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29. August 2021 | Deutschland | 

bewegenswert e. V. – Eine Woche Hilfseinsatz im Ahrtal


TITEL (Foto: AUTOR)

bewegenswert e.V.: Hilfseinsatz im Ahrtal  (Grafik: bewegenswert e.V.; Foto: CnndrBrbr at German Wikipedia)

T. Birringer. Vom 23. bis 27. August rief der bewegenswert e.V. dazu auf, an einem Hilfseinsatz im von der Flut schwer betroffenen Ahrtal teilzunehmen: 20 Helferinnen und Helfer im Alter vom 19 bis 71 Jahren sind dem Aufruf gefolgt und kamen für eine Woche nach Schönstatt, Vallendar, um von dort aus täglich aufzubrechen und aktiv beim Wiederaufbau zu helfen. „Wir waren eine bunte und vielfältige Helfertruppe. Ökumene wurde spürbar und erlebbar“, so eine Stimme aus dem Helferkreis.

Zu Beginn der Woche waren wir fast nur unbekannte Gesichter füreinander. Es gab ein Trüppchen aus Heidelberger Feuerwehrleuten, die Schönstatt noch nicht kannten. Sie sind evangelisch und haben unsere Initiative über Instagram gesehen und sich einfach angemeldet. Dann gab es einzelne SMJler und junge Erwachsene aus Schönstatt und noch zwei Frauen von Schönstatt, die sich zur Verfügung gestellt haben. Und auch eine Fahrradpilgerin, die über schoenstatt.de auf die Aktion aufmerksam geworden war“, berichtet Carolin Brehm, eine der vier bewegenswert-Mitglieder, die den Einsatz organisiert und durchgeführt haben.

Die Weinflaschen müssen gewaschen werden bevor sie verkauft werden können. (Foto: S. Weiss)

Die Weinflaschen müssen gewaschen werden, bevor sie verkauft werden können. (Foto: S. Weiss)

Aus dieser bunt zusammengewürfelten Truppe wurde aber schon nach dem ersten Einsatztag eine feste Gemeinschaft, die wirklich etwas bewegt hat. Die Gruppe ist jeden Morgen zusammen von der Helferunterkunft Sonnenau in Schönstatt, Vallendar, aus nach Grafschaft zum Helfer-Shuttle gefahren, mit dem es dann ins Ahrtal und nach getaner Arbeit abends wieder zurück ging. Die durchgeführten Arbeitseinsätze waren breit gefächert: von harten Abrissarbeiten mit schwerem Gerät über den Einsatz in den Weinbergen, wo man Reben entblättern musste, bis hin zum Abspülen tausender völlig verdreckter Weinflaschen einer Winzergenossenschaft. Am Ende dieses Artikels finden sich ausführlichere Tagesberichte zu den Hilfseinsätzen, die der bewegenswert e.V. auch hier auf seiner Webseite veröffentlicht hat.

Eine Teilgruppe nach Stemmarbeiten (Foto: L. Stipulkowski)

Eine Teilgruppe nach Stemmarbeiten (Foto: L. Stipulkowski)

Neben den Arbeitseinsätzen und der Unterstützung der Betroffenen im Ahrtal standen auch die Helfer und ihre Erlebnisse im Fokus. Die Eindrücke im Flutgebiet sollten in der Gruppe verarbeitet werden können: „Jeden Abend war zu spüren, dass die Gruppe sich noch besser kennengelernt hat und immer vertrauter miteinander wurde. Nach dem Abendgebet blieb man gerne zusammen, um weiter zu sprechen und zu singen. Es war eine tolle Stimmung. Ökumene wurde spürbar und erlebbar. Auch die Gespräche danach gingen bis in die Nacht hinein. Es wurde vom Tag und vom Erlebten erzählt, aber auch von persönlichen Dingen. Es wurde tiefer und intensiver“, so Carolin Brehm weiter. Während der Abendgebete durften alle Helfer das vor Gott bringen, was sie den Tag über bewegt hat. Das wurde in Form von Wasser geschöpft. Dieses Wasser, das für alles Erlebte und auch die Vorkommnisse im Ahrtal steht, wird am Sonntag, 5. September 2021, in der Pilgerkirche zu Weihwasser gesegnet (Gottesdienst-Übertragung Radio Horeb). So kann aus allem Schlimmem, aber auch aus der gelebten Solidarität Segen erwachsen.

Im Fazit aller Beteiligten spielt die Dankbarkeit eine große Rolle. Nicht nur die Dankbarkeit der betroffenen Menschen für die erhaltene Hilfe, sondern auch das Gefühl der Dankbarkeit bei den Helfern für die intensiven Erfahrungen und die Freude darüber, helfen zu können. So bleiben am Ende des einwöchigen Hilfseinsatz im Ahrtal als Ergebnis weniger die rund achtzig geleisteten Personenarbeitstage, sondern vielmehr das für die betroffenen Menschen umso wichtigere Signal der Solidarität: „Ihr seid nicht allein.“

Tagesbericht Montag, 23. August: 

Verschlammte Weinflaschen der Winzergenossenschaft Mayschoß (Foto: S. Weiss)

Verschlammte Weinflaschen der Winzergenossenschaft Mayschoß (Foto: S. Weiss)

“Heute morgen ging es für uns um acht Uhr los. Erster Stopp war die Station der Helfershuttle in Grafschaft. Schnell war unser Shuttle gefunden: Ein uralter weißer VW-Bus, der übersäht war mit bunten Blumen. Unsere Fahrerin brachte uns nach Mayschoss, sie hatte ihren Urlaub abgebrochen, um zu helfen. Auf der Fahrt sahen wir das ganze Ausmaß der Verwüstung. Allen von uns waren die Bilder aus den Medien bekannt, aber die abgerissenen Brücken, die in der Luft hängenden Bahnschienen und die leerstehenden Häuser ließen uns sprachlos zurück. Angekommen an unserem Zielort wurden wir eingeteilt. Eine Gruppe säuberte den Weinkeller von Schlammresten, die hartnäckig an der Wand und dem Gewölbe hingen. Die andere Gruppe half beim Säubern der Weinflaschen. Insgesamt müssen vor Ort ca. 800.000 Flaschen vom Schlamm befreit werden. Sie haben die Flut überlebt und der Verkauf sichert die Existenz der Winzer. Über die Hälfte hatten Freiwillige, Eigentümerinnen und Eigentümer vor uns schon geschafft und auch durch unsere Hände gingen heute viele Weinflaschen. Eine Waschstraße wurde aufgebaut und in den letzten Wochen optimiert. Erst wurden die Flaschen am Verschluss und am Boden von Hand gereinigt; dann in eine Maschine gegeben, die den Dreck rundum abbürstet und trocknet und danach von Hand sortiert. Nebenbei ergaben sich immer wieder Gespräche z.B. mit anderen Freiwilligen. Viele sind an diesem Tag gekommen und packten mit an. Mittags saßen wir dann bei einem gemeinsamen Mittagessen, das für uns bereitgestellt wurde. Dankbar machten wir eine kleine Pause. Ein Wasserwerfer der Polizei zog unsere Blicke auf sich. Er fuhr die behelfsmäßige Straße entlang. Plötzlich ertönt über das Mikrofon: 'Guten Appetit! Lasst es euch schmecken!' Schmunzeln bei allen Helferinnen und Helfern. Ich lasse meinen Blick über die Menschen schweifen: Feuerwehrler, THWler, Rotes Kreuz und viele Freiwillige aus unterschiedlichen Orten. Einige Namen und Geschichten kenne ich am Ende des Tages und die Verabschiedung ist herzlich. Noch herzlicher der Dank derer, denen wir geholfen haben. So macht helfen Spaß.”

Tagesbericht von Sandra

Tagesbericht Dienstag, 24. August:

Stemmarbeiten in einem betroffenen Haus (Foto: J. Reichert)

Stemmarbeiten in einem betroffenen Haus (Foto: J. Reichert)

“Heute morgen ging es los zum zweiten Helfertag. Die morgendliche Routine mit Aufstehen, Frühstücken, Zähne putzen, Arbeitskleidung Anziehen und Losfahren sitzt bei den meisten Helfern mittlerweile, so dass wir pünktlich um 8:00 Uhr losfahren konnten. Am Infopoint angekommen, wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Fünfergruppe säuberte wieder Weinflaschen. Die andere machte sich mit einem Bus voll anderer Helfer nach Ahrweiler auf. Hierbei gab es schon die ersten Probleme, da wir einen aus unserer Gruppe vor dem Einsteigen verloren. Nach kurzem Anhalten des Busses und Anrufen des Vermissten, fand er unseren Bus und unter tosendem Applaus der anderen Helfer, konnten wir nach Ahrweiler fahren. Es ging vorbei an zerstörten Ufern und Häusern. An unserem Zielhaus, einer Eisdiele im Herzen von Ahrweiler, fingen wir an, mit unseren elektrischen Stemmhämmern die Fliesen und den Putz des Gebäudes abzutragen. Hierbei waren Staub und dunkle Räume unsere Begleiter. Nachdem wir den Keller gesäubert hatten, durften wir es uns im Zentrum von Ahrweiler gemütlich machen und Currywurst oder Kartoffelcurry verspeisen. Mit uns saßen viele weitere Leute: Einwohner, Hilfskräfte oder auch Shuttlebusfahrer waren da und jeder hatte etwas Interessantes zu berichten.
Nach der Pause konzentrierten wir uns nur noch auf den Putz an den Wänden, wobei einige von uns am Ende mehrere Staubschichten auf der Haut trugen und das Gesicht durch den weißen Staub teilweise nicht mehr zu sehen war. Nach dem Arbeitsende liefen wir zu unserer Haltestelle zurück, wobei uns einige Mitglieder einer kirchlichen Initiative auf dem Weg noch mit „Coffee to go“ und Gebäck versorgten. So wurden wir wieder zum Sammelzentrum zurück gefahren und trafen uns dort mit der fünfköpfigen Gruppe, welche die Weinflaschen geputzt hatte. Bevor wir wieder zu unserer Unterkunft zurück fuhren, machten wir es uns auf der Wiese mit einem Getränk gemütlich und berichteten uns gegenseitig von unseren Erlebnissen.“

Tagesbericht von Martin

Tagesbericht Mittwoch, 25. August:

Helferausrüstung (Foto: M. Lindner)

Helferausrüstung (Foto: M. Lindner)

"Helfen im Ahrtal, das bedeutet wortwörtlich mit Helm und Hammer durch die Wand. Egal ob arbeiten im Weinberg, Schlamm schippen in den Kellern oder Putz abklopfen in den überschwemmten Wohnungen – es ist wichtig, das richtige Werkzeug zu haben. Man begegnet überall Helfern, die von Kopf bis Fuß ausgestattet sind. Und doch, das wichtigste Werkzeug aller, die hier anpacken, ist die zupackende und positive Einstellung. Damit geben sie den Bewohnern des Ahrtals das Werkzeug an die Hand, das hilft, weiterzumachen. 'Ohne Euch würden wir es nicht schaffen', dieser Satz ist oft zu hören. Als Helfer weiß man dann nicht so recht, was man antworten soll. Was man fühlt ist einfach nur ein 'Ich bin froh, dass ich meinen winzig kleinen Beitrag leisten kann. Danke, dass ich hier sein darf.'”

Tagesbericht von Magdalena

Tagesbericht Donnerstag, 26. August:

Die Arbeiten im Wingert sind vielerorts liegen geblieben...(Foto: C. Kammann-Inda)

Die Arbeiten im Wingert sind bisher vielerorts liegen geblieben...(Foto: C. Kammann-Inda)

Der liebe Gott hat nicht gewollt, dass edler Wein verderben sollt…”

“Heute wurde 'geblättert'. Damit der Spätburgunder genug Sonne und Luft bekommt, wird das Laub im Sommer ausgedünnt. Dafür hatten viele Winzer im Flutgebiet bisher keinen Kopf und keine Zeit.
Clemens und Heidi empfingen uns morgens mit offenen Armen und großer Dankbarkeit im Hof des Weinguts. Dort hat Heidi eine Behelfsküche eingerichtet, sie kocht- vor allem Kaffee – für Helferinnen, Helfer und Nachbarn. Ihr Hof mit acht geretteten Stühlen ist zum Treffpunkt geworden, für alle, die eine Pause von der Katastrophe brauchen. 'Im Vergleich mit anderen, leben wir auf dem roten Teppich' sagt Heidi.
Nach der Arbeit im Wingert wollen einige von uns noch in die Winzergenossenschaft Wein kaufen. Clemens fährt uns hin und gibt allen eine Flasche aus: als Dankeschön, dass wir ihm geholfen haben – eine kleine Geste für den Dienst, den die Menschen, die zum helfen kommen, dem Ahrtal leisten. Für den Wiederaufbau. Weggehen kommt für Heidi und Clemens nicht in Frage. Hier ist ihr Weinberg, ihre Heimat."

"Wein, weil’s weitergeht."

Bericht von Helena

Tagesbericht Freitag, 27. August:

Stemmarbeiten in einem Mehrfamilienhaus (Foto: J. Reichert)

Stemmarbeiten in einem Mehrfamilienhaus (Foto: J. Reichert)

“Jetzt liegen wir hier, geschafft, fertig, alles tut weh. Aber die Sonne scheint und wir haben ein Bierchen in der Hand. Wir sind glücklich.
So endet unser Tag, doch drehen wir die Zeit etwas zurück.
7:00 Uhr – der Wecker klingelt. Das Aufstehen fällt gewohnt schwer aber dafür war die Freude auch umso größer, die andern dann beim Frühstück zu sehen. Die Abfahrt wurde etwas nach vorne verlegt, um früher vor Ort zu sein und sich besseres Werkzeug sichern zu können. Das hat dazu geführt, dass die letzten Brötchen auf dem Weg zum Auto verzehrt werden mussten. Nach der Ankunft suchten wir entsprechendes Werkzeug zusammen und sprangen nach einer musikalischen Einstimmung mit Nana Mouskouris Klassiker „Guten Morgen Sonnenschein“ in den ersten Bus nach Ahrweiler. Ein Helfer gab uns noch den gut gemeinten Tipp, auf unsere Fingerkuppen aufzupassen, da es bei denen wohl am gestrigen Tag einen Teilverlust gab. Die Wahl unserer Werkzeuge stellte sich vor Ort dann doch eher als semigut heraus, da unsere Auswahl an Stemhämmern, in der Summe maximal einen gut funktionierenden ergeben hätte. Aber das Fehlen von Griffen oder einer Arretierung des Meisels glichen wir mit Motivation und Armkraft aus.

Auch an diesem Tag hatten wir unsere Gruppe zweigeteilt. Ein Teil unserer Gruppe stemmte in einem Mehrfamilienhaus Fliesen, Estrich und Putz, der andere Teil arbeitete wieder engagiert in den Weinbergen mit. Sie beschrieben ihren Tag mit folgenden drei Worten: lustig, blätterreich, nett.

So steht man da mit seinem 5,6 kg schweren Stemmhammer und prügelt mit 2650 Schlägen pro Minute auf den Putz einer vielleicht ehemaligen Wohnzimmerwand ein und macht kaputt. Wir kommen, um zu helfen, verbringen unseren Tag aber mit 'Zerstören'. Wir tun nichts anderes als kaputt zu schlagen und das Kaputtgemachte heraus zu schippen. Irgendwie komisch. Am Ende des Tages verlassen wir das Haus und haben eine komplette Etage bis auf die Grundmauern 'zerstört'. Wir haben damit geholfen.“

Bericht von Tilman

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