Nachrichten
Ein anderes und unerwartetes Kentenich-Jahr
(Foto: V. Staffolani)
Liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung,
mit dem Advent nimmt ein neues Kirchenjahr seinen Anfang. Ich möchte das zum Anlass nehmen, um die Herausforderung der vergangenen Monate anzuschauen. Die Anfragen an unseren Gründer, Pater Kentenich, sind für uns ein tiefer Einschnitt, der das neue Jahr und die kommende Zeit prägen wird.
Mehr Informationen
Seit Juli bestimmen Veröffentlichung von Vorwürfen gegen Pater Kentenich das Bild. Das ist eine völlig unzureichende Informationslage. Ich bin froh, dass in der nächsten Zeit entsprechendes Material veröffentlicht werden kann, das den Kontext der verschiedenen Vorgänge nach unserem jetzigen Kenntnisstand in einer größeren Breite beleuchtet. Ich danke allen, die daran gearbeitet haben und daran arbeiten. Dass die Vorwürfe gegen Pater Kentenich unter der emotionalen Überschrift des sexuellen Missbrauchs dargestellt wurden, weckt in der heutigen Zeit und auch bei uns die spontane Reaktion: Wenn da erst einmal etwas behauptet wird, ist bestimmt noch mehr dran und das wird sich mit der Zeit zeigen. Das macht vorsichtig. Es ist gut, dass die Sensibilität dafür gewachsen ist. Zum jetzigen Stand der Untersuchungen kann man mit einer realistischen Einschätzung sagen, dass dieser Hauptvorwurf im Blick auf ihn nicht gerechtfertigt ist. Es ist gut, dass jetzt sehr bald die historische Kommission durch die Diözese Trier eingesetzt wird und ihre Arbeit aufnehmen kann.
Der eigenen Erfahrung trauen
Diese historische Klärung und Aufarbeitung wird angesichts der Materialfülle ihre Zeit brauchen. Jedes innere Bild, das wir heute von Pater Kentenich haben, ist ein Mosaik aus vielen Einzelaspekten und Erfahrungen. Wie bestimmend sind kritische und widersprüchliche Mosaiksteine für unser Verständnis von seinem Leben? Das aktuelle Suchen und das genauere Nachfragen sind ein großer Gewinn für uns alle. Je größer der geschichtliche Abstand zum Gründer unserer Bewegung wird, umso umfassender und differenzierter müssen die Berichte und Zeugnisse sein, um die ganze Person in den Blick zu bekommen. Und gleichzeitig geht es ja bei aller Sammlung von geschichtlichem Wissen und tradierten Erzählungen auch um die Frage der persönlichen Beziehung zu ihm: Was bedeutet Pater Kentenich für mich? Es geht um eine Intuition und Einschätzung. Was weckt Distanzierung und was begründet Vertrauen in seine Person und seine Inspirationen. Bewusster als bisher sind wir herausgefordert, die eigenen Reaktionen im Blick auf unseren Vater und Gründer wahr- und ernst zu nehmen.
Ins Gespräch kommen
Erfahrungen sind persönlich. Und doch klären sie sich durch Feedback und Reaktionen anderer. Daher brauchen wir ein offenes und lernbereites Gespräch zwischen allen Generationen und Gemeinschaften unserer Bewegung. Jeder kann dabei seine Fragen einbringen und auch seine Überzeugungen und die Perspektiven, die er sieht. Unterschiedliche Herangehensweisen werden aufeinandertreffen. Ich hoffe deshalb, dass wir viele solche Gesprächsräume finden und schaffen können. Ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben wird nicht immer leichtfallen. Ich glaube, es wird für die Zukunft Schönstatts ein entscheidender Lernschritt sein. Gerade Irritationen sind wichtig für eine neue Entscheidung und für eine größere Sicherheit.
Offenheit und Vertrauen
Diesen Weg gehen wir im Vertrauen auf das Liebesbündnis mit der Gottesmutter. Maria trägt das göttliche Kind, um es zur Welt zu bringen. In ihr ist es schon Weihnachten, während es um sie herum noch Zeit der Erwartung ist, Zeit der Hoffnung und Zeit der Sehnsucht. Gewissheit und Ungewissheit prägen gleichzeitig den Advent. Beides prägt auch den Weg, den wir jetzt mit unserem Gründer gehen und den wir zu gestalten haben. Oft und unter vielen schwierigen und schwierigsten Umständen hat sich das Vertrauen auf die Gottesmutter bewährt. Das bezeugt die Geschichte unserer Familie. Und vor allem bezeugt es das Leben unseres Gründers selbst. Je aufregender und bedrohlicher eine Situation wurde, umso fester und entschiedener hat er aus dem Vertrauen auf das Liebesbündnis gelebt. Dazu hat er immer neu ermutigt.
Das Bündnis mit Maria ist unsere Grundlage, auf der wir alle Schritte gehen können, die Gott uns im kommenden Jahr zeigt und die er von uns verlangt.
In dieser adventlichen Zeit wünsche ich Ihnen allen und uns miteinander eine wirklich göttliche Zuversicht.
Mit einem herzlichen Gruß
P. Ludwig Güthlein
Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland