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11. Februar 2021 | Deutschland | 

Ein Blick auf die dritte Kontaktstelle


Schwester Dr. M. Nurit Stosiek, Schönstätter Merienschwestern, referierte bei einer Tagung der Institute der Schönstatt-Bewegung (Bildschirmfoto Ausschnitt: privat)

Schwester Dr. M. Nurit Stosiek, Schönstätter Merienschwestern, referierte bei einer Tagung der Institute der Schönstatt-Bewegung (Bildschirmfoto Ausschnitt: privat)

Dr. Peter Wolf. Seit 2018 treffen sich jährlich Vertreterinnen und Vertreter der sechs Säkularinstitute der Schönstatt-Bewegung (Verbände), um ihre Sendung gemeinsam tiefer zu erfassen. Ursprünglich sollte die diesjährige „Verbände-Tagung“ vom 5. bis 7. Februar auf Berg Moriah stattfinden, wurde aber wegen den Pandemie-Beschränkungen als Zoom-Konferenz durchgeführt. Dadurch konnten beim Vortrag am Vormittag über 80 Mitglieder aus den Gemeinschaften teilnehmen. Am Vorabend traf sich der engere Kreis der Teilnehmer per Livestream zu einer Gebetszeit im Urheiligtum.

Bindung an den Gründer in den Blick nehmen

Am Samstagmorgen eröffnete Ehepaar Maria und Dr. Ulrich Wolff die Tagung mit Glückwünschen an das Institut der Frauen von Schönstatt, die am vergangenen Wochenende ihre Konstituierung vor 75 Jahren feiern konnten. Sie erinnerten an den kürzlich verstorbenen Generaloberen des Institutes der Schönstätter Marienbrüder, Herrn Ernest M. Kanzler, der von Anfang an zum Kern-Team der Verbände-Tagung gehörte. Daran fügten sie einen Überblick zu den bisherigen Treffen der Verbände. Ausgangspunkt beim ersten Treffen war die Besinnung auf das „Miteinander im Charisma des Gründers“. Das zweite Treffen reflektierte Fragen um die Berufung zu den Verbänden. Das dritte Treffen thematisierte das große Anliegen des Gründers um die Immakulata-Atmosphäre als gemeinsamer Boden für alle Schönstatt-Institute. Für das diesjährige Treffen war zunächst das Anliegen der Evangelischen Räte im Blick. Die Ereignisse um die Vorwürfe gegen den Gründer bewegte das Vorbereitungsteam, der Thematik der Bindung an den Gründer den Vorzug zu geben und die Frage anzugehen: „Weshalb braucht Schönstatt die dritte Kontaktstelle?“

Geschichte einer Sendung

Zu dieser für die Bewegung und besonders für die Verbände zentralen Frage begrüßte Frau Dr. Pollak, die die gesamte Tagung moderierte, Sr. Dr. M. Nurit Stosiek als Referentin des Vormittags. Nach einem Hinweis auf z.T. extreme Enttäuschungen in der jüngsten Vergangenheit mit Gründerpersönlichkeiten, die zur Trennung von Gründer und Charisma der Gemeinschaft führten, machte Sr. Nurit vertraut mit Gedanken von Hans-Urs von Balthasar, der viel über Sendung reflektiert hat und bei den Heiligen nicht deren heroische Leistung wertet, sondern ihren entschlossenen Gehorsam gegenüber ihrer Sendung. Ganz bewusst stellte die Referentin Josef Kentenich als Sendungsträger vor, so wie er sich selbst nach vielen Zeugnissen verstanden hat. In dieser Sicht gewinnen lebensgeschichtliche Belastungen wie die uneheliche Geburt oder die große Einsamkeitsnot als Jugendlicher und die geistigen Kämpfe der Studienzeit ein anderes Gewicht. Sr. Nurit versuchte in ihren beiden Vorträgen, „der Geschichte einer Sendung nachzugehen“ und diese an vier Wegmarken festzumachen, die Pater Kentenich selber als „Meilensteine“ seiner Sendungsgeschichte und seiner Gründung deutet.

Aus dem Begleiter wird ein Vater

Sie versteht diese Meilensteine, wie schon der Gründer, im Sinne eines Wachstumsprozesses. Im Vorfeld dieser Meilensteine liegt die Priesterweihe, die für ihn nach eigenem Zeugnis eine große Wende in seinem Innern bringt: „Was in mir aufkeimte, war eine umfassende Paternitas“. Seine Ernennung zum Spiritual in Schönstatt schafft für ihn einen großen Freiraum, priesterliche Väterlichkeit zu entfalten und zu leben. Um ihn wächst Beziehung und Vertrauen. Für seine Jungen ist er „Vater und Mutter zugleich“. In diese Zeit fällt als erster Meilenstein der 18. Oktober mit dem Heiligtum und der wachsenden Bindung an die Gottesmutter. In den gleichen Zeitraum fällt das Erleben von gesundheitlichem Zusammenbruch und das Erleben, Werkzeug in der Hand der Gottesmutter zu sein. Aus diesem gläubigen Bewusstsein gewinnt er den langen Atem, der ganz typisch ist für ihn. Mit unendlicher Geduld begleitet der die jungen Leute in der Suche nach ihrem „Persönlichen Ideal“ und wird dabei ihr Vater.

Realität der Übernatur und Schicksalsverwobenheit der Familie

Mit der Gefangenschaft in Koblenz und der bewussten Bereitschaft für Dachau am 20. Januar 42 kommt Sr. Nurit zum zweiten Meilenstein. Die Schlüsselerfahrung für Pater Kentenich sieht sie darin, dass dem Gründer klar wird: Die Gottesmutter benutzt seine drohende KZ-Haft, um die Familie zu tieferer Hingabe an den Vaterwillen Gottes zu bewegen. Die Entscheidung fällt bei der Eucharistiefeier. Die beiden tragenden Gedanken für ihn sind: „Glauben an die Realität der Übernatur und die Schicksalsverwobenheit der Glieder unserer Familie.“ Er geht den Weg ins KZ für die Freiheit seiner Familie und in der Überzeugung, dass er frei werden wird, wenn der Lösepreis durch das Streben der Familie geschenkt ist. An diesem Meilenstein entscheidet sich, dass er das „überzeitliche Haupt der Familie“ ist. Mit diesem Bewusstsein kommt er nach Schönstatt zurück.

Auseinandersetzung um die Vaterstellung des Gründers

Bald danach beginnen die Auseinandersetzungen um seine Person in der bischöflichen und apostolischen Visitation. Es geht dabei um die Vaterstellung des Gründers im Bindungsorganismus des Liebesbündnisses, wie Sr. Nurit diesen dritten Meilenstein umschreibt. Im Brief vom 31.Mai 1949 hatte der Gründer versucht, seine Gedanken zum „natürlich-übernatürlichen Bindungsorganismus“ darzustellen, aber ohne Erfolg bei den Bischöfen und beim Visitator. Auch die Auseinandersetzung um die Leitbildfrage in der Beziehung zwischen Pallottinern und Schönstatt-Bewegung fällt in diese Zeit und ist ausgelöst durch das neue Verständnis des Gründers als „überzeitliches Haupt“. Es ist ein Kampf um die Gründerstellung im Blick auf die Frage: Ist Schönstatt ein eigenständiger Lebensaufbruch im Liebesbündnis?

Pater Josef Kentenich bei einer Begegnung mit Vertretern der Schönstattfamilie in der Aula der Schönstätter Marienschule (Foto: Archiv)

Pater Josef Kentenich bei einer Begegnung mit Vertretern der Schönstattfamilie in der Aula der Schönstätter Marienschule (Foto: Archiv)

Vater- und Kindesströmung in die Kirche einbringen

Den vierten Meilenstein zeigte Sr. Nurit auf im Kontext der Heimkehr des Gründers aus dem Exil am Weihnachtsfest 1965, wo er nach langer Trennung seine Familie neu als Geschenk der Gottesmutter aufnehmen darf. Im Umkreis dieses Meilensteines kommt die Vatersendung des Gründers noch deutlicher in Blick. Es ist offensichtlich sein Charisma, die Vatersendung Jesu neu auszulegen und vorzuleben. Er sieht seine Sendung darin, eine ausgeprägte Vater- und Kindesströmung, wie sie um ihn gewachsen ist, in die Kirche zu bringen.

Nach den beiden Referaten gab es die Möglichkeit zu Rückfragen an die Referentin. Es entwickelte sich ein lebhaftes Gespräch. Viele dankbare Rückmeldungen kamen.

„Wer ist Pater Kentenich für uns?“

Am Nachmittag tagte der Kernkreis aus Vertretern der verschiedenen Verbände. In dieser Runde ging es um den Austausch zwischen den Gemeinschaften über die Art und Weise, wie die Bindung zum Vater und Gründer gelebt wird. Dabei zeigte sich eine große Vielfalt und eine offensichtliche Lebensfülle in der Verbundenheit mit ihm.

Danach war in der Hauskapelle der Frauen von Schönstatt eingeladen zur Eucharistiefeier, die ebenfalls für alle Tagungsteilnehmer übertragen wurde. Pater Theo Breitinger stand der Eucharistiefeier vor. In seiner Ansprache thematisierte er die Aufgabe der Verbände als Garanten für die getreue Weitergabe des „ganzen Schönstatt“. In der derzeitigen Situation um den Gründer sah er eine Herausforderung für die Verbände, sich der Frage zu stellen: Wer ist Pater Kentenich für uns? Für die Stunde von 20 bis 21 Uhr war eine Zeit in der Gründerkapelle am Sarkophag des Gründers vorgesehen, die mit großer Stille und mit drei ausgewählten Vatertexten von Dr. Peter Wolf gestaltet wurde. Die Abschlussrunde der Tagung am Sonntagmorgen hatte das Ziel, nach einem Rückblick auf die Tagung die Weiterarbeit und das Thema für das nächste Treffen zu klären. Im Gespräch zeigte sich das deutliche Bedürfnis, sich in der Zwischenzeit zweimal in einer Zoomkonferenz zu begegnen und über aufkommende Fragen auszutauschen. Dafür wurde ein Team gebildet, das solche Treffen vorbereitet und unter den Mitgliedern der Verbände einlädt. Als Thema für die nächste Verbände-Tagung wurde der evangelische Rat des Gehorsams und die Frage nach Macht vorgeschlagen und angenommen. Sie wird vom 11. bis 13. Februar 2022 auf Berg Moriah, Simmern, stattfinden.


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