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18. Dezember 2020 | Worte des Bewegungsleiters | 

Erschüttert werden, damit das Unerschütterliche bleibt


Jahresmotiv 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Jahresmotiv 2020/2021 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Obwohl es schon im letzten Dezember Nachrichten über Wuhan in China gab, hat wohl kaum einer von uns mit Auswirkungen gerechnet, wie sie das neue Corona-Virus verursacht hat. Alle Regionen und Generationen haben ein anderes Jahr 2020 erlebt, als wir es uns bei seinem Beginn erwartet haben. Eine Krankheit, die die ganze Welt in Atem hält, war außerhalb unserer Vorstellungen.

Das Jahr 2020 hat uns verändert

Noch 2017 beschrieb Yuval Noah Herari die Zukunft des Menschen als eine, in der wir Krieg, Krankheiten und Hunger im Wesentlichen im Griff haben. Und auch im Blick auf „Corona“ denken wir ja wahrscheinlich doch, dass wir bald wieder so weit sind, dass wir es im Griff haben. Und doch haben die Monate von Abstandsregeln, Verordnungen und andauernder Vorsicht in uns Spuren hinterlassen. Weniger Planbarkeit, weniger Abwechslung, weniger Kontakte, eine unbestimmte Unsicherheit: Solche Fragen haben sich allmählich „unter die Haut gestohlen“.

Ist es genug, wenn wir aus diesem Jahr hervorgehen als Menschen, die besser mit Videokonferenzen umgehen können? Vielleicht sehen wir uns inzwischen sogar häufiger auf einem Bildschirm, als das früher bei realen Treffen der Fall war. Wächst dabei das Interesse aneinander und mehr menschliche Nähe? Vielleicht lernen wir gerade, dass seelische Nähe mehr noch als alle möglichen Kontaktnahmen inneres Interesse braucht und Herzen, die sich öffnen.

Wir entdecken zwar neue Möglichkeiten und doch: Wir spüren auch mehr das, was in uns leer ist oder wo unsere Fragen und Nöte sitzen. Ob wir beim Rückblick auf das vergangene Jahr auch eine Wachstumsgeschichte schreiben könnten, wie in uns der innere Mensch gewachsen ist? Vielleicht haben wir erfahren dürfen, dass unser Beten in diesen Monaten einfacher und tiefer geworden ist. Vielleicht ist aus mancher Verunsicherung auch ein bewussterer Sprung hinein in mehr Gottvertrauen gewachsen.

Erschüttert werden, damit das Unerschütterliche bleibt

Seit einiger Zeit durchzieht immer wieder eine Stelle aus dem Brief an die Hebräer meine Betrachtungen. Paulus spricht da im Blick auf die früheren Offenbarungen Gottes von „loderndem Feuer, dunklen Wolken, von Finsternis und Sturmwind, vom Klang der Posaunen und vom Schall der Worte“ und von „Angst und Schrecken“. Das alles tritt für ihn ganz in den Hintergrund in der Überzeugung, was uns in Jesus geschenkt ist: der Mittler eines neuen Bundes. Seine Erlösungstat ruft mächtiger als alle Schuld der Menschen. Erschütterungen können das, worin man sich eingerichtet hat, zum Bröckeln und zum Einsturz bringen. Hinter den Erschütterungen geht es darum, den unerschütterlichen Gott zu finden. Paulus fasst das so zusammen: „Das, was erschüttert wird, weil es geschaffen ist, soll verwandelt werden, damit allein das bleibt, was nicht erschüttert werden kann.“ (Hebr 12,27)

In den menschlichen Erschütterungen den Halt in Gott neu suchen und finden, das ist für mich auch ein Wachstumsimpuls im Blick auf alle Anfragen an unseren Gründer, Pater Kentenich. Auch da hat sich ja in den vergangenen Monaten etwas „unter die Haut gestohlen“: An was mache ich meine Identifikation mit Schönstatt fest? Hat das, was mir Pater Kentenich durch sein Wort und sein Beispiel an Glaubenszuversicht vermittelt hat, Bestand? Was von allem, was ich weiß und gehört habe, ist zu meiner eigenen Überzeugung geworden? Klärungen aus Dokumenten und Archiven brauchen ihre Zeit. In der Ungeduld wird das Gewicht und die Bedeutung der Fragen für mein Leben sichtbar. Glaubwürdigkeit und Zweifel haben viele Quellen. Wir müssen neu unsere Erfahrungen und unsere eigene Intuition befragen und ihnen trauen. Erschütterungen werfen mich zurück auf meinen eigenen Glauben. Meine persönlichen Fragen und Antworten werden offengelegt.

Persönlich und doch nicht allein

Unser innerer Glaubensweg ist für jeden ein ganz persönlicher. Und doch ist ihn keiner von uns ganz und gar alleine gegangen. Das ist unmöglich. Nur in einem Miteinander, in Konfrontation und durch Rückmeldungen, durch Fragen und Antworten kann Glaube zu meinem persönlichen Glauben werden. Es ist beeindruckend, wie in den Corona-Monaten das gemeinsame Beten über Länder- und Konfessionsgrenzen hinweg neue Ausdrucksformen gefunden hat. Die gemeinsame Ausrichtung auf Gott, auf das, „was nicht erschüttert werden kann“ – um das Wort von Paulus noch einmal zu wiederholen – ist ein wichtiges Zeugnis und eine gegenseitige Bestärkung.

Wer im Dunkeln Auto fährt, weiß, dass man nicht in die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge schauen darf. Das kann lebensgefährlich werden. Gerade wenn die Lichter blenden, braucht es den Blick auf den rechten Straßenrand. Am Tag hat man die Orientierung an der Fahrbahn selbstverständlich im Blick. In der Nacht braucht es die konsequente Orientierung an den Markierungspfosten am Rand. In Erschütterungen muss die Blickrichtung auf Gott hin entschiedener sein. „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und keine Qual rührt sie an“ (Weis 3,1) ist gleichzeitig Bitte und Bekenntnis.

Gerade auch im Blick auf das, was an Kentenich und Schönstatt zur Frage wird, braucht  es das Nachfragen und miteinander Sprechen, braucht es Kritik und Zuhören und Offenheit. Angst vor der Wahrheit, Angst vor der öffentlichen Meinung oder Angst vor der eigenen Verunsicherung sind eher wie die blendenden Scheinwerfer bei der nächtlichen Autofahrt. Der Straßenrand, der Orientierung gibt, ist die Überzeugung, dass Gott etwas weiterbringen möchte für uns als Bewegung und für jeden von uns persönlich.

Auch an Weihnachten 2020 wird man sich erinnern

Mehr als in vielen Jahren zuvor wird mir in diesem Jahr bewusst, wie bedroht und gefährlich Gottes Weg zu uns Menschen war. Die Heilige Schrift lässt keinen Zweifel daran, dass Erschütterungen, sogar Verfolgung und Widerspruch von Anfang an das Leben Jesu kennzeichnen. Ob wir an den Weihnachtsfeiertagen in unseren Gesprächen immer wieder neu davon reden werden, was in diesem Jahr halt leider nicht möglich ist, was zu einem richtigen Weihnachtsfest gehört, was dieses Mal verboten ist. Oder werden wir Weihnachten entdecken wie nie zuvor? Vielleicht werden wir uns in der Zukunft daran erinnern, dass wir 2020 einfacher und gläubiger das Geheimnis von Weihnachten gefeiert haben. Dass wir kindlicher und mit größerer Sehnsucht die Geburt des Erlösers gefeiert haben. Dass wir wie die Sterndeuter mit Dankbarkeit und Staunen das Kind und Maria, seine Mutter, finden und dass wir wie sie niederfallen und IHN anbeten.

Uns allen wünsche ich ein Weihnachtsfest, von dem wir bezeugen können, dass uns der Blick der unerschütterlichen Liebe unseres Gottes getroffen hat.

Viel Freude und herzliche Grüße aus Schönstatt

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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