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1. Juni 2022 | Worte des Bewegungsleiters | 

„Ihr seid mein Empfehlungsbrief!“


Pater Josef Kentenich (Foto: Archiv PressOffice Schönstatt)

Pater Josef Kentenich (Foto: Archiv PressOffice Schönstatt)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

„Ihr seid mein Empfehlungsbrief!“ – mit diesem Wort des heiligen Paulus aus dem zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth (2 Kor 3,2) hat Pater Juan Pablo Catoggio, der Vorsitzende des Generalpräsidiums, sein Wort an die internationale Schönstattfamilie überschrieben. Anlass seines Impulses für die weltweite Schönstatt-Bewegung ist die Entscheidung des Bischofs von Trier, Dr. Stephan Ackermann, das Seligsprechungsverfahren für unseren Gründer Pater Josef Kentenich auszusetzen. Diese Nachricht ist inzwischen über verschiedene Informationskanäle (Bistum Trier, schoenstatt.de, viele Kirchenzeitungen …) veröffentlicht und kommentiert worden.

Sicherlich ist es für viele aus dem Raum der Schönstatt-Bewegung eine Enttäuschung, dass mit der Aussetzung des Verfahrens durch das Bistum Trier für die angesagte Aufklärungsarbeit durch eine Historiker- und Expertenkommission keine weiteren Schritte mehr unternommen werden. Dies ist nun unesre Aufgabe. Außerdem ist es ein Anstoß, uns darüber Rechenschaft zu geben, welche Bedeutung unser Gründer für uns selbst hat, welchen Beitrag, welche Sendung er für die Kirche hat und welches Charisma Gott durch ihn und durch Schönstatt unserer Zeit schenken möchte.

In Gesprächen mit meinen Mitbrüdern habe ich in den letzten Monaten erlebt, dass wir uns mehr Zeit nehmen als sonst, um über unsere persönlichen Erfahrungen, Fragen und gläubigen Überzeugungen im Blick auf Pater Kentenich zu sprechen. Im Zusammenhang mit dem Seligsprechungsverfahren haben wir uns an ein Wartesaal-Lebensgefühl gewöhnt. Jetzt, mit der Aussetzung des Engagements vonseiten der Diözese, ist die Tür heraus aus dem Abwarten aufgestoßen. Für uns alle ist die Situation jetzt eine Aufforderung, weniger abwartend zu sein. Die Situation fordert von uns heraus, fragender, klärender und entschiedener über Pater Kentenich und sein Charisma ins Gespräch zu kommen. Entscheidend ist dabei, wie deutlich und hilfreich das Charisma Schönstatts wirklich heute von uns selbst und von anderen erlebt wird.

Paulus muss sich damit auseinandersetzen, dass nach seinem Weggang aus Korinth seine Autorität in Frage gestellt wurde. Eigentlich sei er ja gar kein richtiger Apostel, sagten manche. Und doch hat er großes Vertrauen zu „seiner“ Gemeinde in Korinth. Er weiß, dass etwas von seiner Begegnung mit dem Auferstandenen auf die Gemeinde übergesprungen ist. Und das ist das Entscheidende: „Unser Empfehlungsbrief seid ihr; eingeschrieben in unsere Herzen und von allen Menschen erkannt und gelesen. Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern – wie auf Tafeln – in Herzen von Fleisch“ (2 Kor 3,2f).

Das ist auch für uns der Maßstab in einer doppelten Weise. Man soll zum einen an uns erleben, dass wir aus den Inspirationen unseres Gründers leben und wirken, und zum anderen soll jeder, der mit Schönstatt in Kontakt kommt, den lebendigen Gott tiefer erfahren.

Wenn man von einem Charisma spricht, als sei das menschliches Können und ein Anspruch, den andere zu akzeptieren haben, dann wäre das eine große Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung. Wir wissen, dass Zerbrechlichkeit und Grenzerfahrungen dazugehören. Auch das beschreibt Paulus sehr deutlich: „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt“ (2 Kor 4,7). Jeder Mensch, der in seinem Leben die Werte des Reiches Gottes verwirklichen will, kann dies nur, wenn er mit den Gaben des Heiligen Geistes rechnen darf.

Charisma – Erfahrung und gläubige Überzeugung

Wir glauben, dass Gott jedem Menschen persönliche Begabungen geschenkt hat. Darin liegt seine Lebensaufgabe und nach der Richtung geht sein Beitrag, wie er im Leben für andere fruchtbar und zum Segen werden soll. In Gemeinden und Gemeinschaften sagt man dafür heute oft, man soll darauf achten, dass man charismenorientiert jeden Menschen schätzt und zum Zug kommen lässt. In der Heiligen Schrift wird von Charismen gesprochen im Sinne von besonderen Gnadengaben. Paulus schreibt so zum Beispiel von der Gabe der Heilung oder der Gabe prophetischer Rede. In der Kirche lebt auch die Überzeugung, dass Gott in seiner Kirche Männer und Frauen beruft, die durch ihr Charisma eine besondere Fruchtbarkeit entfalten sollen im Sinne eines größeren Wirkungshorizontes als Antwort auf die Herausforderungen der Zeit.

Ein Mensch, der durch seine Lebensgeschichte und seine Lebenserfahrung zu der Überzeugung gelangt, dass er so eine Sendung hat, wird sich schnell in Auseinandersetzungen wiederfinden. Einerseits muss sich die göttliche Qualität erweisen durch das, was durch ihn wächst und aufgebaut wird (an den guten Früchten erkennt man den guten Baum), andererseits muss er erklären und dafür kämpfen, dass deutlich wird, worin das Besondere, das Göttliche und Charismatische liegt, das seine Lebensberufung ausmacht.

Um Pater Kentenich und durch sein vielseitiges Wirken ist in einem außergewöhnlichen Maß eine vielfältige geistliche Familie gewachsen. Von ihm ausgehend sind viele geistliche Gemeinschaftsgründungen, viele Projekte und Initiativen und viele inhaltlichen Konzepte und Inspirationen entstanden. Ein Seligsprechungsverfahren reicht nicht aus, ein solches Charisma bekannt und wirksam zu machen. Es gibt viele heiliggesprochene Menschen, die kaum jemand kennt.

In Gesprächen mit Menschen, für die Pater Kentenich und Schönstatt eine Bedeutung haben, bin ich manchmal verblüfft, wie sie durch ihn inspiriert werden. Ein Lehrer, der inzwischen schon pensioniert ist und dennoch mit einem bestimmten Zeitkontingent für Unterricht zur Verfügung steht, sagte in so einem Gespräch: „Pater Kentenich hat sich Zeit genommen für das Gespräch mit Menschen. Das gibt es heute viel zu wenig und das ist mir auch wichtig geworden“. Eine andere Frau sagte: „Ich habe eine einzige Predigt von ihm live gehört. Mein Erleben war, dass diese Predigt genau für mich und meine Lebenssituation gesagt war. Durch diese Worte hat Gott mir eine hilfreiche Wegweisung gegeben“. Das sind ganz kleine Mosaiksteine, die jeder für sich nicht viel bedeuten. Wenn Sie aber in einer ungewöhnlichen Fülle berichtet werden, ahnt man, dass sich darin eine Gabe, ein Charisma zeigt.

Für viele sind aus einer Begegnung mit ihm und in seiner Schule Wachstumswege zu innerer Freiheit und zu einer inneren Beheimatung in Gott geworden. Obwohl die Vorwürfe gegen Pater Kentenich im Seligsprechungsverfahren angeschaut und beurteilt wurden, ist es jetzt nötig, dass wir sie mit unserer heutigen Frageperspektive neu anschauen und beurteilen. Es geht ja um die Frage, ob sie das Vertrauen in Pater Kentenich und den Glauben an sein Charisma in Frage stellen. In der Fülle von positiven Begegnungen gibt es auch Erfahrungen von Enttäuschung und auch Verletzungen. Oft sind solche Begegnungen durch weitere Gespräche sogar zu besonders tiefen Beziehungen geworden. Nicht immer. Gerade die Dinge, die als Kritik an ihn herangebracht wurden, hat Pater Kentenich nie verheimlicht, sondern wollte, dass sie genauer und in ihrem Zusammenhang angeschaut und verstanden werden. Eine charismatisch-prophetische Berufung für die Kirche braucht keine Fehlerlosigkeit, aber wir wollen den ganzen Pater Kentenich kennen und noch besser verstehen. So können wir umso entschiedener die Quellen unserer Spiritualität leben und anbieten.

Pfingstkongress 2022 – „Vom Geist bewegt“

In den Tagen nach Pfingsten findet in Schönstatt der zweite internationale Pfingstkongress statt. „Vom Geist bewegt“ ist das Motto. Ich lade Sie alle ein, zu Hause und in allen Schönstattheiligtümern diesen Kongress zu begleiten. In einer wichtigen Phase der Schönstattgeschichte und der Kirche geht es um das gemeinsame Hören auf die Zeichen der Zeit und wie Gott uns durch seinen Heiligen Geist führen will. Und es geht darum, dass wir mit den Führungen Gottes auch mitgehen.

Herzliche Grüße vom Heiligtum der Gottesmutter in Schönstatt, wo am 8. Juni der Pfingstkongress beginnt!


P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


Leitartikel aus dem Bündnisbrief Juni 2022 der Schönstatt-Bewegung Deutschland
Redaktionsschluss: 17. Mai 2022

Jahresbitte 2021/2022 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)

Jahresbitte 2021/2022 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)


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