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18. Juni 2021 | Worte des Bewegungsleiters | 

„Wenn das Herz, diese Strohhütte, im Feuer der Liebe flammt …“


Jahresbitte 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)

Jahresbitte 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)

Liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

In einem indischen Märchen, der Geschichte der Maljasundari, wird die Wankelmütigkeit des menschlichen Herzens mit einem eindrücklichen Bild beschrieben. „Wenn das Herz, diese Strohhütte, im Feuer der Liebe flammt, wer weiß dann noch was sich ziemt und was sich nicht ziemt?“, sagt ein weiser Lehrer in diesem Märchen. „Das Herz, diese Strohhütte“, diese Formulierung ist mir beim Lesen dieses Märchens hängen geblieben.

Es liegt ja ein Doppeltes in diesem Bild: einerseits die Kraft eines schnell auflodernden Feuers und andererseits auch die schnelle Vergänglichkeit dieser Kraft. Ich denke, wir kennen alle die innere Dynamik im eigenen Herzen. Manche Wünsche und Ideen lassen einen nicht los. Auch wenn man gar nicht will oder Wichtigeres zu tun hat, landet man oft bei dem, was einen so unbewusst von innen her motiviert und interessiert. Diese innere Dynamik hat etwas, über das man nicht so einfach entscheiden kann. Manchmal verführt oder treibt sie einen gegen den eigenen Willen etwas zu tun und manchmal ist kein Antrieb mehr da, zu etwas, was man bisher mit großer Kraft und Begeisterung getan hat.

Wenn es um kurzfristige Schwankungen geht, reden wir von Stimmungen und die werden von außen und innen beeinflusst. In dem Märchen soll aber gerade nicht das oberflächliche Schwanken von Stimmungen beschrieben werden. Es geht um das „Feuer der Liebe“, das die tiefsten Schichten im Menschen erfasst. Und die ernste Frage, die mit dem Wort „Strohhütte“ angesprochen wird, ist die Frage, ob wir den Kräften und Strebungen unseres Herzens trauen können. Wie ist das mit der Beständigkeit von Entscheidungen? Wie bleibend und tragfähig sind Bezeugungen und Versprechen der Liebe, die Menschen einander sagen? Auch wenn es vielleicht nicht oft um so heftige und schnelle Erfahrungen von brennender Strohhütte geht, so steckt wohl doch in vielen Menschen unserer Zeit der Grundeindruck, dass dauerhafte und bleibende Liebe – ja sogar ewige Liebe und Treue – alles andere als eine sichere Erwartung für das Leben sind. Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Art von Ungewissheit in den heutigen jungen Genrationen viel stärker ist als in früheren Generationen. In jedem menschlichen Leben gibt es die Herausforderung, die Grundkraft der Liebe im Blick auf die eigenen Lebensentscheidungen und Lebenssituationen zu erneuern und mit Leben zu füllen.

In Verbindung mit dem Fronleichnamsfest feiert die Kirche jedes Jahr das Hochfest ‚Heiliges Herz Jesu‘. Dieses Fest für die ganze Kirche hat seine Wurzeln in persönlichen geistlichen Erfahrungen der Heiligen Margareta Maria Alacoque (* 22. Juli 1647, † 17. Oktober 1690).

Das „von Liebe entflammte Herz Jesu“

Der Vater von Margareta stirbt früh und hinterlässt der Familie einen Schuldenberg. Bald kommt sie zur weiteren Versorgung und Ausbildung in ein Kloster. Dort beginnt für sie ein besonderer geistlicher Weg. Sie begegnet Jesus in außergewöhnlich eindringlichen Erfahrungen und erlebt „das von Liebe entflammte Herz Jesu“. Die Verehrung des heiligen Herzens Jesu wurzelt in den biblischen Zeugnissen vom Sterben Jesu am Kreuz. Besonders der Hinweis auf den Stich der Lanze in das Herz Jesu, der seinen Tod dokumentiert, wurde zum Symbol der Größe der Liebe Jesu und seiner Lebenshingabe für uns Menschen. Die Antwort auf diese Liebe Jesu wird für Margareta, die inzwischen selbst Ordensfrau geworden ist, zu ihrer Lebensberufung und die Propagierung und Förderung der Herz Jesu-Verehrung zu ihrer Lebensaufgabe. Es ist schon erstaunlich, dass aus einer sehr persönlichen Frömmigkeit eine weltweite spirituelle Strömung in der Kirche geworden ist. In vielen Ländern wird monatlich der Herz Jesu-Freitag gehalten.

Das menschliche oder auch geistliche Erlebnis, dass ein anderer mir sein Herz öffnet und ich bei ihm und in seinem Herzen einen Platz habe, trifft ganz sicher auf eine Sehnsucht, die zu uns Menschen gehört. Jemand zu kennen, der mit seinem Interesse und seiner Liebe wirklich mich meint, wird durch noch so viel schönes Dazugehören zu unterschiedlichen Kreisen und Gruppen nicht aufgewogen. Umgekehrt kann eine Begegnung, die in die persönlichste Tiefe des eigenen Herzens führt, stärker sein als schlimme Lebensbedingungen und Erschütterungen. Der bekannte Psychotherapeut Viktor Frankl, der als Gefangener ein Konzentrationslager erlebt hat, erzählt einmal ein eindrückliches Gespräch mit seinem Freund aus der Zeit der Gefangenschaft. Er sagte zu seinem Freund: „Ich mache mein mündliches Testament: ‚Pass auf Otto: wenn ich nicht zurückkomme, nach Hause, zu meiner Frau; und wenn du sie wiedersiehst ... dann sagst du ihr - pass auf: Erstens - wir haben täglich und stündlich von ihr gesprochen - erinnerst du dich? Zweitens: ich habe nie jemand mehr geliebt als sie. Drittens: die kurze Zeit mit ihr verheiratet gewesen zu sein, dieses Glück hat alles aufgewogen, auch was wir jetzt hier erleben mussten.“ (Frankl, Viktor, ... trotzdem Ja zum Leben sagen, München 1982, S. 92)

Was Viktor Frankl so menschlich beschreibt ist das, was als geistliches Geschenk viele Menschen in der Herz Jesu-Frömmigkeit finden.

„Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird nicht sein.“ (Karl Rahner)

Der Theologe Karl Rahner hat mit seinem vielzitierten Satz – „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird nicht sein“ – auf diese Innendimension der eigenen geistlichen Erfahrung hingewiesen. Mit dem Leben der Hl. Margareta Maria Alacoque verbinden sich außergewöhnliche Offenbarung und Erscheinungen. Das Wort Mystiker bei Karl Rahner meint auch etwas Besonders und etwas Jenseits des Oberflächlichen. Es meint eine Tiefenerfahrung, die auch ohne Wunder und Erscheinungen als geistliche Frucht der Nähe Gottes und des treuen Mitgehens des Menschen erwächst.

Pater Tillmann Beller hat vor einigen Jahren immer wieder einmal eine Abänderung zu dem Satz von Rahner formuliert. Zu der persönlichen geistlichen Tiefenerfahrung muss etwas hinzukommen: „Der Christ der Zukunft wird ein Apostel sein oder er wird nicht mehr sein“, war seine Betonung. Der Christ der Zukunft braucht etwas, was über das Erlebnis hinausgeht, selbst etwas erlebt zu haben und in sich zu tragen. Nur wenn das, was mir zuinnerst wichtig ist, auch Teil der Kommunikation mit meiner Umwelt ist, kann es für mich selbst lebendig bleiben. Ich kann auch das Heiligste und Wichtigste, was ich in mir trage, nicht unberührt wie in einem Gefäß durch mein Leben tragen. Moderne Zeit bedeutet, dass wir ständig in Begegnungen sind mit Nachrichten, Informationen, Bildern und Lebensweisen in einer schier uferlosen Vielfalt. Wenn diese Vielfalt nur von außen nach innen geht, wird sich das innere Leben kaum behaupten können. Die Lebendigkeit dieses Inneren braucht umgekehrt die Kommunikation, die von innen nach außen führt. Ohne sagen zu können, was für mich wichtig ist, fängt auch mein Inneres an zu schweigen. Ohne das Erleben, dass es auch für andere wichtig ist oder sein kann, geht mir die Luft aus. Ohne gemeinsame Freude in der Begegnung mit anderen, verliert das Meine seine Lebendigkeit.

Mit anderen teilen wollen, „wovon mein Herz voll ist“, ist gleichermaßen ein Geschenk für andere wie auch für mich selbst. Als wichtigste Beschreibung für die Schönstatt-Bewegung sagen wir oft apostolische Bewegung von Schönstatt. Mit apostolisch ist genau das gemeint: Begegnungen finden, in denen sich Leben mitteilt, inneres Leben.

Im Liebesbündnis mit Maria beten wir oft und sogar täglich, dass es um das Herz geht. Wie verlässlich die Liebe im Herzen der Gottesmutter ist – und alles andere als wankelmütig und vorübergehend wie eine brennende Strohhütte – das hat sie uns schon oft gezeigt.

Ich wünsche Ihnen allen eine tiefe Erneuerung des Liebesbündnisses in diesem Monat


P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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