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19. August 2021 | Deutschland | 

Pater Franz Reinisch – geradlinig, entschieden, konsequent


Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC im Interview anlässlich des Gedenkens an Pater Franz Reinisch SAC (Foto: Brehm)

Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC im Interview anlässlich des Gedenkens an Pater Franz Reinisch SAC (Foto: Brehm)

Hbre. Vor 79 Jahren, am 21. August 1942 wurde Pater Franz Reinisch im Zuchthaus Brandenburg-Görden wegen der Verweigerung des Fahneneides auf Hitler enthauptet. Im Gedenken an diesen geradlinigen, entschiedenen und konsequenten Priester, der Pallottiner und Mitglied der Schönstattbewegung war, findet am Samstag, 21. August 2021, an seinem Grab in unmittelbarer Nähe der Schönstattkapelle von 19.15 bis etwa 20 Uhr eine Gedenkfeier statt, die vom ehemaligen Postulator im Seligsprechungsprozess von Pater Reinisch, Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC und von Pfr. Egon M. Zillekens, Schönstatt Priesterbund gestaltet wird. Die Gedenkstunde wird von www.schoenstatt-tv.de live im Internet übertragen.

Aus Anlass des Gedenkens an Franz Reinisch veröffentlicht schoenstatt.de an dieser Stelle ein Interview mit Pater Niederschlag. Prof. em. Dr. Heribert Niederschlag SAC, war Postulator im Seligsprechungsprozess von Pater Reinisch. Er ist „Reinischkenner“ durch und durch und lebt aus einer persönlichen Beziehung zu ihm.

Ein großer Suchender

Pater Niederschlag, heute vor 79 Jahren wurde Franz Reinisch im Gefängnis in Brandenburg-Görden bei Berlin enthauptet. Als einziger Priester hatte er den Fahneneid auf Adolf Hitler verweigert. Wie würden Sie ihn beschreiben als Mensch?

Prof. em. Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC (Foto: Brehm)

Prof. em. Pater Dr. Heribert Niederschlag SAC (Foto: Brehm)

Er war ein großer Suchender. Vom Vater inspiriert, der Jurist war, studierte er zuerst auch Jura in Innsbruck. In seinem Freisemester in Kiel erschütterte ihn, was er in der Gerichtsmedizin zu sehen bekam. Er wandte sich vom Jurastudium ab und entschied sich, Priester zu werden. Er studierte in Innsbruck Philosophie und in Brixen Theologie. In Brixen begegnete er auch Pallottinerstudenten. Mit einem von ihnen freundete er sich an. Dieser wurde schon bald nach Nordamerika versetzt. Von dort schrieb er Franz Reinisch zur Priesterweihe, dass er sich ihn auch als Pallottiner vorstellen könnte. Dieser Hinweis lässt Franz Reinisch nicht los. Schon ein halbes Jahr nach der Priesterweihe tritt er in Untermerzbach bei Bamberg in das Noviziat der Pallottiner ein. Dort erlebt er eine harte und schwierige Eingewöhnungszeit in die Gemeinschaft der Pallottiner. Die vielen Regeln und die strenge Ordnung setzen ihm zu. Er hält durch und legt die Profess ab.

1933 entdeckt Franz Reinisch bei einem Besuch im Provinzialat in Friedberg bei Augsburg die Zeitschrift „Sal terrae“. Was er dort liest, begeistert ihn. Er wird aufmerksam auf Schönstatt, wodurch sich ihm eine neue faszinierende Welt erschließt. Für ihn geht ein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung, als er 1938 nach Schönstatt versetzt wird. Hier wird ihm die Männerseelsorge anvertraut und die Weltmission.

Franz Reinisch (Gemälde: Gebhard Hepp, Foto: Brehm)

Franz Reinisch (Gemälde: Gebhard Hepp, Foto: Brehm)

Christlicher Glaube und Nazi-Ideologie sind unvereinbar

Als Hitler an die Macht kommt, dauert es nicht lange, bis Franz Reinisch sich entschieden gegen ihn wendet. In seinen laut und leidenschaftlich geführten Diskussionen über Hitler und die NSDAP wird seine klare und eindeutige Position schnell allen Mitbrüdern bekannt. Die Obern sind beunruhigt. Sie fürchten um die Gemeinschaft. Von vornherein lehnt er entschieden die Ideologie der NSDAP ab. Schneller als andere erkennt er, dass christlicher Glaube und die Nazi-Ideologie unvereinbar sind. Sein starker Zug, aufs Ganze zu gehen, stellt ihm klar vor Augen, dass er, würde er zum Militär einberufen, den Fahneneid auf Hitler verweigern muss, was aber unweigerlich seinen baldigen gewaltsamen Tod zur Folge hätte.

Franz Reinisch stellt sich den Herausforderungen seiner Zeit und zugleich ist und bleibt er ein Suchender, der sich ständig fragt: Welchen Weg zu gehen verlangt Gott von mir? Er ist mutig genug, Entscheidungen zu treffen und Wege einzuschlagen, die sich ihm öffnen.

Was fasziniert Sie am meisten an ihm? Und was kann er unserer heutigen Zeit sagen?

Mich beeindruckt immer wieder neu, dass Franz Reinisch seinen Weg konsequent und zielstrebig gegangen ist, auch später in der Zeit der Gefangenschaft, als sich Todesängste und innere Anfechtungen seiner zu bemächtigen suchten. Auch seine klare Erkenntnis in sehr früher Zeit, ein Christ dürfe niemals Nazi sein. Für ihn gab es hier nicht ein „sowohl als auch“, sondern nur ein „entweder oder“. Diese Erkenntnis schnell und konsequent umzusetzen, faszinieren mich. Er musste diese große Entscheidung allein treffen. Außer seinen Eltern unterstützte ihn darin niemand. Pater Kentenich sagte nicht Ja und nicht Nein zu Reinischs Entschluss, den Fahneneid zu verweigern. Er verwies ihn auf sein Gewissen: Wenn Sie Ihre Entscheidung vor Ihrem Gewissen verantworten können, dann gehen Sie Ihren Weg. Viele wollten Franz Reinisch davon abhalten oder waren sogar zornig auf ihn. Mancher beschimpfte ihn und wandte sich schroff ab. Franz Reinisch reagierte ohne Hass auf jene, die ihm sehr zusetzten.

Pater Heribert Niederschlag (Foto: Brehm)

Sich in die Haltung der „ars moriendi“, in die „Kunst zu sterben“ einüben

Wir leben heute verunsichert, wissen nicht so recht, welchen Informationen wir vertrauen können. Wenn wir es wissen, fehlt häufig der Mut, zu unserer Überzeugung zu stehen. Da fällt es leichter, auf die „Anderen“ zu schauen den Weg einzuschlagen, den „man“ geht. Franz Reinisch fordert uns auf zu fragen: Wer bin ich? Wer sollte ich werden? Was will Gott von mir? Mein Lebensglück finde ich da, wo ich bei mir zu Hause bin, mein Leben lebe und tue, was Gott gefällt, an dem Ort, wo er mich hingestellt hat.

Mich beeindruckt auch, wie sehr er als junger Mensch den Tod mit ins Leben hineinnimmt. Er hat ihn nicht verdrängt, sondern sich bewusst mit ihm auseinandergesetzt. Wir leben heute in sehr unsicheren Zeiten. Unfassbares geschieht, ganz überraschend schnell kann es uns treffen, ohne dass wir uns lange vorbereiten können. Auf der einen Seite leben wir auf hohem Niveau, leben einigermaßen glücklich und zufrieden, auf der anderen Seite kann in nur wenigen Stunden alles genommen sein. Die Flutkatastrophe im Ahrtal sollte uns einen Ruck geben, nicht mehr alles, was wir haben, so selbstverständlich zu nehmen wie bisher. Wir sollten für jeden Tag dankbar sein, aber zugleich damit rechnen, dass es schon am anderen Tag ganz anders sein kann. Wir müssen uns von neuem in die Haltung der „ars moriendi“, in die „Kunst zu sterben“ einüben und auf unser Ende vorbereitet sein, - ob es uns plötzlich trifft oder ob uns noch eine längere Zeit zu leben vergönnt ist.

Pater Heribert Niederschlag (Foto: Brehm)

Woraus nahm Franz Reinisch diese Kraft, seiner Überzeugung bis zum Tod treu zu bleiben, zumal ihn ja nur ganz wenige Menschen darin unterstützten?

Seine eigentliche Kraftquelle, wie mir scheint, war die „Schönstatt-Spiritualität“; seine Liebe zu Maria, von der er wusste, dass sie den Königsweg bahnt zum Herzen ihres Sohnes. Er hat stundenlang in der Gnadenkapelle gebetet und um seine Entscheidung gerungen. Ferner haben ihm die Schriften Vinzenz Pallotti mit ihren apostolischen Impulsen sehr zugesagt. Sie haben ihm eine Freiheit und Weite eröffnet, die seiner Persönlichkeit sehr entgegenkam.

Die Kraft des Gewissens

Was ihn in der Zeit der Gefangenschaft gestärkt hat, war die Gegenwart des Herrn in der hl. Hostie, die ihm Pfr. Kreutzberg in seine Gefängniszelle brachte, und das Lesen und Betrachten der biblischen Texte. In der Gefängniszelle genügte ihm die Hl. Schrift als Lektüre. Nicht zuletzt richteten ihn die Briefe seines Vaters und seiner Mutter auf. Beide standen voll und ganz hinter der Entscheidung ihres Sohnes. Franz Reinisch brauchte diese Kraftquellen, denn die Todesängste, die ihn hin und wieder furchtbar quälten, forderten das Äußerste von ihm. Er rang sich immer wieder von neuem zum Zeugnis der Liebe durch: „Von hier aus, von Berlin, der Stadt des Todes und des Hasses, will ich die Fackel der Liebe und des Friedens in die Welt schleudern.“

Die Kraft seines Gewissens führte ihn auch zu der Frage: was würde aus mir werden, wenn ich den Eid leiste? Seine knappe Antwort: „Dann wäre ich eine gebrochene Persönlichkeit, und so könnte ich nicht weiterleben! Lieber mir und Gott treu zu bleiben als sich einige Lebensjahre zu erkaufen und mit Vorwurf der Untreue zu leben.

Ein Vorbild und ein Geschenk für unsere heutige Zeit

An welcher Stelle steht der Seligsprechungsprozess im Moment?

Der Seligsprechungsprozess ist in der Diözese Trier am 28. Juni 2019 feierlich abgeschlossen worden. Alle wichtigen Akten und Dokumente sind nach Rom gebracht worden und werden in der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen aufbewahrt. Die Prüfung aller Akten und Dokumente ist inzwischen erfolgt und die bisherige Arbeit für gut befunden worden, - in der Sprache der Kongregation lautet das Ergebnis: „AFFIRMATIVE“. Nun kann die Arbeit in Rom beginnen. Es wird in nächster Zeit ein „Relator“ bestellt, der für den ordnungsgemäßen Verlauf des Prozesses und vor allem für die Erstellung der „Positio“ sorgt. In dieser Schrift wird das Leben von Franz Reinisch nachgezeichnet und als Ergebnis der bisherigen Untersuchungen festgehalten, dass Franz Reinisch ein vorbildlich integres christliches Leben geführt hat und seinen Glauben an Christus mit dem Blutzeugnis besiegelt hat. Wenn Franz Reinisch als „Märtyrer“ bezeichnet wird – daran zweifle ich nicht, – ist auf dem Weg zu seiner Seligsprechung kein Wunder nötig. Ferner muss die Positio herausstellen, dass Franz Reinisch ein Vorbild und ein Geschenk für unsere heutige Zeit ist, für unsere Gesellschaft und für die Kirche. Sobald die Positio juristisch und theologisch geprüft ist und die Zustimmung im Bischofs- und Kardinalsgremium findet, kann die Empfehlung zur Seligsprechung dem Papst zur Unterschrift vorgelegt werden.

Pater Heribert Niederschlag (Foto: Brehm)

Was bedarf es von unserer Seite, damit der Verlauf des Seligsprechungsprozesses weitergehen kann?

Ihn bekannt machen in unseren Freundes- und Bekanntenkreisen, in den Pfarrgemeinden und in den religiösen Gemeinschaften, ferner auch in den Medien, auf die wir Einfluss haben. Wir sollten uns von Reinischs Geradlinigkeit anstecken lassen, unser Gewissen bilden, wie er es getan hat. Die Zeit ist reif heute für seine Botschaft vom Gewissen, der Klarheit und Konsequenz. Von Stanislaw Lec stammt der Satz: „Auch die Stimme des Gewissens macht einen Stimmbruch mit.“ Das Gewissen „wird“, lernt und wird allmählich erwachsen. Jeder von uns muss entscheiden: Bin ich immer noch das gehorsame Kind, das einfach die Stimme bestimmter Autoritäten übernimmt – oder habe ich inzwischen eine eigene Stimme entwickelt, die sehr wohl die Autoritäten anhört, sie überdenkt und prüft, aber selbst das Schlusswort spricht und es auch verantwortet. Das sind wir unserer heutigen schwierigen und komplexen Welt mit ihren zahlreichen Herausforderungen schuldig, und hierfür kann uns Pater Franz Reinisch Anregungen geben und uns motivieren, das „Thema unseres Lebens“ zu entdecken und glaubwürdig zu leben. Franz Reinisch ist für uns ein Geschenk des Himmels und zugleich ein Vorbild.

Ganz herzlichen Dank, Pater Niederschlag, für das Interview. Besonderen Dank für die immense Arbeit, die Sie investieren und ihr Gebet, um das Leben und Wirken Pater Reinischs bekannter zu machen und dadurch Menschen heute wertvolle Impulse für ein geradliniges, entschiedenes Leben zu vermitteln.

Das Interview führte Claudia Brehm

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