich, dass auch kleine Wirklichkeiten uns berühren können und zu einer Einladung und zu einem Moment werden, die uns mit Gott verbinden. Alle Dinge können „kleine Propheten“ sein, die zur Dankbarkeit, Aufmerksamkeit und Nachdenklichkeit anregen. „Der Werktagsheilige hört und versteht nicht nur meisterlich die zahlreichen Propheten Gottes, die ihm begegnen, er beantwortet ihre Botschaft auch durch herzliche Gegenliebe“ (Werktagsheiligkeit, S. 124).

Hören und Nachdenken brauchen das Antworten und Lieben. Und je mehr man es einübt, tatsächlich zu antworten, umso wacher wird man für das Wahrnehmen und Heraushören.

Gemeinsam Hören – Schritte aus der eigenen Komfortzone heraus

Wie hängen das persönliche geistliche Hören und Antworten mit einem gemeinsamen Hören und Antworten zusammen? Im Blick auf unsere Jahresausrichtung beschäftigt mich diese Frage am meisten. Ich glaube, das persönliche Einüben bildet die Grundlage, die auch das gemeinsame Suchen nach den Spuren Gottes verändert. In einer Ehe, in einer Familie, in einer Gruppe und auch in jedem kirchlichen Vorbereitungs- und Verantwortungsteam spielt der gemeinsame Grundwasserspiegel an geistlicher Achtsamkeit eine Rolle. Und doch braucht es für ein „miteinander Hören“ einen Schritt mehr. Man muss die eigene geistliche Suche und Überzeugung auch ins Wort bringen. Ich glaube, es ist gut, wenn man dafür auch einen Sinn für Zurückhaltung und Diskretheit hat. Von meiner Großmutter wurde immer erzählt, dass sie schnell ihren Rosenkranz versteckte, wenn sie am Beten war und jemand dazu kam. Man soll ja Frömmigkeit nicht nach außen zeigen.

Ob das für uns heute der Grund ist, wenn wir uns nur selten über unsere alltäglichen Glaubenserfahrungen austauschen? Vielleicht ist es uns einfach selbst nicht wichtig genug. Vielleicht müssen wir uns im Miteinander dafür mehr Anregungen geben, um auch gemeinsam einen geistlichen und gläubigen Blick auf die Ereignisse des Lebens zu lernen.

Vielleicht könnten wir bei Besprechungen und Planungen öfter mal mit dem „Engel des Herrn“ beginnen, auch wenn es sehr traditionell wirken mag. Vielleicht bringt uns auch ein Bild in die Nähe zu diesem Moment im Leben der Gottesmutter, wo ihr Hören und Antworten so entscheidend war. Gemeinsames marianisches Klima kann – auch wenn es selbstverständlich ist – tiefer, konkreter und fruchtbarer werden.

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


Leitartikel aus dem Bündnisbrief der Schönstatt-Bewegung Deutschland
Redaktionsschluss: 22. Juli 2022




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