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18. Mai 2021 | Worte des Bewegungsleiters | 

Jahresbitte 2021: „Gib uns, die wir dir vertraun, deine Gaben zum Geleit!“


Jahresbitte 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)

Jahresbitte 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Foto: pixabay)

Liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Vor über einem Jahr haben wir auf die Pandemie-Situation mit einer bewussten Erneuerung des Liebesbündnisses geantwortet. Noch immer erleben wir uns in einem Ausnahmezustand. Noch immer sind Prognosen schwer. Wie schnell oder langsam werden die Impfungen helfen, die Vorsichtsmaßnahmen überflüssig zu machen? Zweimal hat die Coronasituation unsere Delegiertentagung verunmöglicht. Trotz Online-Treffen konnten wir auch in diesem Jahr nicht wie gewohnt den Suchprozess für die gemeinsame Ausrichtung der Schönstatt-Bewegung durchführen. Schon im zweiten Jahr begleitet uns als Jahresmotto die Zusage und der Impuls: „Der Geist Gottes wohnt in eurer Mitte (1 Kor 3,16) – Klima wandeln“.

Immer deutlicher erleben wir den Wunsch, dass sich unser Blick nach vorne richtet und dass wir mit Kraft das Leben anpacken und gestalten.

Jahresbitte 2021: „Gib uns, die wir dir vertraun, deine Gaben zum Geleit!“

In den Überlegungen des Zentralrates fanden wir ein Bild und eine Gebetsbitte aus der Pfingstsequenz für diese Ausrichtung nach vorne und auf Zukunft hin.

Das Bild ist ein Blick über ein nebeliges Tal in Richtung Sonne, die am Horizont aufgeht. Die gemeinsame Jahresbitte rechnet damit, dass uns die Gaben des Heiligen Geistes leiten auf unserem Weg Richtung Horizont.

Blickrichtung Horizont

Ich glaube, dass wir mit der Gesellschaft und mit der Kirche ein Stück weit auf der Stelle stehen. Für Schritte in die Zukunft braucht es den Blick Richtung Horizont. Wir brauchen den Blick dafür, wie uns die gegenwärtigen Herausforderungen verändern und in welche Richtung sie uns weisen. Auch wenn noch vieles unklar ist und im Nebel liegt, spüren viele Menschen, dass es um wichtige Entwicklungen und Veränderungen geht. Das, worum es geht, ist größer und wichtiger, als die Antworten, die wir schon geben können.

Dr. Markus Gabriel, Philosophieprofessor in Bonn, hat dazu in einem Essay geschrieben: „Das Coronavirus offenbart die Systemschwächen der herrschenden Ideologie des 21. Jahrhunderts. Dazu gehört der Irrglaube, dass wir durch naturwissenschaftlich-technologischen Fortschritt alleine schon menschlichen und moralischen Fortschritt vorantreiben können. Dieser Irrglaube verführt uns dazu zu glauben, die naturwissenschaftlichen Experten könnten allgemeine soziale Probleme lösen.“ Und er fasst das dann zusammen: „Nach der virologischen Pandemie brauchen wir eine metaphysische Pan-Demie, eine Versammlung aller Völker“ – Pan Demos, das ganze Volk –, „unter dem uns alle umfassenden Dach des Himmels, dem wir niemals entrinnen werden“ (vergleiche).

Das ist im Grunde das, wozu auch Papst Franziskus auffordert, wenn er sagt, dass wir verändert aus der Coronazeit herausgehen sollten.

Gerade weil die Strukturlinien der neuen Zeit noch unklar und nebelig sind, ist es so wichtig, den Ernst der Situation zu spüren und sich mit besonderer Wachheit auf den Weg zu machen.

Jede Gabe ist wichtig

Die Bitte um die Gaben des Heiligen Geistes „zum Geleit“ sitzt genau an dieser Stelle. Es geht darum, „Geleit“ zu haben, um den richtigen Weg zu finden. Das Drängen des Heiligen Geistes bringt uns in Bewegung. Abwarten verpasst das Neue, das sich nur zeigt, wenn man sich auf den Weg macht und die jetzt möglichen Schritte geht.

Es ist kein blindes Anfangen. Der Weg entsteht aus einer gemeinsamen gläubigen Bereitschaft. Wenn es um Schritte geht hinein in unbekanntes Gelände, werden die Beiträge von allen wichtig. Das Zusammenwirken verschiedener Anliegen und verschiedener Generationen wird wichtig. Es geht darum, dass unterschiedliche Erfahrungen ins Spiel kommen. Alle Zweige unserer Bewegung und alle Generationen können mitwirken.

Der Wechsel von Generationen hat dabei eine besondere Bedeutung. Veränderungen in der Zeit prägen besonders die jeweils neue Generation. Jede Generation spürt auch, dass die Visionen des Ursprungs größer sind, als das, was realisiert wurde, als das, was bisher im Leben umgesetzt werden konnte. Auch das, was nicht oder weniger gelungen ist, wird klarer wahrgenommen. Sicher gibt es die besonderen Wertblindheiten jeder Zeit und jeder Kultur. Es gibt aber vor allem auch die neue Wachheit für das, was für jetzt und für den Weg in die Zukunft besonders wichtig ist. Ohne diese Wachheit bleibt der Blick auf den Horizont verstellt. Es ist schon ein Schritt nach vorn, wenn die Älteren ein Gespür lernen für das Unerfüllte im Blick auf die Visionen des Anfangs und wenn in den Jüngeren die Bereitschaft wächst, etwas anzupacken, was nicht schon realisiert ist.

Eine „Liebesbündniskultur“, die den Alltag prägt und inspiriert    

Ich glaube, die Kraft und die Tiefe der Berufung jeder Generation hat es damit zu tun. Das heißt, wir brauchen die Fragen der jeweils anderen Generation. Wir brauchen die Fragen, die wir bisher gar nicht gestellt haben. Wir brauchen das Infragestellen. Und umgekehrt brauchen wir auch die Fragen nach den bisherigen Erfahrungen und den Lebensquellen, aus denen unsere Gründung lebt. Das Licht vom Horizont der Zukunft bringt die Anfangsvisionen ganz neu zum Leuchten und ermöglicht uns den Schritt nach vorn auf wirklich neue Wege. Nur durch diese Erneuerung wird aus dem Liebesbündnis mit der Gottesmutter eine wirkliche „Liebesbündniskultur“, die den Alltag prägt und inspiriert.

Wenn wir als Jahresbitte um die Gaben des Heiligen Geistes bitten, die uns leiten sollen, dann dürfen wir diese „Gaben, die uns leiten“, besonders im Miteinander suchen und erwarten.

Immer wieder kommt mir in letzter Zeit ein Lied aus dem „blauen Liederbuch“ der Schönstatt-Mannesjugend in den Sinn. Darin heißt es: „Die blaue Erde dreht sich langsam und still, und sie zieht – wie gewohnt – ihre Bahn. Doch im Herzen reift ein neues Gefühl für die Einheit der Menschen heran …“ (T. u. M.: Klaus Glas). Und plötzlich finde ich auch beim Blick in ein altes Liederbuch den Horizont, zu dem uns die Zeichen der Zeit jetzt drängen, aufzubrechen.

Ich freue mich darauf, dass wir mit der gemeinsamen Jahresbitte und durch das Beten der Pfingstsequenz den Horizont zuversichtlich in den Blick nehmen und uns auf den Weg machen.

Im Maimonat wünsche ich Ihnen allen die besondere Nähe der Gottesmutter im Liebesbündnis.


P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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