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18. August 2021 | Worte des Bewegungsleiters | 

Endlich Urlaub!


Jahresbitte 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)

Jahresbitte 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)

Liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Mit dem Wort Urlaub wird innere Erleichterung und Freude wach. Gerade im Rückblick auf das andauernde Gefühl der Belastung in den vergangenen 15 Monaten wünschen wir uns noch mehr als sonst Erholung, Aufatmen und neue Lebensenergie. Wir erleben auch, dass wir das nötig haben. Vielleicht erwarten wir sogar zu viel von der Zeit, die wir als Urlaub gestalten können. Braucht es zu allem Vorbereiten und Planen eines Urlaubs auch so etwas wie eine innere Vorbereitung für eine erholsame Auszeit?

Ein Heißluftballon steigt in die Höhe, wenn man Ballastsand über Bord wirft. Das gilt auch für Alltagsballast. Wenn man etwas davon über Bord werfen oder wenigstens eine Zeit lang in den Hintergrund stellen kann, dann kann innere Erholung beginnen.

Der amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau (1817–1862) hat ein paar Jahre in einer Blockhütte im Wald gelebt. Er bündelte schon damals seine Erfahrung in der Empfehlung für ein gutes Leben in dem Wort „Simplify“, „Vereinfachung“. Heute kennen wir die vielen Ratgeber-Bücher, die ein erfüllteres Leben durch Vereinfachung und Loslassen versprechen.

In einem Interview zu einem solchen Buch benennt Birgit Medele Schritte für das Ballastabwerfen. Sie zählt unterschiedliche Arten von Ballast auf: „Papier, Kleidung, Bücher, Tonträger, Fotos und Geschenke. Papier entwickelt definitiv ein Eigenleben und scheint sich fast unkontrollierbar zu vermehren, ebenso die anderen Dinge. Bei Gefühlen sind Schuld, Groll oder ‚Nachtragen‘ besonders schwer loszulassen.“ Sie empfiehlt, zum Ballastabwerfen tatsächlich mit den äußeren Dingen zu beginnen. „Materieller Ballast ist immer ein guter Start. Dinge eignen sich sehr gut zum Einstieg, weil sie so schön ‚fassbar‘ und überschaubar sind. Und wir können die großen Themen damit üben: Abschied nehmen, Entscheidungen treffen, Intuition, Geduld und Disziplin entwickeln“ und „das Äußere spiegelt das Innere. Das Schöne daran ist, dass Klarheit schaffen im Wohn- oder Arbeitsumfeld immer auch entsprechende Parallelprozesse im Inneren einleitet.“

Das Äußere spiegelt das Innere

Ich glaube, die schiere Menge an Dingen, die sich in unserem Wohn- und Lebensraum ansammeln, ist die Außenseite einer noch größeren inneren Vielfalt, die uns anfüllt. Und manchmal entspricht die äußere Unordnung der inneren. Es gab wohl noch keine Generation in der Geschichte, die eine solche Menge an Bildern und Informationen, an Gesichtern und Meinungen, an gleichzeitigen Einflüssen und Attraktionen erlebt hat, wie das in unseren andauernden medialen Kontakten heute geschieht.

Während vielen Videokonferenzen haben wir es „gelernt“, gleichzeitig mehrere Kanäle zu bedienen: Wir hören einen Vortrag, schreiben Fragen oder Kommentare in den Chat, lesen und beantworten eine Email oder verschwinden mal, um eine Tasse Kaffee zu holen. In dem Buch „Werktagsheiligkeit“, das einen Pfeiler der schönstättischen Spiritualität beschreibt, gibt es keinen Abschnitt über Videokonferenzen. Ich glaube aber, dass heutige „Werktagsheilige“ ein Gefühl dafür hätten, welchen Respekt und welche ungeteilte Aufmerksamkeit ein Gegenüber auch in einer digitalen Begegnung verdient. Ob man sich über so etwas überhaupt Gedanken macht, ist schon viel und doch nur ein Aspekt. Ist es nicht viel schlimmer und in seinen Auswirkungen gefährlicher, dass wir bei allem „Lernen“ von Vielfalt die Fähigkeit zu ungeteilter Begegnung und ganzheitlicher Beziehung dabei „verlernen“?

Das Wort Jesu, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr passt, als das ein Reicher durch das enge Tor ins Himmelreich kommt (vgl. Mt 19,24) hören wir meist als Kritik von höchster Stelle im Blick auf soziale Ungerechtigkeiten. Aus heutiger Perspektive ist es auch eine Warnung vor der äußeren und inneren Überfülle, die wir seelisch nicht mehr bewältigen. Sie verstopft nicht nur das „Tor in den Himmel“, sondern sie verstopft schon die Sehnsucht danach und die geistliche Wachheit. Wir können uns die „eine Perle“, die kostbarer ist als aller Besitz und als alle anderen Möglichkeiten, gar nicht mehr vorstellen (vgl. Mt 13,46).

Vertrauen über die eigenen Sicherheiten hinaus

Die Vorstellung, mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein, wirkt so schön und so befreiend und doch fällt es so schwer, selbst kleine Schritte in diese Richtung anzugehen.

In einer Kinderbibel wurde das Jesuswort vom Nadelöhr mit einer Geschichte bebildert. Ein kleiner Junge wollte mit einem hochbeladenen Kamel durch das Tor in einer Mauer. Immer mehr hat er abgeladen und es immer wieder neu versucht. Schließlich musste er auch den Sattel abnehmen. Erst dann passte das Kamel durch das Tor. Ein Sattel macht das Reiten und das Vorwärtskommen nicht nur bequemer. Er gibt auch Stabilität und Sicherheit. Ich glaube, das Loslassen- und Nicht-Loslassen-Können hat auch etwas mit dem Gefühl von Sicherheiten und deren Verlust zu tun. Das Gefühl, Sicherheiten zu verlieren, macht Angst.

Wenn wir über die Zukunft der Welt, der Gesellschaft, der Kirche oder auch unseres eigenen Lebens nachdenken, hängt viel davon ab, ob wir die Sicherheit nicht nur in dem suchen, was wir jetzt haben, sondern ob wir dieser Zukunft Vertrauen schenken können.

Die Jahresbitte bringt im Bild ein solches Vertrauen in die Zukunft zum Ausdruck: über die Landschaft hinweg richtet sich der Blick auf das aufgehende Licht. Pater Kentenich bringt erstaunlich oft die Ungesichertheiten des modernen Lebens gleichzeitig mit einem heroischen und kindlichen Gottvertrauen zusammen. Oft spricht er vom Wagnischarakter des Glaubens. Psychologische Motivationen und pädagogische Bestärkungen reichen heute nicht aus. Eine wirkliche Leichtigkeit dem Leben gegenüber braucht ein Stehen in göttlichem Licht, in göttlicher Zuversicht und in göttlicher Kraft. Eine solche Verankerung ist mit einem kindlichen Gottvertrauen gemeint. Würden Sie für sich sagen, dass Sie ein kindliches Gottvertrauen haben? Vielleicht braucht es ein anderes Wort. Kindlich kann zu lieblich, zu realitätsfremd, zu naiv und zu unerwachsen klingen. Wichtig ist es, ob ich ein Wort finden kann, dass für mich stimmt. Von Jesus wissen wir, dass für ihn die tiefste Wurzel seines Gottvertrauens sich darin zeigte, dass er zu Gott „Abba“, „guter Vater“, sagte.

Vielleicht könnte auch ich in einem ruhigen oder einem besonders schönen Urlaubsmoment einfach sagen: „Abba, danke“. Und dann kann ich noch besser durchatmen, weil ich die tiefste Wurzel meiner Lebenssicherheit berührt habe.

Vom Heiligtum der Gottesmutter in Schönstatt wünsche ich Ihnen eine gute äußere und innere Erholung.


P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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