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23. Juni 2021 | Deutschland | 

Karl Leisner: Leben gestalten aus einer tiefen Bindung zum Heiligtum


23. Juni: Tag der Seligsprechung von Karl Leisner (Foto: Ausschnitt aus einem Ölgemälde im Priesterhaus Berg Moriah, Simmern WW.)

23. Juni: Tag der Seligsprechung von Karl Leisner (Foto: Ausschnitt aus einem Ölgemälde im Priesterhaus Berg Moriah, Simmern WW.)

Cbre. Pfarrer Oskar Bühler, Mitglied im Schönstattinstitut Diözesanpriester, ist ein Kenner Karl Leisners, der am 23. Juni 1996 beim Deutschlandbesuch von Papst Johannes Paul II. im Berliner Olympiastadion selig gesprochen wurde. Im Interview versucht Bühler den Seligen für die heutige Zeit erlebbar zu machen und zu verdeutlichen, wie dessen Leben Anregungen geben kann für das Leben von Menschen heute.

Leisners Kraftquelle: Die Bindung an die Dreimal Wunderbare Mutter von Schönstatt


Herr Pfarrer Bühler, was imponiert Ihnen am meisten an Karl?

Pfarrer Oskar Bühler. Sein Bericht über die erste Begegnung mit Schönstatt im Frühjahr 1933 hat mich besonders angesprochen und mich an meinen ersten Schönstattbesuch erinnert. Er schreibt: „Die zwei stillen Tage dort oben im ersten keimenden Frühling auf den nahen Höhen des Westerwaldes und im stillen Gebet im Kapellchen vor dem Gnadenbild der dreimal wunderbaren Mutter oder die abendlichen sakramentalen Andachten mit den ‚Gebeten um Gottes- und Nächstenliebe‘ – haben mir mächtig in die Seele gegriffen. Das ganz zurückgetretene, tief schlummernde Priesterliche und Ritterliche in mir - es war tief erregend wach gestoßen und entflammt!“

Pfarrer Oskar Bühler bei einer Veranstaltung im Priester- und Gästehaus Berg Moriah, Simmern WW. (Foto: Brehm)

Pfarrer Oskar Bühler bei einer Veranstaltung im Priester- und Gästehaus Berg Moriah, Simmern WW. (Foto: Brehm)

Mir ging es ähnlich, als ich 1953 zum ersten Mal in Schönstatt war. Ich erlebte das Heiligtum sehr intensiv als einen geistlichen Ort, als einen Ort des Gebetes, so dass ich mich dafür entschied: Dabei bleibe ich, da gehöre ich hin.

Die Bindung an das Heiligtum war für ihn das Entscheidende und Tragende, das ihm in entscheidenden Situationen geholfen hat: bei der Prüfung seiner Berufung zum Priester, als er plötzlich die ehelose Lebensform als schwere Last empfand. Auf der Fahrt ins Sanatorium wegen seiner lebensgefährlichen Lungen-Tbc steigt er in Schönstatt aus und betet mit der damaligen Schönstattfamilie im Sinne der „Blankovollmacht: „Himmlische Mutter, ich lege alles in deine Hände.“. Als er Monate später verhaftet wurde und in Freiburg im Gefängnis saß, erinnerte er sich an diesen Besuch und sein Gebet und machte es sich erneut zu eigen.

In den letzten Wochen vor seinem Tod bat er darum, man möge im Kapellchen in Schönstatt für ihn beten. Die Bindung an die Dreimal Wunderbare Mutter von Schönstatt war für ihn die Kraftquelle für sein Leben und Sterben als Märtyrer. Durch diese Bindung ist er das geworden, als was wir ihn verehren dürfen.

Karl Leisner als Jugendführer (Foto: Archiv)

Karl Leisner als Jugendführer (Foto: Archiv)

Familie Leisner - Karl unten rechts (Foto: Archiv)

Familie Leisner - Karl unten rechts (Foto: Archiv)

Karl Leisner im Dezember 1944 im Messgewand (Foto: Archiv)

Karl Leisner im Dezember 1944 im Messgewand (Foto: Archiv)

Einsatz – Geradlinigkeit – Vergebungsbereitschaft


Was hat er uns heutigen Menschen zu sagen?

Bühler: Wie jeder Heilige der Kirchengeschichte ist unser seliger Karl Leisner ein deutliches und auffallendes Zeichen für den lebendigen Gott. Er legt Zeugnis dafür ab, dass der Glaube an Gott im Sinne des Sich-von-Gott-führen-lassens das menschliche Leben sinnvoll und wertvoll macht.

Sein Besuch als 18-jähriger in Schönstatt gab seinem Leben eine Wende, wie er später selber schreibt: ab da weiß er sich verantwortlich für die „Junge Kirche“, für das Leben und den Glauben der Jugendlichen, die ihm anvertraut sind. Für heute: Hinausgehen, sich einsetzen für …

In seine Jugendzeit fällt die Zeit des Nationalsozialismus. Er beobachtet diese Strömung schon frühzeitig kritisch und erkennt ihre Gefährlichkeit. Er bildet sich ein eigenständiges Urteil und nimmt für seine Überzeugung auch Nachteile in Kauf, z.B. in der Schule. Im Mai 1933 vertraut er sein inneres Ringen seinem Tagebuch an: „Mancher verflixte Nazilehrer wird mir eine Falle stellen wollen, mich hindern wollen, mein Abitur fein zu bauen. Aber ich bleibe meiner Überzeugung treu. Aber wie soll ich mich zu Hitler und den Nazis stellen? Soll ich mitlaufen, mitschreien, mitziehen? Nein, das tu ich nicht; Ich bin aber trotzdem Deutscher und liebe mein Vaterland und meine Heimat. Aber ich bin auch und an erster Stelle Katholik.“ Für heute: geradlinige Einstellungen, auch wenn ich dadurch Nachteile einstecken muss.

Natürlich stellte sich auch die Frage: Wie stehe ich den Menschen gegenüber, die mich verfolgen und drangsalieren? Schon im Gefängnis in Freiburg beginnt er, für sie zu beten: „Aus ganzem Herzen bitte ich Dich für alle, die mir nicht gut gesinnt, und bitte Dich um Verzeihung für sie.“ Die letzten Worte in seinem Tagebuch kurz vor dem Tod lauten: „Segne auch, Höchster, meine Feinde!“ Für heute: Vergebungskultur leben.

Was wird in der Schönstatt-Bewegung unternommen, dass Karls Leben bekannt wird und andere inspiriert?

Bühler: Hier sei lediglich auf zwei Lebensbeschreibungen hingewiesen, die aus der Perspektive Schönstatts geschrieben sind und noch im Buchhandel erhältlich sind:

  • Hermann Gebert, Geschichte einer Berufung: Karl Leisner (1915-1945), Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt. (SPANISCH: Hermann Gebert, Historia di una vocacion: Karl Leisner (1915-1945), Mahringer Santiago de Chile; FRANZÖSISCH: Hermann Gebert, Histoire d’une vocation – Bienhereux Karl Leisner (1915-1945), Éditions Sainte-Madeleine)
  • Joachim Schmiedl, Karl Leisner – Leben für die Jugend, Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt.

Ausbaufähig das Bewusstsein, im Liebesbündnis mit einem Seligen verbunden zu sein


Karl wurde vor 25 Jahren selig gesprochen. Warum geht es nicht weiter zu einer Heiligsprechung?

Bühler: Hier möchte ich lieber fragen: Wie hat die internationale Schönstattfamilie in den zurückliegenden 25 Jahren die Seligsprechung ihres Karl Leisner aufgegriffen und sich zu eigen gemacht? Ist sie sich in allen ihren Gemeinschaften dessen bewusst, dass einer aus ihren Reihen zur Ehre der Altäre erhoben wurde und in der offiziellen Liturgie der Kirche als Seliger verehrt und angerufen werden darf? Oder anders formuliert: Ist sich die Schönstattfamilie in allen ihren Verzweigungen dessen bewusst, dass ein Seliger der Kirche mit ihr im Liebesbündnis verbunden ist?

Karl Leisner war zutiefst mit unserem Heiligtum verbunden. Wir dürfen davon ausgehen, dass er dies heute in intensiverer Weise ist. Nehmen die vielen, die in unserem Heiligtum ihre geistliche Heimat haben, unseren Seligen wahr? Meine persönliche Wahrnehmung geht dahin, dass wir in dieser Frage noch ziemlich am Anfang stehen. Solange wir nicht sagen können, dass der selige Karl Leisner im Herzen der weltweiten Schönstattfamilie einen selbstverständlichen Platz hat, fehlt zu seiner Heiligsprechung die wichtigste Voraussetzung.

25 Jahre nach der Seligsprechung scheinen mir diese Erwägungen angebracht und notwendig zu sein. Ein Wort unseres Gründers kann uns animieren und aufrütteln. Am 14. September 1952 schrieb Pater Kentenich aus Milwaukee an Domvikar Heinrich Tenhumberg in Münster: „Wenn St. Michael und Karl Leisner Ihre Bundesgenossen sind, brauchen Sie für die Zukunft nichts zu fürchten.“

Das Interview führte Claudia Brehm für www.schoenstatt.com


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