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Pfingstkongress: Ein Arbeitsprozess nach der Kentenich-Methode
Pfingstkongress: Ein Vormittag zur Standortbestimmung in der Causa Kentenich (Foto: Brehm)
Hbre. Der inhaltliche Arbeitsprozess des Pfingstkongresses kommt an diesem zweiten Tag in Fahrt. Einleitend erklärt Pater Heinrich Walter vom Kernteam der Kongressleitung, dass die Methode Pater Kentenichs dem Prozess zugrunde liegt: Beobachten, Vergleichen, Straffen, Anwenden. Am Vormittag geht es um die neu aufgeworfenen Fragen um den Gründer Schönstatts, Pater Josef Kentenich. Am Nachmittag geht es um „best practice“-Projekte zu verschiedenen Schwerpunktthemen, die bereits in der mehrjährigen Kongressvorbereitungszeit eine Rolle gespielt haben.
Dr. Getrud-Pollak, Generaloberin des Säkularinstitutes „Frauen von Schönstatt“ und Mitglied des Generalpräsidiums moderiert den Vormittag (Foto: Brehm)
Schwester M. Veronika Riechel, Mitglied in der Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern (Foto: Brehm)
P. Eduardo Aguirre, Postulators im Seligsprechungsprozess für Pater Kentenich ist aus Costa Rica zugeschaltet (Foto: Brehm)
Prof. Dr. Hubertus Brantzen (Foto: Brehm)
Schwester Dr. M. Elizabet Parodi, Schönstätter Marienschwester (Foto: Brehm)
Blick auf die „Causa Kentenich“
Das Beobachten konzentriert sich am Vormittag auf das für Schönstatt aktuelle Thema „Causa Kentenich“. Moderiert von Dr. Getrud-Pollak, Generaloberin des Säkularinstitutes „Frauen von Schönstatt“ und Mitglied des Generalpräsidiums, tragen vier Statements zur Standortbestimmung des von Bischof Dr. Stephan Ackermann ausgesetzten Seligsprechungsverfahrens für den Schönstatt-Gründer bei:
Schwester M. Veronika Riechel, Mitglied in der Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern, beschreibt die Entwicklungen und Führungen der letzten zwei Jahre. Sie gibt Einblick in die verschiedenen Etappen und Ebenen im Prozess der Auseinandersetzung. Stichworte sind: Errichtung einer Medienkommission, Forschung, „Information und Studium“, juristische Auseinandersetzung. „Das Ganze ist ein Abenteuer zwischen Himmel und Erde. Wir können gespannt sein, wie der Heilige Geist uns weiterführt, um die Person des Gründers intensiver zu entdecken“, lautet ihr Schlussgedanke.
Es folgt ein Wort des Postulators P. Eduardo Aguirre zur Aussetzung des Prozesses: Die Aussetzung bedeute, dass der Bischof von Trier derzeit im Prozess nicht weiter aktiv ist. Der Prozess sei von „der Diözese Trier auf Eis gelegt, aber nicht abgeschlossen, und deshalb können wir von Seiten der Schönstattfamilie den Ruf der Heiligkeit Pater Kentenichs weiterhin verbreiten, wie wir es bisher getan haben“, so P. Aguirre. Er selbst bleibe in der Aufgabe des Postulators und auch die „Gründersekretariate“ könnten weiterhin arbeiten. Der Postulator schließt mit dem Hinweis, dass die Herausforderungen der letzten zwei Jahre durch eine intensivierte Forschung, aber auch durch stärkere Beschäftigung der internationalen Schönstattfamilie mit Person und Charisma des Gründers, auch einen positiven Effekt gehabt hätten.
Unvermutete Einsichten – Stichproben der Forschungsergebnisse
Die beiden sich anschließen Beiträge geben Einblick in Forschungsergebnisse der jüngsten Vergangenheit: Prof. Dr. Hubertus Brantzen titelt seinen Beitrag „Unvermutete Einsichten – Neue Perspektiven, die sich aus den Veröffentlichungen ergeben.“ Auf Grundlage des aktuellen Forschungsstandes beschreibt er das komplizierte Netz von Interessen und Abhängigkeiten, das sich hinter den Anschuldigungen gegen Pater Kentenich auftut. Da sind die verschiedenen Interessengruppen, die als Aktoren zutage treten, die unterschiedlichen Problemfelder, vor allem aber das Aufeinandertreffen verschiedener Wertwelten.
Sr. Dr. M. Elizabet Parodi bringt in ihrem Statement diese Kollision noch markanter auf den Punkt: Wegen dem „Knäuel“ der Verwirrungen, die sich aus dem Zusammenstoß von altem Paradigma vorkonziliarer Kirche und dem neuen Paradigma Kentenichs ergaben, sei das Exil fast „unvermeidlich“ gewesen, so stellt sie fest. Immer wieder stoße man bei den Archivforschungen auf erstaunliche Tatsachen.
So verweist sie auf einen Briefwechsel Pater Kentenichs aus dem Jahr 1950 mit dem damaligen Trierer Bischof Bornewasser. Kentenich wendet sich gegen die Vorbehalte des Visitators gegenüber seiner Erziehungspraxis und erklärt ganz entschieden: Das Riskante sei nicht der Weg Schönstatts, sondern im Gegenteil die damalige „Denk- und Erziehungsweise“ innerhalb der Kirche, gerade auch in der Priesterausbildung. Sein Anliegen sei ein Paradigmenwechsel zu einer ganzheitlichen Lebensweise, in der natürliche und übernatürliche Bindungen auf gesunde Weise ineinander spielten. Er fürchte, so Kentenich weiter, wenn die Kirche nicht den Mut zu einem solchen neuen Weg habe, „werden sexuelle Entgleisungen in Zukunft in erschreckendem Maße zunehmen, vor allem unter den Klerikern." Der Bischof habe diese Ansage Kentenichs damals „aufs Schärfste“ zurückgewiesen. Aber Pater Kentenich habe seine Warnung in einem weiteren Brief noch verstärkt und dringend darum gebeten, sich doch mit diesem Anliegen auseinanderzusetzen.
Das sei damals nicht geschehen, so Dr. Parodi in ihrem Statement weiter, sondern es sei das Exil Pater Kentenichs gefolgt. Pater Kentenich habe 1955 in einem Brief dazu geschrieben: „Leider hat die spätere apostolische Visitation das Problem trotz ständiger Versuche meinerseits nicht aufgegriffen. Sie blieb bei einigen ungewohnten und deshalb befremdenden Lebensäußerungen hängen, ohne zu deren Lebensquelle und Lebenswurzel, will heißen ohne zum Kern der Organismuslehre und Bindungspädagogik vorzudringen.“
Das Exil als Konsequenz von Missverständnissen
Das Exil, so Schwester Elizabeth, sei die Konsequenz von Missverständnissen gewesen. „Pater Kentenichs Überlegungen und sein Wirken beschränkten sich nicht darauf, gute Ratschläge zu geben. Er selbst versuchte, Räume zu schaffen – seine eigene Person ist einer davon –, die eine neue Form des Ineinander von Natürlichem und Übernatürlichem erfahrbar machen“, so die Referentin. Dass das zu Spannungen mit der damaligen Praxis der Kirche führen würde, sei Pater Kentenich klar gewesen. Aber das sei der Anspruch eines prophetischen Charismas gewesen, unter dem auch das heutige Schönstatt stehe.
Ihr Statement schließt Sr. M. Elizabet mit einem Vergleich ab: „So wie die Bedrohung der Liebe nicht in erster Linie der Hass ist (ihr Gegenteil), sondern die Besessenheit, d.h. die Reduzierung der Liebe auf das, was ich brauche, so besteht die Bedrohung für das Charisma heute nicht in erster Linie darin, es anzugreifen, sondern es zu reduzieren, zu glauben, dass wir es bereits haben, dass wir es ergriffen haben.“ Die Versuchung, sich im „Besitz“ der Wahrheit zu fühlen, könne die Bewegung nur gemeinsam überwinden: „indem wir einander zuhören und vor allem auf den Geist hören, der zu uns durch die Stimmen der Zeit und die Bedürfnisse unserer Kirche spricht“.
Die intensiven Impulse dieser Statements werden anschließend in Sprachgruppen betrachtet und ausgewertet.
Ehepaar Gehring, Schweiz, stellt einen der Workshops vor (Foto: Brehm)
Der Nachmittag bringt eine „Beobachten-Runde“ praktischer Art
Zunächst werden fünf Online-Workshops vorgestellt, die in den Monaten vor dem Kongress in den Kontinenten Europa und Amerika stattgefunden haben. In allen diesen Workshops ging es um „best practice“-Projekte zu verschiedenen Schwerpunktthemen, die im internationalen Austausch vorgestellt wurden: Ein europäischer Workshop mit dem Thema „Kentenich-Intensiv-Kurse“, je ein Workshop in Europa und Amerika zu synodalen Prozessen in den Schönstatt-Bewegungen verschiedener Länder, weitere Workshops im amerikanischen Kontinent zu Präsenz und Wirksamkeit Schönstatts in der Gesellschaft (sozial, wirtschaftlich, politisch) und zum pädagogischen Einfluss Schönstatts in der Gesellschaft. Nach dem Vorstellen der einzelnen Workshops im Plenum ist Raum für einen Parcours, bei dem diesesmal die Workshop-Verantwortlichen die Lernenden sind: die Teilnehmer sind eingeladen, ihre eigenen Erfahrungen zu den bereits vorliegenden Ergebnissen beizusteuern. In einem weiteren Workshop treffen sich die anwesenden Mitglieder aus der jungen Generation, um ihre Ressourcen für das Schönstatt der Zukunft wahrzunehmen.
Pfingstliche Gebetsstunde zum Abschluss eines arbeitsreichen Kongresstages (Foto: Brehm)
Pfingstliche Gebetsstunde
Der intensive Tag mündet ein in eine Pfingstliche Gebetsstunde in der Anbetungskirche auf Berg Schönstatt. Sie gibt Raum, die Begegnungen und Erkenntnisse dieses Tages im Hören auf den Heiligen Geist ausklingen zu lassen. Ein besonderer Akzent und emotionaler Höhepunkt dieser geistlichen Zeit ist die Fackelübergabe der ältesten Generation von Kongressteilnehmern (über 65-Jährige) an die junge Generation (die unter 30-Jährigen).
Die junge Generation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat die Fackel übernommen (Foto: Brehm)